ADLER-2 wird nach Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn suchen

Österreichisches Satelliten-Projekt geht in die zweite Runde. Am 15. April 2023 wurde ADLER-2 von der Vandenberg Air Force Base, Kalifornien in die Erdumlaufbahn gebracht.
Eine Presseaussendung des Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF).

Quelle: ÖWF, 11. April 2023.

Satellit ADLER-2 in der Erdumlaufbahn (Visualisierung: (c) OeWF/Spire/GRASP SAS Europe)

Der zweite Satellit der österreichischen ADLER-Serie ist doppelt so groß wie sein Vorgänger und wurde wie ADLER-1 von Spire Space Services gebaut. Das Unternehmen wurde von dem Österreicher Peter Platzer mitgegründet und organisiert auch den Transport des Satelliten in die Erdumlaufbahn. Für die Suche nach Weltraumschrott werden ein Radargerät und das „Weltraum-Mikrofon“ APID des Österreichische Weltraum Forums (ÖWF) eingesetzt. Alle vom Radar und dem Weltraummikrofon gewonnenen Daten werden vom ÖWF ausgewertet, um mehr über Weltraumschrott im Erdorbit zu erfahren. Ebenfalls an Bord ist der Technologie-Demonstrator eines Sensors von GRASP SAS Europe, der Aerosole in der Erdatmosphäre aufspüren soll. Für die Übermittlung der voraussichtlich zwei Millionen Datensätze vom Satelliten an das ÖWF wurde von dem österreichisch-spanischen Midstream-Dienstleistungsunternehmen Tilebox eine maßgeschneiderte Daten-Pipeline entwickelt. Finanziert wird das Projekt von dem oberösterreichischen Unternehmen Findus Venture GmbH, das in innovative Weltraumtechnologien investiert.

Vitali Braun vom Space Debris Office der Europäischen Weltraum Agentur ESA beschreibt das Projekt als Vorreiter bei der Vertiefung unseres Verständnisses von Weltraumschrott. „Die kleinen Partikelgrößen, die ADLER-2 misst, gehen über das hinaus, was mit bodengestützten Methoden nachgewiesen werden kann, und bisher gibt es bestenfalls sporadische Messungen im Weltraum“, erklärte er und betont, „Obwohl wir komplexe Modelle zur Beschreibung der Trümmerumgebung haben – unterstützt durch Radar und optische Detektoren in Erd-Observatorien – haben unsere Daten eine Schwachstelle, wenn es um die Fülle kleiner Partikel geht. Daten von ADLER-2 können beginnen, diese Lücke zu schließen und nahezu Echtzeitdaten im Zusammenhang mit Weltraumschrott in der untersuchten Umlaufbahn liefern.“

Ein Mikrofon im Weltraum
Für diese neue Mission hat das Österreichische Weltraum Forum sein „Weltraum-Mikrofon“ APID materialtechnisch weiterentwickelt und dadurch seine Detektorfläche versechsfacht. Während ADLER-1 piezoelektrische Folien verwendete, nutzt ADLER-2 eine speziell entwickelte piezokeramische Platte, die eine höhere Temperaturbeständigkeit aufweist und sensitiver ist.

„Unser APID-Instrument, in seiner Funktionalität vergleichbar mit einem Mikrofon, ist ein hochsensibles, faltbares Sensor-Panel, das Einschläge registriert und diese Signale dann an den Bordcomputer weiterleitet“, sagt ÖWF-Direktor Dr. Gernot Grömer und ergänzt, „Die Versechsfachung der Größe bedeutet, dass das APID-Panel bei voller Entfaltung eine Spannweite von 2 m hat und daher viel mehr Einschläge registrieren wird als ADLER-1. Mehr Einschläge bedeuten mehr Daten und damit ein noch genaueres Bild von der Verteilung von Weltraumschrott im Erdorbit.“

APID registriert den Einschlag von Weltraumschrott-Teilchen (Viaualisierung: (c) OeWF/Spire/GRASP SAS Europe)

Ein maßgeschneiderter Satellit
ADLER-2 wurde von Spire Space Services gebaut und wird von dem Raumfahrtunternehmen auch betrieben. Spire Space Services ermöglicht maßgeschneiderte Satellitenkonstellationen, die in sehr kurzer Zeit, mit minimalem Risiko gebaut und in die Erdumlaufbahn gebracht werden können.

Dazu Frank Frulio, General Manager von Spire Space Services: „Unser Ziel bei Spire Space Services ist es, den Zugang zum Weltraum zu vereinfachen. Alle sollen von den Erkenntnissen und Informationen profitieren können, die von diesem ultimativen Aussichtspunkt, dem Erdorbit, gewonnen werden können. Das ÖWF ist das beste Beispiel für eine Organisation, die unsere Plattform genutzt hat, um weltraumgestützte Anwendungen zu entwickeln und Informationen zu sammeln, die die Nachhaltigkeit auf der Erde und darüber hinaus fördern.“

Auf der Suche nach Aerosolen
Der GAPMAP-Sensor (GRASP-Airphoton Multi-Angle Polarimeter) von GRASP ist ein Technologie-Demonstrator. Es ist das erste Instrument seiner Art, das die Zusammensetzung und Konzentration von Aerosolen in der Erdatmosphäre aus der Umlaufbahn misst. Hierzu wird der Sensor die Atmosphäre in mehreren Wellenlängen, Winkeln und Polarisationszuständen beobachten und so zur Untersuchung der globalen Partikelverschmutzung beitragen. Aktuell gibt es keine kleinen und nur wenige große Satellitensensoren, die diese Messmöglichkeiten bieten.

