Ende letzter Woche wurde die Besatzung der Internationalen Raumstation auf 6 Personen aufgestockt. Der herausragende Höhepunkt in dieser Woche bestand in einem Außenbordeinsatz von Padalka und Barratt zur Montage mehrerer Antennen für das Rendezvoussystem Kurs.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: NASA.
Für die Neuankömmlinge Roman Romanenko, Robert Thirsk und Frank de Winne startet der halbjährige Aufenthalt auf der Station mit ausgiebigen medizinischen Tests. Zu Beginn der Anpassung an die Schwerelosigkeit vollziehen sich einige Veränderungen ziemlich schnell, man muss also deren Ausgangsniveau rechtzeitig erfassen. Dazu gehören Muskelvolumen, Knochen- und Körpermasse, verschiedene Parameter des Herz-Kreislauf-Systems, die Zahl der roten Blutkörperchen aber auch psychologische Gegebenheiten wie Schlaf-Wach-Rhythmus oder Stressbelastbarkeit und Stimmung. Zu deren Untersuchung dienen u. a. die Experimente SLEEP, 3D Space, Sonokard, BISE, Pilot-M oder Nutrition. In der Anfangsphase werden außerdem beinahe täglich persönliche medizinische Konferenzen abgehalten, bei denen jeder Raumfahrer einzeln und vertraulich mit Ärzten reden kann.
Den Neuankömmlingen werden während der ersten Tage etwa 7 Stunden Zeit gegeben, sich mit den Gegebenheiten der Station vertraut zu machen. Die übrige Zeit ist bereits mit Stationsroutine, Sport und experimenteller Arbeit gefüllt. Die notwendigen Wartungsaufgaben werden derzeit oft zu zweit durchgeführt. Dabei ist dann immer ein Besatzungsmitglied dabei, das bereits seit März auf der Station ist. Während sich Koichi Wakata zunächst in besonderer Weise um die Beseitigung eines Problems mit dem Laufband bemühte, hatten Gennadi Padalka und Michael Barratt viel zu tun bei der Vorbereitung ihres Ausstieges am letzten Freitag.
Im Vorfeld wurden Gerätschaften im Ausstiegsmodul geprüft, das an Pirs angekoppelte Frachtraumschiff Progress-M 02M aktiviert und verschlossen, die Anzüge getestet und deren Ausrüstung ergänzt. Dazu gehörte das Bereitstellen einer zusätzlichen Nachfüllflasche für Notfälle, der Test des Kommunikations- und Telemetriesystems, die Installation von Scheinwerfern und Videokameras der NASA, das Anbringen eines Werkzeugbehälters, einer Fresnellinse, eines kleinen Müllsäckchens, notwendiger Werkzeuge, Kabelbinder, Gurte und einer Fotokamera, das Auffüllen eines Trinkbeutels und das Bereitlegen eines Erste-Hilfe-Pakets. Am 3. Juni wurden die Raumanzüge sogar für einige Zeit angelegt und auf Dichtheit geprüft. Danach mussten sie wieder getrocknet und die verbrauchte Luft nachgefüllt werden.
Der Ausstieg am Freitag verlief dann weitgehend nach Plan (Raumfahrer.net berichtete).
Wartungsaufgaben an Bord der Station betrafen in erster Linie Systeme zur Lebenserhaltung wie Sauerstoffgenerator, Kohlenstoffdioxidabsorber, Ventilatoren, Wasserkreisläufe und Toilette aber auch die Sportgeräte, bei denen recht oft kleinere und größere Fehler behoben werden müssen. Betreute Experimente waren u. a. Rastenija 2 im Lada-Gewächshaus (Pflanzenwachstum), BCAT-4 (Verteilungsmuster von Partikeln in zähen Flüssigkeiten) in einer Kristallisationsapparatur und biologische Untersuchungen in der Cell Biology Experiment Facility (Zellbiologie).
