Aeolus: Waldbrandaerosol trübte freie Troposphäre

Kalifornischer Rauch zog im Herbst 2020 bis nach Mitteleuropa und sorgte für starke Trübung der Sonne. Eine Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS).

Quelle: TROPOS.

Der Sonnenuntergang am 12.09.20 war milchig-gelb ist – ein Zeichen für Staub in der Atmosphäre.
(Bild: Tilo Arnhold, TROPOS)

Leipzig. Der Rauch der extremen Waldbrände im September 2020 an der US-Westküste zog über viele Tausend Kilometer bis nach Leipzig, wo er noch Tage danach die Atmosphäre beeinflusste. Ein Vergleich von Boden- und Satellitenmessungen zeigt jetzt: Das Waldbrandaerosol trübte die freie Troposphäre über Leipzig so stark wie nie zuvor. Eine Auswertung eines internationalen Forschungsteams unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) ergab am 11.09.2020 eine außergewöhnliche optische Dicke, die das Sonnenlicht um ein Drittel abgeschwächt hat.

Die in den Geophysical Research Letters erschienene Untersuchung ist die erste Publikation, die durch den Vergleich mit Lidar-Messungen vom Boden aus zeigen konnte, dass der neuartige ESA-Satellit Aeolus neben Wind auch Aerosole in der Atmosphäre zuverlässig messen kann. An der Studie waren das Centre National de Recherches Météorologiques (CNRM) der Universität Toulouse, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) beteiligt.

Seit August 2018 kreist ein neuartiger Forschungssatellit um die Erde, der nach einem griechischen Windgott benannt ist. Ziel von Aeolus ist es, aktiv Wind vom All aus zu messen und so die Wettervorhersage zu verbessern. An Bord dieses Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) befindet sich mit dem „Atmospheric Laser Doppler Instrument“ (ALADIN) ein Hochleistungslaser. ALADIN ist das erste Instrument im Weltraum, das aktiv vertikale Profile der Windgeschwindigkeit messen kann. Genutzt wird dabei das Prinzip eines Lichtradars (kurz: Lidar von „LIght Detection And Ranging“). Ein Signal wird abgestrahlt und die Reflexion gibt Auskunft über Ort und Entfernung. Der Dopplereffekt wird dann genutzt um die Windgeschwindigkeit in den verschiedenen Höhen der Atmosphäre zu messen. Um die Laser-Messungen im All zu validieren, werden sie mit Laser-Messungen vom Boden aus verglichen. Dabei sind mehrere Forschungsgruppen aus Deutschland im Rahmen der EVAA-Initiative (Experimental Validation and Assimilation of Aeolus observations) beteiligt. TROPOS beispielsweise misst mit seinen Lidar-Geräten jeden Freitagabend und Sonntagmorgen, wenn der Aeolus-Satellit über Leipzig fliegt. Anschließend können dann die Daten von Boden und All verglichen werden. Am 11. September 2020 ergab sich so die seltene Konstellation, dass die mächtige Rauchfahne der kalifornischen Waldbrände über Leipzig vom Boden und aus dem All gleichzeitig vermessen werden konnte.

Lidarmessung am Freitag, den 11.09.20, am TROPOS in Leipzig: Die Rauchwolke (gelb-rot) zieht ab etwa 2 Uhr UTC (= 4 Uhr MESZ) über Leipzig und sinkt im Laufe des Tages leicht ab. Stärkste Intensität war ca. 8 Uhr UTC (= 10 Uhr MESZ).
(Bild: Holger Baars, TROPOS)

„Aeolus ist derzeit der einzige Satellit weltweit, welcher mit revolutionärer Lasertechnologie sowohl Profile der horizontalen Windgeschwindigkeit als auch die Rückstreuung und Extinktion von Aerosolen und Wolken unabhängig voneinander messen kann. Damit liefert der Satellit wertvolle Informationen über die Strahlungseigenschaften dieser Rauchaerosole“, betont Dr. Sebastian Bley vom TROPOS, der die vergangenen drei Jahre am Forschungszentrum ESRIN der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) im Aeolus-Projekt mitwirkte. „Es wird erwartet, dass diese einzigartige Konfiguration zu verbesserten Vorhersagen solcher globaler Rauchausbreitung aber auch allgemein des Wetters beiträgt.“

