Der Kommunikationssatellit Amos 5 des Betreibers Spacecom aus Israel ist vollständig ausgefallen. Dass mit dem Satellit noch einmal Verbindung aufgebaut werden kann, wird allgemein als unwahrscheinlich betrachtet.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: globes.co.il, isrealdefence.co.il, isunet.edu, jewishbusinessnews.com, Novosti Kosmonavtiki, Reschetnjow, Roskosmos, Saft, satellite-russia.ru, Spacecom, Spacenews.
Am Samstag den 21. November 2015 brach gegen 4:45 Uhr UTC die Verbindung zwischen dem zu diesem Zeitpunkt im Geostationären Orbit (GEO) bei 17 Grad Ost positionierten Raumfahrzeug und seinem Betreiber abrupt ab. Gleichzeitig kam es zur Unterbrechung der Versorgung aller via Amos 5 erreichten Empfänger, die vor allem in Afrika, aber auch in Teilen Europas und des Mittleren Ostens beheimatet sind.
Auf Kommandos, die anschließend auf dem Funkweg an den vor dem Start betankt rund 1.972 Kilogramm schweren Satelliten geschickt wurden, reagierte letzterer nicht.
Amos 5 kreist seit seinem Start auf einer Proton-Rakete in Baikonur am 11. Dezember 2011 um die Erde. Die Auslegungsbetriebsdauer des von Reschetnjow aus Schelesnogorsk in der Region Krasnojarsk in Russland gebauten Erdtrabanten war zunächst mit 15 Jahren angegeben („AMOS-5 is a highly capable satellite with a 15-year active lifespan“).
Nach Problemen mit einer Stromversorgungseinheit an Bord des Satelliten war von einer möglicherweise um rund 11 Monate reduzierten zu erwartenden Gesamteinsatzdauer die Rede. Der Hersteller des Satelliten nannte zuletzt eine Auslegungsbetriebsdauer von 14 Jahren.
Den Bau von Amos 5 hatte Spaceom am 30. Juli 2008 beauftragt. Das Auftragsvolumen betrug ungerechnet rund 157 Millionen US-Dollar. Für Reschetnjow war es die erste Bestellung eines auf dem Satellitenbus Express 1000H bzw. 1000N basierenden Raumfahrzeugs.
Auch in anderer Hinsicht handelte es sich um eine Premiere: Zum ersten Mal kamen an Bord eines Satelliten neu entwickelte Reaktionsräder des Typs Agat-15 des russischen Herstellers Polyus aus Tomsk zum Einsatz. Als Herausforderung bei der Entwicklung der Reaktionsräder wurden die harschen Weltraumbedingungen genannt.
Im Gegensatz zu früheren russischen Konstruktionen besitzen auf dem Express-1000H-Bus basierende Satelliten keinen großen thermisierten Gerätebehälter mehr. Am Satelliten angebrachte und im Satelliten montierte Anlagen und Geräte müssen daher selbst an die im All herrschenden Bedingungen angepasst sein.
Die Kommunikationsnutzlast von Amos 5 steuerte der französisch-italienische Luft- und Raumfahrtkonzern Thales Alenia Space bei. Sie umfasst 18 Transponder für das C-Band und 16 Transponder für das Ku-Band. Als Leistung der Kommunikationsnutzlast nannte Reschetnjow maximal 5.600 Watt.
Versorgt wurden Kommunikationsnutzlast und raumflugtechnische Systeme, zu denen auch elektrische, Xenon ausstoßende Triebwerke des Typs SPT-100 bzw. SPD-100 vom russischen Konstruktionsbüro Fackel bzw. Fakel aus Kaliningrad zur Lageregelung und für Manöver zum Bahnerhalt gehörten, durch zwei Solarzellenausleger von Kvant aus Moskau. Die Ausleger besitzen jeweils drei Elemente und waren mit Galliumarsenid-Zellen versehen worden.
Zur Stromspeicherung an Bord dienten zwei Lithiumionen-Akkumulatorensätze, die aus jeweils 40 Zellen des Typs VES180SA von Saft aus Frankreich aufgebaut sind. Ein anderer Lieferant aus Frankreich, Sodern, baute Sternensensoren für Amos 5.
In den Tagen nach dem Totalausfall wurde eine leichte Drift des Satelliten ermittelt. Der Satellit bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von 0,002 Grad pro Tag im Bereich einer Position von 16,95 Grad Ost.
Ohne regelmäßig zu absolvierende Bahnerhaltungsmanöver ist ein ausgeprägtes Driften des Satelliten nicht zu verhindern. Unter anderem gibt es gravitative Einflüsse auf das Raumfahrzeug und den Strahlungsdruck der Sonne, welche den Orbit verändern werden.
