Astronauten-Veteran rügt NASA

Die NASA, noch immer beschäftigt mit der Aufklärung der Columbia-Katastrophe und sichtlich bemüht um das Aufbessern des eigenen, schwer angeschlagenen Images, wird nun auch offen aus den eigenen Reihen kritisiert.

Ein Beitrag von Felix Korsch. Quelle: PE.com .

Wally Schirra (2. v. re.) und Jim Lovell (re.) inspizieren Wrackteil des Orbiters Columbia (Bild: NASA)

„Ich glaube, die haben den Blick für die Sicherheit verloren“. An diese Anschuldigungen hat sich die NASA längst gewöhnen müssen und man könnte das Gefühl bekommen, man hätte sich dem gegenüber ein dickes Fell zugelegt. Aber bei dem zitierten entschlossenen NASA-Kritiker handelt es sich ausgerechnet um einen Astronauten der ersten Stunde: Walter M. Schirra, genannt „Wally“, der während seines gestrigen Besuchs des Palm Springs Air Museum kein gutes Haar an der US-Raumfahrt-Behörde ließ. „Wir haben einen Begriff in der Luftfahrt“, sagte Schirra gegenüber 250 interessierten Gästen. „Es heißt ‚go fever‘ – Aufbruchstimmung. Man senkt seine Standards herab, wenn man dieser Stimmung verfällt. Ich bin besorgt, dass es dies war, was bei der Columbia-Mission geschah.“

Walter Schirra war einer jener Pioniere, welche die bemannte US-Raumfahrt eröffneten. Er gehörte zu der Gruppe der ersten sieben US-Astronauten. Insgesamt verbrachte er 295 Stunden im All. Darüber hinaus ist er der einzige Raumfahrer, der mit allen drei US-Systemen in den Weltraum vorstieß: er hat Flugerfahrung mit Mercury, Gemini und Apollo.

Wally Schirra in der Besatzungskabine von Gemini 6. (Bild: NASA)

Einzig das Shuttle fehlt Schirra auf seiner Liste. Obwohl der ehemalige Navy-Captain heute kein offizielles Amt mehr inne hat, misst die Fachwelt seinen Ausführungen trotzdem ein gewisses Gewicht zu. Eugene Kranz, früherer NASA-Flugdirektor, beschrieb das Raumfahrt-Urgestein in seinem bekannten Buch Failure is not an Option als besonders gewissenhaft, wenn es um Fragen der Sicherheit geht. Und nun wettert eben dieser Schirra gegen die NASA selbst.

Laut Schirra sei die Katastrophe am 1. Februar nur eine zwingende Folge einer Vielzahl von Versäumnissen seitens der NASA gewesen. „Ich habe nie gedacht, dass das Shuttle sicher ist. Wir haben einen Hitzeschild, der ganz gut arbeitete. Aber die Kacheln sind sehr fragil.“ Laut ihm sind die Hitzeschutz-Kacheln also die Hauptursache der Katastrophe. Nostalgisch erinnert er sich an die Tage zurück, in denen die Astronauten noch Piloten in kleinen Blechbüchsen waren: „Damals sagten die Astronauten jedes Fluges der nächstfolgenden Crew, wie der Flug verlief, um diese darauf vorzubereiten. Die Crews heute sind aber nicht so direkt mit dem Shuttle-Programm verbunden.“

Auf die Frage nach dem Fortgang des Shuttle-Programms bemerkte er, dass es natürlich weitergeht. „Es muss einfach weitergehen. Wenn wir jetzt ein neues Gerät bauen, wird es womöglich erst in 10 Jahren fertig sein. Die Raumstation ist dann längst Geschichte.“ Doch der Tod der sieben Raumfahrer ist in seinen Augen vollkommen sinnlos gewesen: „Die Columbia flog hoch, um wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Wozu haben wir dann die Raumstation? Man hätte die Columbia modifizieren müssen, damit es an die Raumstation andockt, anstatt mit all diesen Experimenten herumzufliegen… Der Shuttle sollte auch als solcher, also als Zubringer genutzt werden.“

Weiterhin zog er ernüchterne Parallelen zu früheren Katastrophen: „Es hört sich nicht nur wie ein Echo von Challenger an, sondern auch wie eines von Apollo 1.“ Beide Katastrophen kosteten jeweils sieben bzw. drei Menschen das Leben. Schirra war seinerzeit selbst als Backup für Apollo 1 eingeteilt – eine Mission, die durch ein Feuer noch auf dem Starttisch auf tragische Art und Weise endete.

Im benannten Buch von Eugene Kranz findet sich eine weitere interessante Anekdote über Schirra. Dieser habe zur Zeit seiner Raumflüge die strenge, von der NASA auferlegte Weltraumdiät, bestehend aus gefrier-getrocknetem Hühnchen, mehrfach umgangen. Heute kann Schirra darüber nur noch lachen: „das ist die typische NASA-Gangart. Sie verstehen nicht, wie wir die Spiele spielen.“

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