Datenhighway im Weltraum
Während des einjährigen Betriebs des Satelliten werden mehr als zwei Millionen Datensätze vom Satelliten an das ÖWF übermittelt. „Unsere Mission bei Tilebox ist es, Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Leistungsfähigkeit von Satellitendaten voll auszunutzen. Wir erledigen im Vorfeld die Datenbereinigung, während ÖWF und Findus sich auf die Schaffung von Informationen konzentrieren können“, kommentiert Mitbegründer Stefan Amberger. Tilebox Inc. ist die erste vollständig integrierte Midstream-Cloud-Plattform, die Raumfahrtunternehmen eine sichere, leistungsstarke und skalierbare Lösung bietet, um Datenprodukte einfacher, schneller und kostengünstiger zu entwickeln.

Warum die Suche nach Weltraumschrott wichtig ist
Jahrzehntelange Weltraumaktivitäten haben die Erdumlaufbahn mit Trümmern übersät. Da die Raumfahrtnationen ihre Aktivitäten im Weltraum weiter verstärken, steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer Kollision.

ADLER-2 (links) ist doppelt so groß wie sein Vorgänger ADLER-1 (rechts) (Visualisierung: (c) OeWF/Spire/GRASP SAS Europe)

Wissenschaftliche Modelle schätzen die Gesamtzahl von Objekten aus Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn auf mehr als 170 Millionen mit einer Größe von mehr als 1 mm. Diese entwickeln eine Aufprallenergie, die mit der Geschwindigkeit einer Pistolenkugel vergleichbar ist.

„Weltraumschrott und das erhöhte Risiko von Kollisionen mit funktionierenden Satelliten und der Internationalen Raumstation ISS gefährden die Raumfahrt und alle Vorteile, die sie bringt, wie z.B. die Wettervorhersage oder Beobachtung von Überschwemmungen, Dürren und anderen Umweltkatastrophen. Wir müssen also dringend unser Verständnis davon verbessern, was wo passiert und wann“, sagt Dr. Grömer, Direktor des Österreichischen Weltraum Forums und ergänzt, „ADLER-2 wird dazu beitragen, die Trümmererkennungsrate mit Hilfe des leistungsfähigeren Radars und eines größeren Erfassungsbereichs um 80 Prozent zu erhöhen und mit APID-2 auch die Anzahl der protokollierten Beobachtungen zu vervielfachen.“

„Die Echtzeit-Datenerfassung kann dann mit den ESA- und NASA-Simulationen verglichen werden, was uns einen wertvollen Realitätscheck für die Modelle liefert“, fügt Grömer hinzu, „Aber Weltraumschrott zu kartieren und sichere Umlaufbahnen zu finden, ist nur ein Teil der Geschichte. Es ist genauso wichtig, Weltraumschrott so weit wie möglich zu vermeiden, um zukünftigen Generationen einen sicheren Zugang zum Weltraum zu ermöglichen.“

Zum Abschluss eine Sternschnuppe
Nach Abschluss seiner erfolgreichen einjährigen Mission wird ADLER-2 unter kontrollierten Bedingungen seine Umlaufbahn verlassen und in der Erdatmosphäre als Sternschnuppe verglühen, um zu vermeiden, dass er ebenfalls zu Weltraumschrott wird. Die Ergebnisse seiner Messungen werden nach Abschluss der Mission der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt.

Eckdaten zu ADLER-2

    Größe: 6 Unit Cubesat mit 30 x 20 x 10 cm (ADLER-1 ist ein 3 Unit Cubesat)
    Missionsdauer: 1 Jahr
    Flughöhe: 500 km
    Start: 15. April 2023, SpaceX Falcon 9 Trägerrakete, Vandenberg Space Force Space Base, Kalifornien
    Beteiligte Unternehmen:
    Findus Venture GmbH (Finanzierung)
    Spire Space Services (Cubesat, Radar)
    ÖWF (APID Weltraum-Mikrofon und Wissenschaftliche Leitung)
    GRASP SAS (GAPMAP)
    Tilebox (Datenmanagement)

Über das Österreichische Weltraum Forum
Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) gehört im Bereich der Analogforschung weltweit zu den führenden Organisationen, die an der Vorbereitung astronautischer Erforschung anderer Planeten mitarbeiten. Expert*innen verschiedenster Disziplinen bilden innerhalb des ÖWFs die Basis für diese Arbeit. Gemeinsam mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen, Industrie und Unternehmen unterschiedlicher Branchen wird hier Forschung auf höchstem Niveau betrieben. Das Österreichische Weltraum Forum ist zudem einer der wichtigsten Bildungsträger in Österreich, wenn es um Raumfahrt und darum geht, junge Menschen für Wissenschaft und Technik zu begeistern sowie ihnen einen Zugang zu dieser Branche zu ermöglichen. oewf.org

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