Angola angelt im Trüben – Aus für Angosat 1

Angola wollte einen ersten eigenen Kommunikationssatelliten. Unbedingt. Dass man Angosat 1 bald in Betrieb nehmen würde, wurde mantraartig wiederholt. Sogar dann noch, als auch Fachbeobachtern längst klar war, dass mit dem Ende 2017 gestarteten Raumfahrzeug einiges nicht stimmt.

Ein Beitrag von Axel Nantes. Quelle: Energia, Jornal de Angola, Raumfahrer.net, Roskosmos.

GGPEN
Angosat 1 – Illustration
(Bild: GGPEN)

Unter der Überschrift „Die Arbeiten am Projekt Angosat werden fortgesetzt“ meldete der Hersteller von Angosat 1, das Unternehmen Energia aus Koroljow vor den Toren Moskaus, schließlich mit Datum vom 23. April 2018, Vertragsparteien aus Angola und aus Russland hätten sich auf den Bau von Angosat 2 geeinigt, welcher eine verbesserte Variante von Angosat 1 sei. Gleichlautend äußerte sich auch die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos am selben Tag.

Energia wurde in Angola von seinem leitenden Entwickler für automatisierte Raumfahrtsysteme Igor Frolow vertreten. Außerdem nahmen neben verschiedenen Botschaftsangehörigen der russische Botschafter in Angola, Wladimir Tararow, der für internationale Zusammenarbeit zuständige stellvertretende Generaldirektor von Roskosmos, Sergej Saweljew, und ein Vertreter einer militärischen russischen Industrie-Kommission, Oleg Frolow, an den Gesprächen teil.

Auf angolanischer Seite lagen die Verhandlungen in den Händen des Ministers für Telekommunikation und Informationstechnik, José Carvalho da Rosha, und des Leiters des Büros für das Management des nationalen Raumfahrtprogramms Angolas (Gabinete de Gestão do Programa Espacial Nacional, GGPEN) João Rui Zolana.

In den Meldungen von Energia und Roskosmos wird Zolana mit den Worten zitiert, die am 23. April 2018 getroffene Vereinbarung erlaube es, die Arbeit an Angosat 2 morgen zu beginnen. Außerdem soll Zolana seinen Stolz über das von russischen Experten in Angola eingerichtete Kontrollzentrum geäußert haben. Den Leiter des Kontrollzentrums Amaru Joao zitieren die beiden Meldungen mit der Äußerung, dass man seit der Installation von Software durch Spezialisten aus Russland keinen Zweifel daran habe, das es sich um das Beste handele, was in diesem Bereich existiere.

Allein mit der Nutzbarkeit des Kontrollzentrums ist das so eine Sache: Es gibt aktuell keinen Satelliten, den man von dem Zentrum aus überwachen und bedienen könnte. Mit Angosat 2 ändert sich das vielleicht. Energia jedenfalls beteuerte seine Absichten, alle vertraglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Aufbau eines Satellitenkommunikations- und Übertragungssystems für Angola zu erfüllen.

Laut Energia und Roskosmos will die russische Seite in dem Zeitraum, in dem an dem Ersatzsatelliten für Angosat 1 gearbeitet werde, Angola Satellitenübertragungskapazitäten im C- und im Ku-Band zur Verfügung stellen.
Im Onlinemagazin „Jornal de Angola“ wird zu den Gesprächen in Angola unter der Überschrift „Russland räumt Versagen von Angosat 1 ein“ berichtet, für den Bau von Angosat 2, den man im Jahr 2020 starten wolle, würden Angola keine Kosten in Rechnung gestellt, obwohl der Satellit mit einer Auslegungsbetriebsdauer von 18 Jahren teurer sei als Angosat 1. Auch die Stellung der Ersatzkapazitäten erfolge ohne Berechnung.

Roskosmos
Angosat 1 in der VK 600/300 Kammer in Pereswet
(Bild: Roskosmos)

Weiter meldete das Journal, dass am 15. Mai 2018 mitgeteilt werden soll, welche konkreten Gründe zum Abbruch der Kommunikation mit Angosat 1 geführt haben. Mit der abgebrochenen Kommunikation beschäftige sich eine Untersuchungskommission. Gleichzeitig habe man weiter versucht, wieder Kontrolle über den Satelliten zu bekommen, was aber daran gescheitert sei, dass eine Kommunikation mit dem Satelliten nicht möglich war.

Unter Bezugnahme auf Igor Frolow schrieb das Journal, man werde eine Entscheidung über die Nutzung von Angosat 1 Angola überlassen, falls es doch gelänge, den Satelliten wieder unter Kontrolle zu bekommen. Würde Angola dann für die Fortsetzung des Angosat-2-Programms optieren, könnte Angosat 1 für Ausbildung und Tests verwendet werden. Der Autor von Raumfahrer.net rechnet nicht, dass derartiges noch im Bereich des wahrscheinlichen ist.

