Acht Jahre erfolgreiche Erforschung der Venus

Aus viereinhalb Jahren wurden mehr als acht – Mit Venus Express geht eine erfolgreiche und ertragreiche Mission der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) zu Ende.

Ein Beitrag von Roman van Genabith. Quelle: ESA, Raumfahrer.net.

ESA / Starsem
Sojus mit VEX nach dem Start beim Aufstieg
(Bild: ESA / Starsem)

Die ESA-Sonde Venus Express (VEX) hat nach über acht Jahren das Ende ihrer Mission erreicht, nachdem ihr 570 kg umfassender Treibstoffvorrat erschöpft war. Venus Express startete am 09. November 2005 auf einer Sojus-Fregat-Trägerrakete nach einer vergleichsweise kurzen Bauzeit von drei Jahren.

Die ESA hatte um Vorschläge gebeten noch vorhandene Komponenten der bereits 2003 gestarteten Sonde Mars Express für eine weitere Planetenforschungsmission zu nutzen und schließlich einen Konstruktionsauftrag an EADS Astrium vergeben, eine 100%ige Tochter der Airbus Group, die inzwischen mit Cassidian und Airbus Military in der neuen Sparte für militärische und zivile Luft- und Raumfahrt Airbus Space aufging.

So gesehen kann man bei Venus- und Mars Express von Schwestersonden sprechen, obgleich spezifische Modifikationen vorgenommen wurden, um dem geänderten Missionsprofil gerecht zu werden. Eine davon betrifft die deutlich kleiner ausfallenden Solarpaneele von Venus Express, die aufgrund der geringeren Sonnennähe und daraus resultierenden höheren Sonneneinstrahlung zudem mit kleinen, zwischen den einzelnen Solarmodulen eingesetzten Spiegeln versehen wurden, um eine Überhitzung zu verhindern.

Nähere Details über Unterschiede und Gemeinsamkeiten führt das ESA-Papeir „The Venus Express Spacecraft System Design“ in einer vergleichenden Betrachtung auf.

ESA
VEX mit offenem Solarzellenausleger im Test
(Bild: ESA)

Venus Express hatte beim Start eine Masse von 1270 kg, wovon 93 kg auf die Nutzlast bestehend aus wissenschaftlichen Instrumenten entfielen. Die Größe des Sondenbusses fiel mit 1,4 m × 1,65 m × 1,7 m ähnlich kompakt wie bei Mars Express aus. Die Solarzellenausleger mit einer Spannweite von acht Metern und einer Oberfläche der Panels von 5,7 Quadratmetern versorgten VEX in Erdnähe mit einer Arbeitsleistung von 800 Watt in Erdnähe und rund 1.100 Watt während des Aufenthalts bei der Venus, die die Sonde am 11. April 2006 erreichte.

Knapp einen Monat dauerte es, bis VEX am 7. Mai 2006 ihre endgültige Umlaufbahn erreichte und mit dem wissenschaftlichen Betrieb begonnen werden konnte. Zentrales Ziel der Mission war u.A. die nähere Erforschung der rund 20 km dicken, außerordentlich dichten Venusatmosphäre und ihrer komplexen Wolkenbildungsvorgänge. Dabei sollten beispielsweise Erkenntnisse über Entstehung und Ursachen des überaus starken Treibhauseffekts der Venus, sowie weitere Einblicke über die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre gewonnen werden. Darüber hinaus stand die Suche nach seismischen und vulkanischen Aktivitäten auf der Agenda.

ESA
VEX mit Antennen (vorne) in Vorbereitung eines Rütteltests
(Bild: ESA)

Zudem erhofften sich die Forscher am Beispiel der Venusatmosphäre weitere Rückschlüsse über mögliche zukünftige Klimaszenerien der Erde. Zur Übertragung ihrer Forschungsdaten verfügte Venus Express über zwei Parabolantennen mit 1,3 bzw. 0,3 Metern Durchmesser, sowie zwei Rundstrahlantennen. Die S-Band-Sender mit einer Sendeleistung von fünf Watt und die X-Band-Sender mit einem Output von 65 Watt ermöglichten einen Downlink mit einer Datenrate von 19–288 kbit/s und einen Uplink mit 2000 bit/s. Zur Zwischenspeicherung von Messdaten diente ein Massenspeicher mit einem Fassungsvermögen von 1,5 GByte.

Diese Werte zeigen ein weiteres Mal sowohl die Unterschiede zu irdischer Consumertechnik, als auch die beträchtliche logistische und kreative Leistung der Raumfahrttechniker auf, die die Gewinnung signifikanter wissenschaftlicher Resultate mit stark limitierten informations- und kommunikationstechnischer Kapazitäten möglich machen.

Die Primärmissionsdauer war von der ESA ursprünglich für exakt zwei Venusrotationen, das entspricht 486 Erdtagen, angelegt worden und wurde im Februar 2007 erstmals verlängert. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Raumfahrtmissionen ihre veranschlagte Dauer teils deutlich übertreffen. Die Spezifikationen für eine als erfolgreich zu wertende Mission werden von den Ingenieuren zumeist eher konservativ angesetzt und lassen sich als eine Art Mindesthaltbarkeitsdatum verstehen, bis zu dessen Erreichen das Raumfahrzeug höchst wahrscheinlich einwandfrei funktionieren und bei voller Kapazität arbeiten sollte. Die nächste Missionsverlängerung erfolgte am 10. Februar 2009, zunächst nur bis Ende des Jahres, doch am 2. Oktober 2009 erfolgte dann die dritte Verlängerung bis Ende 2012.

