Im Verlauf der Erdgeschichte sind immer wieder Asteroiden und Kometen mit unserem Heimatplaneten kollidiert, was teilweise dramatischen Auswirkungen zur Folge hatte. Mit dem internationalen Forschungsprojekt NEOShield soll sichergestellt werden, dass die Menschheit auf zukünftige Impakte vorbereitet sein wird.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR.
Es ist unklar, wann genau der letzte große Einschlag eines Asteroiden oder Kometen auf der Erde erfolgte. Die Zeugnisse solcher Einschläge existieren jedoch überall auf der Welt. Prominente Beispiele hierfür sind das Nördlinger Ries in Bayern oder der Barringer-Krater im US-Bundesstaat Arizona. Ein weiteres Beispiel findet sich in der Tunguska-Region in Sibirien, wo am 30. Juni 1908 die Explosion eines Asteroiden in der Erdatmosphäre Millionen von Bäumen entwurzelte. Die in Arizona und Sibirien verursachten Schäden wurden durch relativ kleine Objekte mit lediglich wenigen Dutzend Metern Durchmesser hervorgerufen. Allerdings existieren in unserem Sonnensystem eine Vielzahl solcher der Erde potentiell gefährlich nahe kommende Objekte, welche teilweise über Durchmesser von mehreren hundert Metern verfügen. Sie werden als „Near Earth Objects“ (kurz „NEO“) bezeichnet. Bisher wurden von Amateur- und Berufsastronomen über 8.000 solcher NEOs entdeckt und jeden Monat kommen etwa 70 weitere hinzu.
„Eine gefährliche Kollision mit der Erde ist dabei etwa alle paar hundert Jahre wahrscheinlich“, so die Einschätzung von Prof. Dr. Alan Harris, Asteroidenforscher am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Und diese Kollisionen könnten mit dann eventuell dramatischen Auswirkungen auf die Menschheit erfolgen.
In den nächsten dreieinhalb Jahren wird Prof. Dr. Alan Harris deshalb die im Januar 2012 gegründete internationale Kooperation „NEOShield“ (zu deutsch „Schutzschild gegen erdnahe Objekte“) leiten. Verschiedene Partner aus Forschung und Industrie wollen im Rahmen dieses Projektes gemeinsam erforschen, wie zukünftige Einschläge von Asteroiden und Kometen auf der Erde verhindert werden können.
Wenn sich Asteroiden der Erde nähern, so erfolgt diese Annäherung typischerweise mit einer Geschwindigkeit von fünf bis 30 Kilometern pro Sekunde. „Um ihre Umlaufbahn zu ändern und eine Kollision mit der Erde zu verhindern, muss man eine Kraft auf sie ausüben“, so Harris. „Und zwar rechtzeitig.“
Eine Voraussetzung für die Erforschung möglicher Abwehrmethoden ist jedoch, dass die Wissenschaftler die physikalischen Eigenschaften der NEOs genau kennen. „Wir wollen möglichst viel über unseren „Feind“ herausfinden, der Kurs auf die Erde nehmen könnte“, so Harris. Die Planetenforscher des DLR bringen deshalb ihre bisher gewonnenen Erkenntnisse über die Zusammensetzung, die Struktur und die Oberflächenbeschaffenheit von Asteroiden und Kometen in das Projekt ein. Zudem wird das Team die Beobachtungsdaten der vergangenen zwei Jahrzehnte ausführlich analysieren. „Diese Daten wurden bisher noch nicht genügend aus der Sicht der Asteroidenabwehr untersucht“, so Harris.
Am Ende des Projekts soll Klarheit über mehrere Fragen herrschen. So wollen die Asteroidenforscher unter anderem festlegen, auf welche Weise die potentiell für die Erde gefährlichen Asteroiden in Zukunft am besten beobachtet und mit welchen Weltraummissionen die Eigenschaften dieser Objekte festgestellt werden können. Abhängig von dem Zeitraum, welcher zwischen der Entdeckung der Gefahr und dem möglichem Eintritt des Objektes in die Erdatmosphäre liegt, sowie von der Größe und der Zusammensetzung des Asteroiden oder Kometen könnten dann verschiedene Abwehrmethoden zum Einsatz kommen, welche die Wissenschaftler ebenfalls im Detail studieren werden.
Eine der Methoden, welche durch das NEOShield-Konsortium näher untersuchen wird, besteht in dem Einsatz einer Raumsonde, die den Asteroiden durch einen gezielten Abszurz auf der Asteroidenoberfläche von seiner Bahn abbringen soll. „Das ist meiner Meinung nach eine sehr realistische Methode“, so Harris.
Allerdings sind bei dieser Methode viele bisher noch offene Fragen zu klären. Wie muss die Steuerung einer solchen Raumsonde ausgelegt sein, damit sie ihr Ziel sicher und im korrekten Winkel trifft? Und wie kann der Effekt vermindert werden, den die Bewegung des Treibstoffs im Inneren der Raumsonde auf deren Einschlag ausübt? Im Rahmen von Laborexperimenten wollen die beteiligten Wissenschaftler deshalb einen solchen gesteuerten Raumsonden-Absturz simulieren und dazu mit Projektilen verschiedene Materialien „beschießen“, die denen eines Asteroiden entsprechen. Durch solche Versuche können Rückschlüsse auf das Verhalten eines Asteroiden bei einer solchen Kollision gezogen werden.