Die Raumfahrer selbst führten verschiedene biomedizinische Experimente aus. Bei 3D Space geht es um Untersuchungen zur These, dass veränderte visuelle Wahrnehmung auch die Motorik beeinflusst. Das Experiment NeuroSpat beschäftigt sich ebenfalls mit Veränderungen der visuellen und räumlichen Wahrnehmung im Verlaufe längerer Raumflüge. Dazu werden während verschiedener Tests die Hirnströme gemessen.
Reaktionen auf Stress bzw. die schnelle und zuverlässige Einschätzung des psychischen Befindens eines Raumfahrers werden mittels Pilot-M bzw. Tipologija untersucht. Bei Pilot-M wird eine Flugsimulation mit Zeitvorgaben durchgeführt. Dabei wird ein EEG aufgezeichnet. Tipologija hingegen beinhaltet Farbtests und Computerspiele (Minesweeper und Tetris). Auch hier wird über Hirnströme das Stresslevel des Probanden eingeschätzt.
Bodies in the Space Environment (BISE) untersucht mittels PC und einer „Brille“, mit der alles außer dem Bildschirm ausgeblendet wird, wie Raumfahrer in der Schwerelosigkeit oben und unten empfinden. Dazu sehen sie die Buchstaben p und d, die ja praktisch um 180° gedreht einander entsprechen und müssen kurzfristig entscheiden. Präfrontale Hirnfunktionen und räumliche Wahrnehmung sind genauso Forschungsgegenstand wie der Einfluss der Gravitation auf Hirnaktivitäten.
Einige Besonderheiten der Woche zum Schluss.
Am 29. Mai fiel für etwas mehr als 4 Stunden die direkte Kommunikation zwischen den Kontrollzentren in Houston und Moskau aus. Dies lag an einem defekten Glasfaserkabel in Finnland, wie später festgestellt werden konnte. Während der Ausfallzeit half das deutsche Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen aus.
Im Laufe mehrerer Tage wurde, überwacht von der Erde, die Aufladung der Station durch Reibung vor allem der großen Solarzellenflächen mit der Restatmosphäre ermittelt. Dazu wurden die Solarzellenflächen senkrecht gestellt, so dass sie für die Reibung die größte Fläche boten. Spezielle Einrichtungen sorgen dann normalerweise dafür, dass ein Teil dieser Ladung wieder an das umgebende, dünne Plasma abgegeben wird. Zur Messung waren die Langmuir-Sonden auf Swesda und Columbus aktiviert. Interessant ist die Aufladung vor allem im Zusammenhang mit der Ankunft des ersten japanischen Transportraumschiffes HTV, die für September geplant ist. HTV soll parallel zur Station navigieren und dann vom Hauptmanipulator übernommen und angekoppelt werden. Unterschiede im elektrischen Potenzial beider Raumfahrzeuge sollten hier beachtet werden. Nebenbei wurde auch ein spezielles Kommunikationssystem (JAXA-PROX), das zwischen der ISS und dem HTV eingesetzt werden soll, getestet.
Roman Romanenko trägt zeitweise Oberschenkelmanschetten, um einen größeren Teil des Blutes in den unteren Extremitäten zu halten. Da der Kreislauf auf der Erde gegen die Schwerkraft verstärkt Blut nach oben pumpt und dies vom Körper auch im Weltall ohne Schwerkraft fortgeführt wird, ergeben sich verschiedene unangenehme Folgen. Dazu gehören Schwindel, Nasenverstopfung, ein aufgedunsenes Gesicht (Puffy Face), Schmerzen bei Augenbewegungen, Übelkeit und Erbrechen. Das Tragen der Manschetten könnte möglicherweise die Anpassung an die Schwerelosigkeit erleichtern.
Am 1. Juni führte die Besatzung ein zweistündiges Notfalltraining aus. Dazu gehört, dass man Luken so schnell wie möglich schließen kann und weiß, wo sich Feuerlöscher oder Atemmasken befinden. Außerdem wurde Sauerstoff zur Auffrischung der Atmosphäre aus einem speziellen Tank an Bord von Progress-M 02M in die Station gepumpt. Am Freitag wurden turnusmäßig Feuermelder und -löscher kontrolliert.
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