Zu den Zeiten, als die junge Erde erst begann, sich nach ihrer hitzigen Entstehungsphase abzukühlen, war unsere Sonne noch nicht viel mehr als ein matt und unstet glimmender Gasball. Ihre Strahlung reichte noch nicht aus, um die sich in ihrer Entwicklung befindlichen irdischen Ozeane eisfrei zu halten. Doch glücklicherweise blieben die Wasserflächen offen, so dass später das Leben auf der Erde beginnen konnte, seine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Der Zusammensetzung der Atmosphäre kommt bei den Überlegungen nach dem Grund der eisfreien Ozeane der jungen Erde eine entscheidende Funktion zu.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: The Tokyo Institute of Technology, Lars-C.Depka.
Schon zeitig in den frühen Entwicklungsstufen vor ca. 4,56 Mrd. Jahren verfügte unser Heimatplanet über eine eigene Atmosphäre, die vermutlich jedoch vor dem Hintergrund einer geringen Gravitationswirkung und sehr schneller Erdrotation nur unzureichend schwach an unseren Planeten gebunden war und innerhalb von maximal einiger hundert Millionen Jahre vollständig verloren ging.
Hinzu gesellte sich durch das endgültige Zünden des atomaren Feuers in der Sonne ein extrem stark einsetzender Sonnenwind, welcher insbesondere wohl auch die leichteren Elemente der Uratmosphäre in den Raum hinauswehte.
Den Aufbau einer zweiten Atmosphärengeneration unterstützte das langsame Abkühlen der Erde durch Wärmestrahlung, bzw. die mit diesem Temperaturrückgang einhergehende Reduzierung der Teilchengeschwindigkeiten der Atmosphärengase, was in der Gesamtheit zu einer verringerten Diffusion ins All führte.
Neben der konkurrierenden Konvektion und der Wärmediffusion ist die Wärmestrahlung der dritte Mechanismus zum Transport von thermischer Energie. Anders als beispielsweise bei der Konvektion, ist der thermische Energietransport bei der Wärmestrahlung nicht an Teilchen gebunden, sondern erfolgt mittels elektromagnetischer Wellen, was dazu führt, dass es unter Vakuumbedingungen des Raumes zu keiner freien Konvektion und somit Auskühlung kommen kann. Hauptgrund der verminderten Konvektionsfähigkeit in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass Konvektionen typischerweise durch teilchentransportierende Strömungen hervorgerufen werden.
Anders hingegen die Eigenschaften der elektromagnetischen Wärmestrahlung, die im Gegensatz zu den beiden anderen Mechanismen auch im luftleeren Raum auftreten kann. (Einer der Gründe dafür, dass bei der ISS an den wenigen vorhandenen Fenstern Jalousien verbaut wurden, liegt übrigens genau in der Möglichkeit begründet, auf diese Weise den Temperaturhaushalt der Raumstation zu regulieren)
Für die junge Erde spielte noch eine weitere Eigenschaft der Wärmestrahlung eine begünstigende Rolle: Gemäß den Vorgaben des Stefan-Boltzmann-Gesetzes steigt die Intensität der Wärmestrahlung eines Körpers stärker an, je höher dessen Temperatur ist, was sich besonders in der Anschlusszeit nach dem Großen Bombardement (Late Heavy Bombardment, bis etwa 3,8 Mrd. Jahre) als effektiv herausstellte.
Das heutige Emissionsmaximum der Wärmestrahlung und damit der wesentliche Faktor des irdischen Temperaturhaushalts liegt bei 8 µm. Wolken und Wasserdampf, in geringerem Maße jedoch auch Gase wie z.B. das oft genannte Kohlendioxid, stellen sich für die Wärmestrahlung allerdings als beständig heraus und verhindern bzw. verringern die Wärmeabstrahlung an den Raum durch Reflexion respektive Remission.
Doch bis dahin war noch ein weiter Weg zu beschreiten und so bildeten sich zunächst einmal nach einer mehrere 10.000 Jahre lang anhaltenden Feuchtphase erste Ozeane auf der ausgekühlten sowie verfestigten Oberfläche. Durch hohe UV-Einstrahlung induzierte photochemische Zerlegungsprozesse einzelner Molekülgruppen, sowie frühe Stoffwechselvorgänge chemolithotropher Bakterien (also solcher, die ihre Energiegewinnung aus anorganischen Oxidationsprozessen bestreiten) wurden vor allem Kohlenstoffdioxid und Schwefelwasserstoff in den Ozeanen gelöst. Stickstoff sammelte sich zunehmend in der Atmosphäre an und bildetet einen Hauptbestandteil der zweiten Atmosphärengeneration.
