Abenteuer Eros

Nachdem NEAR den Asteroiden Eros erforscht hatte, versuchte das Team, dort zu landen. Drei Jahre später weiß man jetzt, warum Eros ungewöhnlich wenig kleine Krater hat.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Universität von Arizona.

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Eros in einer Farbaufnahme von NEAR Shoemaker .
(Bild: NASA/APL)

Eros hat in etwa die Form einer Kaffeebohne und ist 33 Kilometer lang und 13 Kilometer breit. Damit ist er der größte Asteroid in Erdnähe. Ursprünglich stammt er wahrscheinlich aus dem Haupt-Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, wurde aber durch unbekannte Ereignisse in einen elliptischen Orbit um die Sonne verschlagen, dessen kleinster Radius nur etwas weiter ist als der des Sonnenorbits unserer Erde. Eros‘ Umlaufbahn liegt zwar nicht ganz in der Planetenebene, aber mit einem Winkel von etwa 15 Grad auch nicht allzu weit außerhalb. Seine Größe und die relativ leichte Erreichbarkeit machten ihn zu einem interessanten Ziel für eine Mission: NEAR Shoemaker, so der volle Name der Mission zu Ehren des US-Astronomen Eugene Shoemaker (*), war die erste Raumsonde, die einen „kleinen Himmelskörper“, also einen Asteroiden oder Kometen, nicht nur per Vorbeiflug „besuchte“, sondern in eine Umlaufbahn um ihn eintrat.
Von Februar 2000 bis Februar 2001 dauerte die sehr erfolgreiche Mission des Applied Physics Laboratory (APL) der John Hopkins Universität, die zehnmal so viele Daten erbrachte wie ursprünglich erhofft worden war. Neben 160.000 Rohbildern wurden auch magnetische und spektrometrische Untersuchungen von Eros in allen Wellenlängenbereichen angefertigt und zur Erde gesendet. In immer engeren Umlaufbahnen umkreiste NEAR (Near Earth Asteroid Rendezvous) den Asteroiden und erspähte immer feinere Details seiner Oberfläche.

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Der Plan für NEARs Landung auf Eros
(Grafik: NASA/APL)

Als Eros erschöpfend ausgekundschaftet schien, beschloss das Team, die Raumsonde zum krönenden Abschluss der Mission auf dem Asteroiden zu landen. Für ein solches Manöver war die Raumsonde zwar nicht gebaut und es war wahrscheinlich, dass sie beim Aufprall zerbrach oder wenigstens die Sonnenpaneele abgerissen wurden, aber man konnte es zumindest versuchen. Ein ausgeklügeltes Manöver von vier vorprogrammierten, genau kalkulierten Bremsstößen der Manövriertriebwerke während der letzten Annäherungsphase sollte die Aufprallgeschwindigkeit bis auf erträgliche ein bis zwei Meter pro Sekunde reduzieren.
Und die Raumsonde führte getreulich aus, was ihre Erbauer ihr aufgetragen hatten: Sie verließ ihren Orbit von zuletzt 35 Kilometer um Eros, steuerte zum voraus berechneten Landepunkt in der Mitte der riesigen, steinernen „Bohne“ und bremste ihre Geschwindigkeit immer weiter herunter. Während der Annäherungsphase nahm NEARs Kamera noch 69 Bilder auf, das letzte aus 120 Meter Entfernung.

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NEARs letztes Bild von Eros. Die gesamte Szene ist 6 Meter breit, der Felsen am oberen Rand ist 4 Meter groß. Während der Übertragung schlug die Sonde auf.
(Bild: NASA/APL)

Dann, mitten im letzten Bremsmanöver und mitten im letzten Bild, schlug die Raumsonde auf der Oberfläche des Asteroiden auf.

Und das Wunder geschah: NEAR blieb beim Aufschlag intakt! Die Bodenstation konnte mit der Sonde weiterhin kommunizieren und ihre Daten abfragen. Die Landung war so gut gelungen, dass eine letzte, fünfte Triebwerkszündung abgeblasen werden konnte. Die Projektleiter sprachen von einer „bilderbuchmäßigen Dreipunktlandung“, wonach die Sonde auf zwei Ecken ihrer Sonnenpaneele und einer Ecke des Sondenkörpers zu liegen gekommen sein soll. Auch die wissenschaftlichen Instrumente der Sonde waren noch intakt, bis auf die Kamera allerdings, die leider keine Bilder mehr lieferte.

Von der ursprünglichen Planung her war die Mission nun zu Ende, doch angesichts des unerwarteten Überlebens der Sonde sah das Team nun die einmalige Chance, noch Gammastrahlenspektren der Oberfläche aus unmittelbarer Nähe, und damit auch bis in einige Zentimeter Tiefe des Bodens des Asteroiden, anzufertigen. Die NASA verlängerte die Mission bereitwillig um weitere 14 Tage. So selbstverständlich wie dies klingt ist es nicht, da alle Raumsonden zur Kommunikation mit ihren Bodenstationen stets ein gewisses Quantum an Kapazität des Deep Space Network (DSN) der NASA beanspruchen – und angesichts der zahlreichen Missionen, die heutzutage um Aufmerksamkeit buhlen, ist das DSN meistens schon Monate bis Jahre im voraus ausgebucht. So aber konnte das Team noch seine letzten Spektren anfertigen und übertragen und die Mission dann endgültig abschließen.

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Illustration von NEAR auf Eros, basierend auf den letzten Bildern.
(Grafik: NASA/APL)

Ende 2001 kam Eros an den erdnächsten Punkt seiner Umlaufbahn und so unternahm das Team versuchsweise noch einmal einen Versuch, mit NEAR Kontakt aufzunehmen, denn die Raumsonde liegt schließlich nach wie vor auf dem Asteroiden und war nie endgültig abgeschaltet worden. Doch als nach 12 Stunden voller „NEAR, hörst du uns??“-Versuche in allen denkbaren Variationen keine Antwort kam, gaben die Wissenschaftler auf und wandten sich wieder dem umfangreichen Datenmaterial zu, das die Sonde geliefert hatte und das sie noch heute beschäftigt.

Die Fotos hatten einen Asteroiden enthüllt, der mit Regolith bedeckt ist – einer losen Schicht aus Schotter, Staub und Felsen, die man typischerweise auf nahezu allen Himmelskörpern ohne eigene Atmosphäre findet -, und in diese eingebettet zahlreiche große Felsblöcke. Die Fotos zeigten auch Stellen, an denen der Regolith anscheinend abgerutscht war, oder bergab „geflossen“ war, und dabei das hellere Material darunter entblößt hatte.

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Großer Krater auf Eros, umgeben von halb verschütteten kleineren Kratern.
(Bild: NASA/APL)

Aber was NEAR nicht gefunden hatte, waren jene vielen kleinen Krater, von denen Wissenschaftler eigentlich erwartet hatten, dass sie Eros‘ Landschaft über und über bedecken müssten, wie sie es vom Mond her schon kannten.

„Entweder hat irgend etwas die Krater eingeebnet oder es gibt viel weniger kleine Asteroiden als wir dachten“, sagte James E. Richardson jr. von der Abteilung für Planetenforschung der Universität von Arizona.

Richardson schließt aus Modellstudien, dass es seismische Erschütterungen waren, die über 90 Prozent der kleinen Einschlagkrater des Asteroiden eingeebnet haben, solche von maximal 100 Metern Durchmesser, in etwa die Länge eines Fußballfeldes. Diese seismischen Erschütterungen, „Erosbeben“ sozusagen, resultieren aus Kollisionen des Asteroiden mit Weltraumtrümmern, zum Beispiel kleinen Asteroiden.

Richardson sowie Regents‘ Professor H. Jay Melosh und Professor Richard Greenberg, zusammen mit dem Lunaren und Planetaren Laboratorium der Universität von Arizona, berichten über ihre Analyse in der aktuellen Novemberausgabe von „Science“.