ESA
Die Betankung von VEX ist vorbereitet – 27. September 2005
(Bild: ESA)

Der zentrale limitierende Faktor der meisten Raummissionen ist der mitgeführte Treibstoff. Neben anderen Größen, etwa die Vorräte hoch wirksamer Kühlmittel, auf die manche Weltraumteleskope angewiesen sind, um bestimmte Instrumente zu kühlen, ist Treibstoff für Bahnkorrekturmanöver meist unverzichtbar. Venus Express hatte 570 kg Monomethylhydrazin, einen hypergolischer Raketentreibstoff, der u.A. in der Aestus-Oberstufe der Ariane 5 eingesetzt wird, sowie gemischte Stickstoffoxide als Oxidator zur Erhaltung seiner Drei-Achsen-stabilisierten Umlaufbahn an Bord. Die letzte Verlängerung der Mission bis Mitte 2015 wird die Sonde nun nicht mehr vollständig abschließen können.

Wie die ESA nun mitteilte, brach der volle Kontakt zu Venus Express bereits am 28. November 2014 ab und konnte danach nur partiell wiederhergestellt werden. In ihren letzten Monaten ließen die Missionsverantwortlichen die Sonde sogenannte Aerobraking-Manöver fliegen, bei denen das Raumfahrzeug auf die obersten Schichten einer Atmosphäre trifft und von ihnen abprallt; Raumfahrer.net berichtete.

ESA/C. Carreau
VEX beim Aerobreaking über der Venus – künstlerische Darstellung
(Bild: ESA/C. Carreau)

Im Rahmen dieser Aerobraking-Kampagne näherte sich der planetennächste Punkt der Umlaufbahn zwischen Mai und Juni diesen Jahres auf eine Höhe von 130-135 km, wobei die Sonde jeweils für wenige Minuten die obersten Schichten der Atmosphäre durchflog.

Aus den Erfahrungen, die sie aus den Messdaten von Venus Express während dieser Manöver sammeln konnten, erhoffen sich die ESA-Forscher neue Strategien für den Eintritt in Planetenorbits. So können Aerobraking-Manöver bei Planeten oder Monden mit Atmosphäre dazu dienen elliptische in eher kreisförmige Umlaufbahnen zu überführen und so eine größere Menge mitzuführenden Treibstoffs einsparen helfen.

Ferner liefern sie interessante Aufschlüsse über das Verhalten von Raumsonden unter extremen thermalen Bedingungen und großen Drücken, Raumfahrer.net berichtete. Regulär lag der planetenfernste Punkt in den Jahren zuvor in einer Entfernung von rund 66.000 km über dem Südpol und der Punkt der größten Annäherung bei 200 km über dem Nordpol.

Bei der letzten der geplanten Annäherungen sei der Schub zur erneuten Anhebung der Umlaufbahn auf eine Höhe von etwa 460 km ausgeblieben, was ESA-Ingenieure auf den hierfür fehlenden Treibstoff zurückführten. Ohne aktive Steuerbarkeit kann Venus Express auch nicht länger in Richtung auf die Erde ausgerichtet werden, was eine weitere planmäßige Kommunikation verhindert.

ESA/AOES
Vulkanausbruch auf der Venus – künstlerische Darstellung
(Bild: ESA/AOES)

Dennoch kann die Mission von Venus Express als äußerst erfolgreich angesehen werden. Zu den zentralen Erkenntnissen zählt u.A. die Entdeckung, dass die Venus noch über geologische Aktivität verfügt. Hierauf deuten die gemessenen großen Variationen des Schwefeldioxidanteils in der Atmosphäre ebenso hin wie die Existenz zahlreicher Lavaströme mit einem Alter von nicht mehr als 2,5 Millionen Jahren, ein in geologischen Begriffen eher kurzer Zeitraum.

Auch Hinweise auf einst große Wassermengen, womöglich sogar in Form erdähnlicher Ozeane auf der Venus zählen zu den interessanten Ergebnissen der achtjährigen Mission. Demnach ging der allergrößte Teil des Wassers im Laufe von Milliarden von Jahren am Rande der Atmosphäre verloren, wo es nach Verdunstung von der Oberfläche von Sonnenwinden abgetragen wurde. Der Verlust atmosphärischen Volumens auf der Tagseite der Venus konnte erstmals mit dem Magnetometer namens MAG konkret belegt werden.

Bemerkenswert sind überdies die messbaren Veränderungen atmosphärischer Bedingungen im Verlauf nur einer Sondenmission. So beobachteten die Forscher eine Zunahme der durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in der Atmosphäre von 300 km/h bei VEX Ankunft 2006 auf 400 km/h nur sechs Jahre später. Die Ursachen hierfür sind noch unklar.

Auch die Verlangsamung der ohnehin schon extrem trägen Eigenrotation der Venus um 6,5 Minuten innerhalb von 16 Jahren, seit den Messungen der Magellan-Sonde der NASA, ist mit Blick auf die üblicherweise buchstäblich astronomischen Zeiträume planetarer und kosmischer Vorgänge zumindest erstaunlich zu nennen.

Die Existenz oder gar die Natur von Zusammenhängen zwischen diesen verschiedenen Entdeckungen ist völlig offen.

Am Ende der Mission blickt ein glücklicher Alvaro Giménez, ESA-Direktor für unbemannte Missionen auf acht ertragreiche Jahre zurück. Es sei eine aufregende Erfahrung gewesen dieses wundervolle Raumschiff in der Nähe der Venus zu fliegen, berichtete er. Giménez ist sich sicher, dass die Wissenschaft noch weitere Jahre von den gesammelten Daten profitieren werde.

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