Schwankungen in Konzentrationen der Atmosphärengase und Zusammensetzung der Atmosphäre gab es also während der gesamten erdgeschichtlichen Entwicklungsphasen. Auch die heutige Atmosphäre der dritten Generation bildet keine Ausnahme und ist in ihrer Zusammensetzung auch in kürzeren Zeitskalen als maximal metastabil zu bezeichnen.
Welcher Umstand also bewahrte die Erde vor dem Hintergrund einer im Vergleich zu heute um schätzungsweise 30% geringeren Sonnenaktivität davor, zu einem eisigen Schneeball zu erstarren und damit die Entwicklung des Lebens ernsthaft zu gefährden?
Karbonylsulfid ist auch unter Kohlenoxidsulfid bekannt und ist nicht nur hochentzündlich und giftig, sondern zugleich auch ein hocheffektives Treibhausgas, welches beispielsweise Kohlenstoffdioxid in seiner Wirkung bei weitem übertrifft. In der frühen Atmosphäre kam es vor allem als Produkt des über Jahrtausende durch vulkanische Aktivitäten ausgeworfenen Schwefels vor. Vermutlich war es eine beständige Schicht des Karbonylsulfid in der Atmosphäre, die die Folgen der um ein Drittel geringeren Strahlungsaktivität der Sonne kompensierte und die Erde vor dem Erfrieren bewahrte.
In der Analyse der Schwefelisotope in mafischen bis ultramafischen Gesteinszonen, deren typische Vertreter die Aktinolithe und Amphibole bilden, scheint diese Mutmaßung schlüssig nachvollziehbar, denn der vorgefundene Isotopenmix ist nur sehr problematisch durch geologische Prozesse erklärbar, insofern bietet sich als dominante Ursache der beobachteten Isotopenverteilung qualifiziert ein atmosphärischer Prozess an, bei dem die Isotopendistribution durch den Einfluss der UV-Emissionen der Sonne auf das Karbonylsulfid hervorgerufen wird. So gesehen war also die alte Karbonylsulfid-Schicht – auch aufgrund ihrer UV-Schutzfunktion – ein sehr früher Vorgänger unserer heutigen Ozon-Schicht, mit dem Unterschied, dass Kohlenoxidsulfid die Erde gleichzeitig warm hielt.
Allerdings blieb die Erde nicht warm, wie die in den verschiedenen darauffolgenden Epochen auftretenden Eiszeiten anschaulich verdeutlichen. Und Schuld daran war, wie könnte es anders sein, der Mensch. Nun, in diesem Zusammenhang vom „Menschen“ zu reden, ist nicht ganz zutreffend. In ursächlicher Beziehung zu den ersten stattgefundenen Einszeiten des Planeten stand jedoch das sich ausbreitende Leben, und damit einhergehend die schleichend größer werdenden Mengen des auf diese Weise produzierten Sauerstoffs.
Durch die stete Anreicherung der Atmosphäre mit Sauerstoff kam die Umwandlung des durch Vulkanismus freigesetzten Schwefels zu Karbonylsulfid zum Erliegen. Stattdessen bildeten sich verstärkt Sulfat-Aerosole, also Gemische bestehend aus festen/flüssigen Schwebteilchen und dem Trägergas, in diesem Fall Schwefelgas. Auch heute ist Karbonylsulfid noch immer das dominierende Schwefelgas in unserer Atmosphäre, die Aerosoleigenschaften sind jedoch gänzlich andere. Gelangen seine Aerosole in die Stratosphäre, reflektieren sie dort das Sonnenlicht zurück in den Raum und tragen hochgradig zu einem Kühlungseffekt bei, bewirken also genau das Gegenteil des „wärmenden“ Karbonylsulfids! Vor 2,5 Mrd. Jahren, zum Ende des Archaikums, nahm der aerosolevozierte Kühlungseffekt letztlich globale eiszeitliche Ausmaße an. Bis zum ersten Massensterben im Kambrium sollten jedoch noch einige Millionen Jahre vergehen.