Wird ein auf Erdkurs befindlicher Asteroid bereits mehrere Jahre oder noch besser Jahrzehnte vor einer möglichen Kollision entdeckt, so könnte eine andere und auf den ersten Blick wohl weniger spektakulär erscheinende Abwehrmaßnahme in Frage kommen, welche sich die von einer Raumsonde ausgehende Anziehungskraft zunutze macht.
Wird eine Raumsonde in die direkte Nähe eines potenziell gefährlichen NEO dirigiert, so könnte sich deren Gravitation auf den Asteroiden auswirken und ihn – wie von einem Abschleppseil gezogen – von der ursprünglichen Flugbahn ablenken. Allerdings würde ein solches Verfahren einen Zeitraum von mehreren Jahren benötigen, bis eine signifikante Veränderung der Asteroiden-Umlaufbahn erreicht wird. „Bisher existiert diese Methode nur auf dem Papier, aber sie könnte funktionieren.“ Entsprechende Untersuchungen sollen jetzt zeigen, wie realistisch es ist, bedrohlichen Asteroiden mittels der Schwerkraft von der Erde abzulenken.
Eine weitere Methode kommt für Alan Harris und seine Kollegen dagegen nur dann in Betracht, wenn die Zeit wirklich drängt. „Würde man ein sehr großes gefährliches Objekt mit einem Durchmesser von einem Kilometer oder mehr entdecken, würden die beiden anderen Methoden das Problem wahrscheinlich nicht mehr lösen“, so der Wissenschaftler. „Die größte Kraft, die man dann einsetzen könnte, um den Asteroiden aus seiner Bahn zu lenken, wäre eine nukleare Explosion.“
Auch diese Variante der Gefahrenabwehr werden die Wissenschaftler in ihrem Projekt untersuchen – allerdings ohne eine entsprechende Mission im Detail zu planen. Vielmehr soll analysiert werden, welche Auswirkungen eine in der unmittelbaren Nähe eines Asteroiden oder direkt auf dessen Oberfläche erfolgende Detonation zur Folge hätte. Könnten die bei einer Nuklearexplosion entfesselten Kräfte ausreichen, um einen Asteroiden erfolgreich von seiner Bahn abzulenken? Diese Möglichkeit, so Prof. Dr. Alan Harris, wird allerdings sehr kontrovers gesehen.
Die Daten aus den Asteroidenbeobachtungen und die Ergebnisse der Berechnungen und Laborexperimente werden – hochgerechnet auf realistische Maßstäbe – kontinuierlich in verschiedene Computersimulationen einfließen. Am Ende der dreieinhalb Jahre sollen jedoch nicht nur neue Erkenntnisse über Asteroiden und deren mögliche Abwehr vorliegen. „Wir planen auch internationale Raumfahrt-Missionen, mit denen man in einigen Jahren die erforschten Abwehrmethoden testen könnte“, so Harris. Dafür sollen aus der Menge der bekannten Asteroiden diejenigen ausgewählt werden, welche sich für eine Mission zu Demonstration der vorgeschlagenen Techniken am besten eignen.
Außerdem soll bis zum Jahr 2015 auch eine Art „Fahrplan“ vorliegen, welcher bei einer Bedrohung der Erde durch eine Asteroidenkollision in Aktion treten soll. Dieser Plan soll auf realistische Ereignisse wie die zukünftigen Begegnungen der Erde mit dem Asteroiden (99942) Apophis ausgerichtet sein. Dieser etwa 270 Meter durchmessende NEO wird sich der Erde am 13. April 2029 bis auf eine Entfernung von etwa 30.000 Kilometern nähern. Ein zweiter dichter Vorbeiflug dieses Asteroiden an der Erde wird bereits sieben Jahre später erfolgen.
Unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind folgende Partner an dem NEOShield-Projekt beteiligt: Observatoire de Paris (Frankreich), Centre Nationale de la Recherche Scientifique (Frankreich), The Open University (Großbritannien), Fraunhofer Ernst-Mach-Institut (Deutschland), The Queen’s University of Belfast (Großbritannien), Astrium GmbH (Deutschland), Astrium Limited (Großbritannien), Astrium S.A.S. (Frankreich), Deimos Space (Spanien), SETI Institute Corporation, Carl Sagan Center (USA), TsNIIMash (Russland), University of Surrey (Großbritannien). Die Europäische Union unterstützt das Projekt mit vier Millionen Euro. Weitere 1,8 Millionen Euro werden durch die an dem Projekt beteiligten Partner beigesteuert.
Verwandte Meldungen:
- Weniger Asteroiden in Erdnähe als erwartet (30. September 2011)
- Der Kamil-Krater in Ägypten (11. Oktober 2010)
- Ausgestorben. Aber wie? (8. März 2010)
- 50.000 Dollar für Gravitationstraktor-Studie (22. Juni 2008)
- Curling mit Asteroiden (2. Mai 2006)
- Mission zur Abwehr von Asteroiden (15. Juli 2004)
- Earthguard 1: Neue Erdüberwachung? (13. Juli 2004)
- Asteroidenjagd im Süden (13. April 2004)
- Unterschätzte Gefahr (12. April 2004)
Raumcon-Forum: