Aktivitäten der Raumsonde Cassini in 2006

2006 ist ein spannendes und ertragreiches Jahr für die Cassini-Raumsonde. Außer dem Saturn und seinen wunderschönen Ringen sind auch viele seiner Monde, deren Zahl kürzlich auf 56 angestiegen ist, dieses Jahr einer näheren Beobachtung unterzogen worden.

Ein Beitrag von Michael Aye & Karl Urban & Axel Orth. Vertont von Karl Urban.

Einleitung
Die meisten Daten der Cassini-Raumsonde liefern dabei eine bisher unerreichte Qualität und Quantität, hauptsächlich durch die große Annäherung an die beobachteten Objekte begründet. Daher sind die meisten Beobachtungen tatsächlich das ganze Jahr mit brandneuen Erkenntnissen verbunden, was diese Mission insgesamt so spannend macht. Eine besondere Rolle spielte dieses Jahr der große Mond Titan, er wurde im Laufe des Jahres 2006 sogar 13 Mal überflogen, womit wichtige Anschlussdaten für die letztes Jahr auf der Titan-Oberfläche gelandete Huygens-Mission gesammelt werden können.

Im Missionsplan wurde 2006 Halbzeit gefeiert, allerdings bezieht sich das auf die originale, vorläufige Planung. Es ist zu erwarten, dass diese Planung angesichts der Erfolge von Cassini einigermaßen problemlos verlängert wird. Aus Platzgründen werden im Folgenden nur einige der herausragenden Resultate dieses Jahres beschrieben.

Aufnahme eines gigantischen Sturmsystems in der Saturnatmosphäre (Bild: NASA)

Gewitter auf Saturn
Am 23. und 24. Januar hat Cassini in der Atmospäre des Saturn ein großes Gewitter beobachtet. Es handelte sich dabei um das größte Gewitter, das jemals auf dem Saturn beobachtet werden konnte. Räumlich ist das Gewitter auf eine Fläche ausgedehnt, die größer als die Ausdehnung der USA ist.

Zuvor hatten zwei Pariser Astronomen Bilder vom Saturn präsentiert, die weiß gefärbte Wolken in der südlichen Saturnhemisphäre zeigten. In den darauf folgenden Tagen hatte Cassini dann selbst den Sturm im Detail aufgenommen. Dies war nicht ganz einfach, da sich dieser zu der Zeit auf der Nachtseite des Ringplaneten befand. Mittels Beleuchtung durch den sogenannten Ringschein, der durch Streulicht an den Saturnringen entsteht, war eine Beobachtung dann aber doch möglich.

Das Bild zeigt den Sturm in seiner Form vom 27. Januar. Er umfasst in seiner Nord-Süd-Ausdehnung über 3.500 Kilometer. Ein direkter Zusammenhang zwischen diesem optisch erfassten Objekt und aufgezeichneten Radiosignalen von Blitzen konnte bestätigt werden. Auf dem Bild sind keine klar abgegrenzten Blitze erkennbar, da deren Licht bereits in der Wolke gestreut wird, so dass nur schwächere Spots erkennbar sind.

Über die Ursachen dieses großen Sturms sind sich die Wissenschaftler der NASA noch uneinig. Vermutlich gibt es aber einen Zusammenhang mit dem heißen Innern des Gasplaneten.

Außergewöhnliche Polarlichter
In der Saturnmagnetosphäre ereignen sich regelmäßig Auroras, die derzeit Studienobjekte von Cassini sind. Missions-Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau haben dieses Phänomen in einer Veröffentlichung im Magazin Nature vom 9. Februar beschrieben.

Das erstaunliche Ergebnis: Die Teilchen werden nicht nur in Richtung des Saturnmagnetfelds beschleunigt, sondern auch anti-planetar, d.h. es fliegen auch viele aus ihm heraus in die entgegengesetzte Richtung. Ein ähnlicher Effekt ist auch auf der Erde bekannt. So weiß man seit kurzer Zeit, dass Elektronen des Sonnenwinds nicht nur in das Magnetfeld der Erde eindringen, sondern auch wieder aus ihm heraus beschleunigt werden können. Allerdings verursachen diese Teilchen keine Leuchterscheinungen. Die Ursache dafür war aber bisher ungeklärt.

Für ihre Messungen nutzten ein internationales Forscherteam um Joachim Saur von der Universität Köln die Rotation der Raumsonde und des Sensors, um Richtung, Anzahl und Stärke der Elektronenstrahlen zu bestimmen. Dann verglichen sie die Ergebnisse mit Aufnahmen der Polarlichtregion und stellten sie einem globalen Modell des Saturn-Magnetfeldes gegenüber. Dabei stellte sich heraus, dass die Fußpunkte der magnetischen Feldlinien, auf denen die Elektronenstrahlen gemessen wurden, erstaunlich gut mit der Polarlichtregion übereinstimmen.

Aus der starken Bündelung des Elektronenstrahls schlossen die Wissenschaftler auf die Quelle der Strahlen: Sie muss sich oberhalb der Polarlichtregion, aber innerhalb eines Abstands von maximal fünf Saturnradien befinden. Die Ähnlichkeit der gemessenen Strahlen bei den Planeten Erde, Jupiter und jetzt auch Saturn lässt vermuten, dass es sich hierbei um einen fundamentalen Prozess bei der Entstehung von Polarlichtern handelt.

Titans Methan-Rätsel
Im März diesen Jahres veröffentlichte ein französisch-amerikanisches Forscherteam neue Erkenntnisse aus Modellrechnungen im Wissenschaftsmagazin Nature. Gabriel Tobie und Christophe Sotin von der Universität von Nantes sowie Jonathan Lunine von der Universität von Arizona beschreiben darin unter anderem, dass ihre Ergebnisse mit den Daten der am 14. Januar 2005 auf Titan gelandeten Sonde Huygens sowie mit denen des Cassini-Orbiters übereinstimmen.

Nach diesen Erkenntnissen der Missionswissenschaftler hätte Methan eine ähnliche Rolle auf dem Titan wie das Wasser auf der Erde gespielt. Demnach hätte methanreiches Wassereis eine Kruste über einem flüssigen Wasserozean bilden können, der mit Ammoniak versetzt ist. In mehreren Stufen würde dann Methan aus dieser Kruste ausgegast und damit die stickstoffreiche Titanatmosphäre angereichert haben. Solche Ereignisse kamen, den Forschern zufolge, in der Evolution des Titan vermutlich dreimal vor.

Die Ringe des Saturns
Cassini hat Anzeichen für einen neuen Objekttyp im Ringsystem entdeckt, der nicht nur für unser Verständnis der Ringe sondern auch für die Entstehung des Sonnensystems bedeutende Auswirkungen haben könnte. Dabei geht es um sogenannte Moonlets, kleine Objekte von etwa 100 Metern Durchmesser, die den Saturn in seiner Ringebene umkreisen. Nach Modellrechnungen müsste der Planet über 10 Millionen solcher Objekte besitzen.

Die Moonlets sind vielleicht auch der Schlüssel nach der Frage, ob sich das Ringsystem durch den Einschlag eines großen Objekts bildete oder ob es ein Überbleibsel aus der Urwolke ist, aus denen der Planet und seine Monde entstanden.

Aufnahme durchscheinenden Sternenlichts durch die Saturnringe (Bild: Cassini / NASA)

Diese Moonlets erinnern an Bruchstücke eines alten Körpers, der aus einem Einschlag Saturns großartige Ringe erzeugte“, vermutet Joseph Burns von der Cornell-Universität, der Co-Autor eines aktuellen NASA-Berichts im Magazin Nature vom März 2006 zu diesem Thema ist.

Der mittlere A-Ring wurde mit einer hochauflösenden Kamera aus unterschiedlichen Neigungswinkeln aufgenommen. Dabei gelang es, mehrere dieser Objekte aufzunehmen, die sonst unter den anderen Ringpartikeln kaum auffallen, jedoch bei einem bestimmten Winkel das Sonnenlicht anders reflektierten. Die Aufnahmen wurden bereits bei der Ankunft von Cassini am Saturn gemacht, als die Sonde direkt durch das Ringsystem flog.

„Die Entdeckung dieser mittelgroßen Körper bedeutet, dass Pan und Daphnis vermutlich eher die größten Mitglieder des Ringsystems sind, als eingefangene Besucher von woanders“, sagte Matthew Tiscareno, von der Cornell-Universität und leitender Autor des genannten Berichts. Monde wie Pan und Daphnis schneiden klare, breite Streifen in die Wolke aus Ringpartikeln. Dagegen sind kleinere Moonlets vermutlich nicht groß genug, komplette Streifen zu erzeugen. Sie verursachen nur temporär „geöffnete“ Lücken. Diese Spuren wurden nun auch von Cassini aufgenommen.

Prometheus, der Schäfermond
Neben den Moonlets haben zusätzlich sogenannte Schäfermonde mit ihrer Gravitation große Auswirkungen auf die Ringe. Bisher vermutete man, der Mond Prometheus stehle auf seiner den Ringen recht nahen Umlaufbahn Ringpartikel. Neue Erkenntnisse weisen aber darauf hin, dass die Partikel lediglich „ausgeborgt“ werden, d.h. dass sie während des Vorbeiflugs abgesaugt werden und nach dem Verschwinden des Mondes wieder zurückgleiten. Damit haben diese Monde mit ihren Schwerefeldern eine stabilisierende Wirkung auf das Ringsystem. – Sie achten also wie Schäfer darauf, dass sich kein Schaf aus der Herde von selbst aus dem Staub macht.

Aufnahmen von Störungen in den Saturnringen (Bild: Cassini/NASA)

Titans Seen sind Dünen
Das Nichtvorhandensein von Kohlenwasserstoffseen in der Äquatorregion des Titan wurde mit einer weiteren Veröffentlichung im Magazin Science am 5. Mai 2006 durch weitere Radarbeobachtungen bei einem erneuten Cassini-Vorbeiflug, der aber schon im Oktober 2005 stattfand, bestätigt. Über Radaruntersuchungen hätten die Missionswissenschaftler festgestellt, dass die seeartigen Strukturen auf der Oberfläche Sanddünen seien, die in vergleichbarer Ausprägung beispielsweise in der Namib-Wüste in Namibia auftreten.

Die Dünen, welche Cassini im vergangenen Oktober aufnahm, sind etwa 100 Meter hoch und verlaufen parallel zueinander in der Äquatorialebene des Mondes. Das größte der Dünenfelder hat dabei eine Länge von über 1.500 Kilometern. Ralph Lorenz vom Lunar and Planetary Laboratory an der UA: „[..] Titans Atmosphäre ist dichter als die der Erde, seine Gravitation ist geringer und auch sein Sand ist vermutlich anders – alles ist anders, abgesehen von den physikalischen Prozessen, die für die Ausbildung von Dünen verantwortlich sind.“

Longitudinale Dünen auf Titan (Bild: Cassini / NASA)

Und es gibt doch Seen auf Titan!
Radarbeobachtungen vom Vorbeiflug am 21./22. Juli haben eine Sensation beschert: In hohen Breiten wurden Gebiete beobachtet, die im Radar absolut schwarz sind, und damit eine sehr glatte Oberfläche aufweisen. Dies wird gegenwärtig damit erklärt, dass es sich um Methan- oder Ethanseen handeln muss, die dann auch eine Quelle für die Kohlenwasserstoffe in der Atmosphäre darstellen würden. Damit wäre Titan der einzig andere bekannte Körper im Sonnensystem nach der Erde, der über Oberflächenseen verfügt.

Noch ein Monster-Sturm
Eine noch nie dagewesene Beobachtung (mal wieder) eines Wirbelsturm-ähnlichen Strudels genau am Südpol des Saturn wurde im November veröffentlicht. Wie noch nie zuvor auf einem anderen Planeten wurden ein gut ausgeformtes Auge des Sturms und in der Umgebung hoch aufgetürmte Wolkenfelder, der sogenannte „eyewall“, beobachtet. Der Sturm hat ungefähr einen Durchmesser von 8.000 Kilometern, was ca. zwei Dritteln des Erddurchmessers entspricht.