Im September 2020 gelangte der Rauch der extremen Waldbrände an der US-Westküste durch die hohen Temperaturen bis in große Höhen und wurde dann mit dem Jetstream über Nordamerika und den Atlantik bis nach Europa transportiert. In Leipzig tauchte die Rauchschicht am Morgen des 11.09.2020 in rund 12 Kilometer Höhe auf und sank im Laufe des Tages auf rund 5 Kilometer Höhe ab. Das zeigen die Daten des PollyXT-Lidars am TROPOS. Lidar-Messungen in Leipzig bestätigten die starke Trübung des Sonnenlichts an diesem Freitag: „Es war – gemessen an der Aerosol Optische Dicke (AOT) – die stärkste Beeinflussung der freien Troposphäre, also die Region der Atmosphäre in welcher sich das Wetter abspielt aber der direkte Einfluss vom Boden gering ist, die jemals in Leipzig seit Beginn der regelmäßigen Lidar-Beobachtungen im Jahr 1997 durch Waldbrandaerosol beobachtet wurde“, berichtet Dr. Holger Baars vom TROPOS. „Wir konnten eine mittlere Massenkonzentration des Waldbrandaerosol von 8 Mikrogramm pro Kubikmeter zwischen 4 und 11 km Höhe abschätzen. In der Spitze waren es sogar 22 Mikrogramm pro Kubikmeter – das ist für diese Höhen schon beachtlich.“ Der Samstag und Sonntag waren trotz wolkenlosem Himmel trübe Tage. Wie stark die Rauchschichten die Sonneneinstrahlung in Sachsen dämpften, zeigte u.a. auch der UV-Index des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS): Die TROPOS-Station in Melpitz bei Torgau registrierte am 12.09.20 mittags ca. ein Viertel weniger UV-Strahlung als bei wolkenlosem Himmel möglich gewesen wäre. Besonders einprägsam zeigte sich der außergewöhnliche Zustand der Atmosphäre bei Sonnenuntergang mit einem markanten milchig-gelben Licht.

Die Herkunft der Luftmassen ließ sich per Modell bis an die US-Westküste verfolgen.
(Bild: HYSPLIT Modell / NOAA Air Resources Laboratory’s (ARL))

Per Computermodell konnten die Forschenden die Herkunft des Rauchs bestätigen: Die Rückwärtssimulation beweist, dass die Luftmassen, die am Mittag des 11. September in 8,5 km Höhe über Leipzig eintrafen, von der Westküste Nordamerikas stammten, wo Tage zuvor intensive Brände stattfanden. Die Häufigkeit und Stärke der Brände in Kalifornien nahm in der ersten Septemberwoche weiter zu. Etwas schwächere Brände wurden in Oregon, Washington und Montana beobachtet. „Aufgrund der vorherrschenden Winde betrug die Reisezeit des Rauchs von der US-Westküste nach Europa nur rund 3 bis 4 Tage. Die rund 3000 Kilometer über den Atlantischen Ozean zwischen Neufundland und Irland schafften die Luftmassen mit Hochgeschwindigkeit sogar an nur einem Tag (9. September)“, erklärt Martin Radenz vom TROPOS.

Erdbeobachtungssatelliten sind in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Instrument der Umweltforschung geworden, die den Klimawandel global dokumentieren. Der Bedarf an kontinuierlichen Daten einerseits und die begrenzte Lebenszeit von Satelliten anderseits stellt die Forschung jedoch vor große Herausforderungen: „Die Messung des Lidar-Verhältnisses (ein Maß für das Rückstreuverhalten und damit ein Hinweis auf den Aerosoltyp) mit Aeolus direkt aus dem Weltraum ist ein Novum und katapultiert die Forschung zu Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen in eine neue Ära“, unterstreicht Dr. Ulla Wandinger. „Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass Aeolus teilweise in der Lage ist, die Lücke zwischen der auslaufenden CALIPSO-Mission der NASA und der kommenden EarthCARE-Mission zu schließen.“ EarthCARE ist eine japanisch-europäische Gemeinschaftsmission, die die Wirkungen von Wolken und Aerosol-Partikeln auf den Strahlungshaushalt der Erde untersuchen will. Der Start des Satelliten ist für Anfang 2023 geplant. „Aeolus wurde zur Windmessung konzipiert. Dass er auch Daten zu Partikeln liefert, ist ein sehr willkommenes Nebenprodukt. In Situationen, wo die Zusammensetzung der Aerosolschichten weniger eindeutig ist, wäre es aber hilfreich, auch die Polarisation messen zu können. Da das Laserlicht bei der Reflexion auf Mineralstaub, Vulkanasche oder Waldbrand-Aerosol unterschiedlich gedreht wird, lässt sich so besser bestimmen, woher die Partikel stammen, die die Sonnenstrahlung und die Wolkenbildung beeinflussen. EarthCARE (Earth Clouds, Aerosols and Radiation Explorer) wird dies können. Wir drücken daher auch für diesen Satelliten fest die Daumen“, sagt Dr. Ulla Wandinger. Tilo Arnhold.

Publikation:
Baars, H., Radenz, M., Floutsi, A. A., Engelmann, R., Althausen, D., Heese, B., Ansmann, A., Flamant, T., Dabas, A., Trapon, D., Reitebuch, O., Bley, S., Wandinger, U. (2021). Californian Wildfire Smoke Over Europe: A First Example of the Aerosol Observing Capabilities of Aeolus Compared to Ground-Based Lidar. Geophysical Research Letters, 48, e2020GL092194. & The Promise of Spaceborne High Spectral Resolution Lidar

Die Untersuchungen wurden gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi, Förderkennzeichen 50EE1721C), der Europäischen Union durch das Horizon-2020-Programm (ACTRIS-2, Förderkennzeichen 654109) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Förderkennzeichen 01LK1603A).

Über das Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS)
Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

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