Ammoniakleck führt zu ungeplantem Außenbordeinsatz

Am morgigen Samstag wird es einen außerplanmäßigen Außenbordeinsatz an der ISS geben, der nötig geworden ist, nachdem sich ein seit längerem bestehendes Ammoniakleck im Kühlkreislauf eines der Photovoltaiksysteme massiv verstärkt hat.

Ein Beitrag von Sascha Haupt. Quelle: Raumcon, NASA, nasaspaceflight.com. Vertont von Peter Rittinger.

Die ISS besitzt 8 große Solarzellenausleger an der Gitterstruktur (jeweils zwei an den Elementen S4, S6, P4 und P6), die jeweils einen primären Stromkreislauf mit Energie versorgen. Jeder dieser Stromkreisläufe verfügt über ein eigenes Kühlsystem mit einem Radiator, mit dessen Hilfe entstehende Abwärme ins All abgestrahlt wird.
Die Stromkreisläufe 2B und 4B am P6-Element spielen eine gewisse Sonderrolle: P6 war vor seiner Installation am äußeren Backbordende der Station oben auf dem Z1-Gitterelement auf dem Unity-Knotenmodul installiert. Hier versorgte es die ISS in einer frühen Aufbauphase nicht nur mit Strom, sondern auch mit Kühlkapazität für die Module. Dazu verfügt P6 neben dem Radiator des Photovoltaiksystems über zwei weitere Radiatoren, die vor dem Umsetzen an seine heutige Position eingefahren wurden.

NASA
Die Anlagen von Stromkreis 2B am P6-Truss
(Bild: NASA)

Schon sehr lange gibt es im Kühlsystem des Stromkreislaufes 2B ein kleines Ammoniakleck, das sich durch langsam, aber stetig abfallenden Druck bemerkbar gemacht hat. Aus diesem Grund wurde das System bei der Shuttlemission STS-134 mit Ammoniak aus dem zentralen Kühlsystem nachgefüllt.

Als wahrscheinlichste leckende Stelle galt der Radiator des Photovoltaiksystems (PVR), da dieser aufgrund seiner Größe leicht von Mikrometeoriten oder Weltraummüll (MMODs) getroffen werden kann. Deshalb hat man sich Ende letzten Jahres dazu entschlossen, einen der in der Frühphase verwendeten Radiatoren (den sogenannten TTCR) wieder auszufahren und den 2B-Kühlkreislauf daran anzuschließen. Diese Aufgabe wurde bei der letzten US-EVA (Extra Vehicular Activity, Außenbordeinsatz) am 1. November 2012 von Sunita Williams und Akihiko Hoshide erledigt. Wie sich jedoch in der Folgezeit zeigte, führte die Maßnahme nicht zum Erfolg: Offensichtlich liegt die leckende Stelle nicht im Radiator.

Gestern, am 09. Mai 2013, wurde nun ein signifikanter Anstieg der Leckrate festgestellt und die Crew berichtete von Ammoniakflocken, die aus dem Bereich der IEA (Integrated Equipment Assembly) an P6, in dem sich unter anderem Batterien und Komponenten des Kühlsystems für Stromkreislauf 2B befinden, strömten. Durch optische Inspektionen aus den Fenstern der Station geht man jetzt davon aus, dass sich das Leck in der PFCS (Pump/Flow Control Subassembly), einer Art Pumpe und Schaltstelle für das Ammoniak, befindet.

Wegen der großen Leckrate musste Stromkreis 2B komplett heruntergefahren werden, was allerdings kein unmittelbares Problem darstellt: Zwar fehlen der ISS damit etwa 10% ihrer elektrischen Leistung, aber da die Station nicht so groß ist wie ursprünglich geplant, wird ohnehin nicht die komplette Leistung benötigt. Allerdings strömt weiter Ammoniak aus dem Kühlkreis, eine Situation, die man möglichst schnell beheben möchte. Ein Grund dafür ist auch, dass es, wenn der Kreislauf erst einmal komplett leer ist, sehr schwer sein würde, während einer EVA die genaue Postion des Lecks ausfindig zu machen.

Aus diesen Gründen werden nun schon morgen Chris Cassidy und Tom Marshburn die ISS zu einem Außenbordeinsatz verlassen, die leckende Stelle inspizieren und vermutlich die PFCS austauschen. Dabei können sie auf eine von zwei weiteren PFCSs zurückgreifen, die für den Einsatz in der frühen Aufbauphase der ISS an P6 installiert waren und jetzt nicht mehr benötigt werden.

Cassidy und Marshburn sind an das Arbeiten miteinander – auch im freien Weltraum – gewohnt: Sie waren Crewkameraden bei der Shuttlemission STS 127, bei der sie auch zwei gemeinsame EVAs durchgeführt haben. Bei einer davon haben die beiden auch an P6 gearbeitet, um 6 Batterien auszutauschen.

Da dieser Außenbordeinsatz sehr kurzfristig nötig geworden ist, waren nur begrenzte Vorbereitungen möglich. Die Astronauten waren heute hauptsächlich damit beschäftigt, ihre Raumanzüge und das Werkzeug vorzubereiten. Cassidy und Marshburn sollen die Station morgen etwa um 14.15 Unr oder 14.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit verlassen, die EVA soll gegen 20.20 Uhr enden.

Nach ursprünglicher Planung sollte Tom Marshburn die Station am Dienstag zusammen mit Chris Hadfiled und Roman Romanjenko verlassen, um an Bord von Sojus-TMA 07M in der kasachischen Steppe zu landen. Ob dieser Zeitplan jetzt gehalten werden kann, ist noch nicht klar. Die Vorbereitungen auf die Landung der Sojus gehen aber weiter.

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