Der Sturm an sich wäre vielleicht gar nicht so sensationell, aber durch die Bildung des Auges in einer tiefer gelegenen Schicht des Sturmes können die Wissenschaftler nun ungefähr doppelt so tief in die Saturnatmosphäre schauen wie bisher. Außerdem warten auf dem Grund des Auges mysteriöse schwarze Wolken auf weitere Untersuchungen. Die Physik des Sturmes ist interessanterweise unverstanden, denn auf dem Gasplaneten hat er natürlich kein warmes Wasser als Energielieferanten unter sich und außerdem scheint die Position des Sturms am Südpol festzusitzen; eine Eigenschaft, die noch von keinem Erdwirbelsturm berichtet wurde.

(Bild: Cassini / NASA)

Tektonische Bergrücken auf Titan
Ein weiterer Vorbeiflug am 25. Oktober brachte die höchstaufgelösten Infrarot-Bilder, die bisher vom Titan aufgenommen wurden. Dabei wurden Details bis zu 400 Metern aufgelöst. Die Bilder weisen lange Bergrücken, Sanddünen und Ablagerungen auf, die vulkanischen Flüssen ähneln. Auf den Spitzen der Bergrücken wurden außerdem noch andere, hell-weiße Ablagerungen entdeckt, die entweder Methanschnee oder anderes organisches Material sein könnten.

Die Berge selber könnten, so Dr. Larry Soderblom vom Cassini-Team des U.S. Geological Surveys in Flagstaff, Arizona, wie auf der Erde, durch Auffüllen der Lücken zwischen sich voneinander wegbewegenden tektonischen Platten entstanden sein.

Eine dreistündige Sonnenfinsternis von Cassinis Position aus, verursacht durch Saturn, bescherte uns dieses grandiose Panorama-Bild vom Saturn. Eine Komposition aus 165 Aufnahmen der Weitwinkel Kamera dieses Ereignisses vom 15. September 2006 hat einen nie zuvor erlangten Blick auf die Ringe ermöglicht und einige der Detailaufnahmen dieser Komposition haben dabei auch noch 2 neue schwache Ringe zum Vorschein gebracht.

Einer dieser Ringe liegt im Orbit der beiden Monde Janus und Epimetheus, die sich diesen Orbit teilen. Der andere Ring liegt im Orbit des Mondes Pallene. (Nicht erkennbar in dieser Zusammenfassung der 165 Einzelbilder).

(Bild: Cassini / NASA)

Was in diesem großen Überblick-Bild zum ersten Mal beobachtet wurde (Farb-Kontraste wurden stark erhöht), sind leichte Farbdifferenzen im außen liegenden E-Ring, der durch Partikel gebildet wird, die vom Eismond Enceladus stammen, so diesjährige Resultate von Cassini Beobachtungen. Erklärung für diese Farbveränderungen könnten einfach sogenannte Phasenwinkel-Effekte von der Lichtstreuung sein, da die Sonne nicht genau hinter Saturn liegt, sondern mit Cassini einen Winkel von 179 Grad bildet, und damit die Geometrie des Lichtwegs an den Enden der Ringe leicht unterschiedlich ist.

Jedenfalls zeigen die anderen Ringe auch Farbveränderungen, die aber durch sogenannte Größensortierungsprozesse verstanden zu sein scheinen. Wenn die Hauptteilchen in einem Ringbereich eine andere durchschnittliche Größe haben, werden jeweils leicht unterschiedliche Wellenlängen hauptsächlich gestreut.

Fazit: Vorfreude
Man kann nicht anders, als sich zu fragen, wieviel neues Cassini wohl noch bringen wird. Freuen wir uns daher auf die nächsten zwei Jahre der nominellen Mission und hoffentlich auf eine große Verlängerung. Denn Insider, die schon seit 20 Jahren in diesen Geschäft sind, meinen: „Eine zweite Cassini-Mission wird es nie mehr geben. Das wäre einfach zu viel.“

Autoren
Originalartikel von Raumfahrer.net von Karl Urban & Axel Orth, zusammengefasst und erweitert um aktuelle Meldungen von K.-Michael Aye.

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