Als sogenannter Zombie stellt Amos 5 jetzt eine reale Gefahr für andere Satelliten im GEO dar. Betreiber von aktiven Satelliten im GEO, durchschnittlich rund 35.786 Kilometer über der Erdoberfläche, müssen bei einer Annäherung eines unkontrollierten Zombies gegebenenfalls mit einem Ausweichmanöver reagieren. Für solche Manöver wird Treibstoff benötigt, und häufig bedeutet es eine gewisse Lebensdauerreduzierung für den ausweichenden Satelliten.
Im Interesse aller Betreiber von Satelliten im GEO und der Nutznießer der durch sie bereitgestellten Dienste kann man sich nur wünschen, dass es Spacecom – gegebenenfalls mit Unterstützung durch den Satellitenhersteller – noch einmal gelingt, Kontrolle über Amos 5 zu bekommen. Nur dann wäre es überhaupt möglich, den Satelliten unverzüglich in einen sogenannten Friedhofsorbit zu bringen, sofern es der Zustand der Bordsysteme noch zulässt.
Der Start von Amos 5 hatte sich verzögert, weil es im Sommer 2011 bei Tests beim Hersteller mit einer Komponente des Satelliten Probleme gegeben hatte. Welche Baugruppe oder welches Bauteil betroffen war, wurde seinerzeit nicht mitgeteilt.
Nach nicht einmal zwei Jahren im All hatte Spacecom 2013 bekannt gegeben, dass eine als Energieversorgungssystem Nr. 2 bezeichnete Baugruppe an Bord von Amos 5 final versagt hat.
Der Ausfall am 22. Oktober 2013 führte zunächst dazu, dass ein Teil der elektrischen Triebwerke nicht mehr angesteuert werden konnte. Am 31. Oktober 2013 wurde dann mitgeteilt, dass man einen Weg gefunden habe, wie man die elektrischen Triebwerke über einen alternativen Schaltungsweg versorgen könne.
Eventuell hat ein Versagen des Energieversorgungssystems Nr. 1 den nun erlebten Totalausfall von Amos 5 bewirkt. Ein vollständiger Ausfall elektronischer Bordsysteme mangels Stromversorgung ist ein schlüssiges Szenario, das unter anderem den Abbruch aller Verbindungen mit dem Satelliten erklärt, und schnell dazu führt, dass der Satellit nicht mehr ordnungsgemäß im Raum – also z. B. mit Sende- und Empfangsantennen Richtung Erde – ausgerichtet ist.
Der Branchendienst Spacenews berichtete am 23. November 2015, dass es laut Spacecom vor dem Ausfall keine Hinweise für ein sich abzeichnendes Problem mit dem Satelliten gab.
Außerdem sei es laut Spacecom so, dass man bei Spacecom keine Informationen über die Natur des aufgetretenen Ereignisses habe. Dieses stehe im Übrigen sicher nicht mit dem Ausfall eines Systems zur Akkumulatorenladung im Jahr 2013 in Zusammenhang, soll Spaceom laut den Spacenews ergänzend mitgeteilt haben. Wie sich Informationsstand und Bewertung der Ausfallursache miteinander vertragen, ist nicht zu erkennen.
Amos 5 strahlte während seiner aktiven Dienstzeit unter anderem Dienste und Programme für Infrasat, France 24, Orange, Satelio und Vodafone sowie für eine Reihe staatlicher Institutionen aus Ländern auf dem afrikanischen Kontinent aus.
Spacecom musste und muss für seine Kunden alternative Satelliten zur Erfüllung seiner Verträge finden. Gleichzeitig sind Spacecoms Kunden selbst bestrebt, den Empfängern der eigenen Dienste und Programme möglichst zügig eine Alternative anbieten zu können.
Satelio beispielsweise hat schon am 24. November 2015 mitteilen können, dass man nach einem kurzfristig mit SES Astra erzielten Vertragsabschluss in der Lage ist, die eigenen Kunden über Astra 4A, der bei 5 Grad Ost im GEO stationiert ist, zu versorgen. In der gesamten Sub-Sahara Region Afrikas kann Satelio deshalb weiter mit Antennen mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern empfangen werden – eine entsprechend angepasste Ausrichtung vorausgesetzt.
Für die wegen des Satellitenversagens zu erwartenden Einnahmeausfälle erhofft sich Spacecom eine gewisse Kompensation durch Versicherungszahlungen. Bei Spacecom geht man davon aus, Anfang 2016 entsprechende Mittel zu erhalten, meldete ein Wirtschaftsinformationsdienst aus Israel.
Amos 5 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 37.950 und als COSPAR -Objekt 2011-074A.
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