Noch wesentlich merkwürdiger ist die Angabe des „Jornal de Angola“, Igor Frolow habe gesagt, man habe vorher nie derartige Probleme mit einem Satelliten gehabt. Der Autor verweist diesbezüglich auf die zahlreichen Schwierigkeiten mit von Energia wie Angosat 1 auf Basis des Satellitenbus USP (Universal Satellite Platform, auch als Jamal-Bus bezeichnet) aufgebauten Raumfahrzeugen und entsprechende vollständig ausgefallene, von Energia gebaute Satelliten.

Mögliche Schwierigkeiten seien, so Frolow laut „Jornal de Angola“, bereits am Boden vorhersehbar, sie würden unverzüglich bewältigt. Die einzige Beteiligung seines Unternehmens an einem fehlgeschlagenen Programm sei eine, die mit dem Tod dreier Astronauten endete (gemeint ist hier wohl die Sojus-11-Tragödie). Aktuell würden laut Frolow nur Russland und China Satelliten starten. Das wäre aber nur richtig, bezöge man sich ausschließlich auf bemannte Raumfahrzeuge. Und einen konkreten Bezug zu Angosat 1 kann der Autor nicht erkennen.

Energia
Angosat 1 beim Hersteller
(Bild: Energia)

Den einen oder anderen mag die von Widersprüchen und Wunschdenken durchsetzte Öffentlichkeits- und Pressearbeit erstaunen. Der Autor glaubt, dass es wohl ohne weiteres möglich gewesen wäre, gegenüber der interessierten Öffentlichkeit, und vielleicht auch gegenüber beteiligten Organisationen, mit fallbezogenen, konkreten, zutreffenden und verbindlichen Informationen aufzutreten.

Vorstellbar erscheint dem Autor auch, dass ein Plus an zusätzlicher Information durch unmittelbar beteiligte Stellen ins Kraut schießende Spekulationen und Phantastereien von vorne herein reduzieren könnte. Bedauerlich ist die offensichtliche Tatsache, dass allzu oft unüberprüfbares, gar unrichtiges verbreitet wird. Dessen hemmungslose Publikation liegt womöglich im Trend, möglichst zahlreiche Text-Häppchen anzubieten, ohne noch auf ihren Inhalt Wert zu legen.

Was da insbesondere an die Öffentlichkeit in Angola gerichtet berichtet wird, reiht sich ein in eine ganze Reihe auffälliger Meldungen, die es jedenfalls dem Autor dieser Zeilen hier schwer machen, an Missinterpretationen oder Nachlässigkeiten beim Übersetzen zu glauben.

Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti beispielsweise hatte am 21. März 2018 geschrieben, in der ersten Märzhälfte habe ein Test des Antriebssystems von Angosat 1 stattgefunden. Man sei nun in der Lage, den Satelliten die geplante Position im Geostationären Orbit (GEO) einnehmen zu lassen. Den (angeblichen) Antriebstest im März meldete auch das Konsulat Angolas in New York in einer im Internet mittlerweile nicht mehr aufrufbaren Meldung unter der Überschrift „Angosat 1 erreicht die Zone der Funksichtbarkeit im April diesen Jahres“. Der Autor kann sich allenfalls Tests am Boden vorstellen, um zum Beispiel Kommandosequenzen für das Antriebssystem zu überprüfen, welche man an den Satelliten senden könnte, falls sich letzterer noch einmal empfangsbereit zeigt.

Am 4. April 2018 gaben eine Anzahl russischer Nachrichtenagenturen an, dass am gleichen Tag erfolglos versucht worden sei, von Russland aus eine Verbindung zu Angosat 1 herzustellen. Unter Bezug auf Roskosmos ergänzten die Agenturen, man wolle bis Ende des Frühjahrs weiter versuchen, Verbindung zu Angosat 1 zu bekommen. Am 15. April 2018 meldeten einige russische Agenturen dann den Totalverlust von Angosat 1.

Angosat 1 kreist seit seinem Start auf einer Rakete vom Typ Zenit-3SLBF mit Fregat-SB-Oberstufe am 26. Dezember 2017 um die Erde. Nach zahlreichen Agenturmeldungen über einen recht bald nach dem Aussetzen erfolgten Kontaktverlust und Berichten über danach noch einmal vom Satelliten empfangene Daten hatte Energia dann am 15. Januar 2018 endlich bekannt gegeben, man denke, ein mögliches Problem beim Betrieb von den Komponenten des Stromversorgungssystems von Angosat 1 identifiziert zu haben – Raumfahrer.net berichtete.

Die Bahn von Angosat 1 hat einen der Erde nächsten Bahnpunkt von rund 35.982 Kilometern über der Erde, einen erdfernsten Bahnpunkt von rund 36.108 Kilometern über der Erde und eine Neigung gegen den Erdäquator von 0,3 Grad. Bis dato gab es seit dem Aussetzten von der Raketenoberstufe keinerlei erkennbare aktive Bahnveränderungen des mit elektrischen Triebwerken vom Typ SPT-70 ausgestatteten, etwas oberhalb des GEOs frei driftenden Raumfahrzeugs. Stationieren wollte man Angosat 1 an einer Position zwischen 12 und 15 Grad Ost im GEO (im Durchschnitt rund 35.786 Kilometer über der Erde). Der Satellit ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 43.087 und als COSPAR-Objekt 2017-086A.

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