„Eros hat nur ungefähr die Größe des Lake Tahoe“, sagte Richardson. „Somit hat er nur ein sehr kleines Volumen und eine sehr niedrige Gravitation. Wenn ein Objekt von ein bis zwei Meter Größe, oder mehr, Eros trifft, verursacht der Einschlag globale seismische Vibrationen auf dem gesamten Asteroiden. Unsere Analyse zeigt, wie diese Vibrationen mit Leichtigkeit die Regolith-Schicht auf der Oberfläche destabilisieren.“

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Blick in einen Eros-Krater mit deutlichen Spuren von Hangrutschen.
(Bild: NASA/APL)

Der Regolith rutscht bei heftiger Erschütterung nicht einfach den Kraterhang hinunter, sondern wird aufgrund Eros‘ schwacher Gravitation regelrecht von der Oberfläche abgestoßen und fällt in einer ballistischen Kurve ganz langsam wieder zurück, „springt“ also den Hang hinunter, aber wie in extremer Zeitlupe. Offenbar muss man sich das so vorstellen, dass der Asteroid nach einem Einschlag teilweise oder auch vollständig in eine Stein- und Staubwolke gehüllt ist, die sich erst im Verlaufe von Tagen und Wochen, wenn nicht Monaten wieder legt, und dabei dazu tendiert, alle Unebenheiten unter einer gleichmäßigen Oberfläche zu begraben. Sehr langsam, über viele, viele Jahrtausende, füllen sich so Einschlagskrater und verschwinden schließlich, sagte Richardson.

Wenn Eros noch im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter wäre, würde sich ein 200-Meter-Krater in etwa 30 Millionen Jahren füllen. Seit Eros außerhalb des Gürtels ist, braucht der Prozess aber um ein Tausendfaches länger, fügte er hinzu.

Die Bilder von NEAR bestätigen Richardsons Forschungsergebnisse. Anstelle der erwarteten 400 Krater von weniger als 20 Metern Durchmesser pro Quadratkilometer auf Eros‘ Oberfläche waren es im Durchschnitt lediglich 40.

Die Modellanalyse bestätigt auch die Vorstellungen der Wissenschaftler von Eros‘ internem Aufbau.

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Im oberen Bereich sind einige kleine, relativ frische Krater zu sehen. Weiter rechts einige ebenfalls kleine, aber fast schon verschüttete Krater.
(Bild: NASA/APL)

„Die NEAR-Mission zeigte, dass Eros sehr wahrscheinlich ein zerbrochener Monolith ist, also ein Körper, der ursprünglich aus einem einzigen großen Stück Material bestand“, sagte Richardson. „Aber Eros wurde durch große Einschläge in mehrere Stücke gebrochen und wird nun vorwiegend durch seine eigene Schwerkraft zusammen gehalten. Evident dafür sind Serien von Gräben und Rücken, die über die Oberfläche des Asteroiden verlaufen, sowohl global als auch regional.“
Kleinere Einschläge brechen nur die äußere Oberfläche auf, aber große Einschläge zerbrechen Eros bis hinunter in seinen Kern. Dieser Verlauf von großen Brüchen tief innen zu zahlreichen kleinen Brüchen nahe der Oberfläche ist analog zu Brüchen in der oberen Mondkruste, sagte Richardson. „Und die Mondkruste verstehen wir – wir waren schließlich dort. Wir haben Seismometer auf dem Mond postiert. Wir verstehen, wie seismische Energie sich durch diese Art von Struktur ausbreitet.“
Die Analyse der UA-Wissenschaftler, wie einschlagsinduzierte „Erosbeben“ seine Oberfläche beeinflusst haben, hat eine Reihe von weiteren wichtigen Implikationen.

„Falls wir einst Raumschiffe zum Abbau von Bodenschätzen zu den erdnahen Asteroiden schicken sollten, oder um einen Asteroiden von einem potentiellen Kollisionskurs mit der Erde anzulenken, wird uns das Wissen über interne Asteroidenstrukturen bei den Überlegungen helfen, welche Strategie wir nutzen sollten. In der näheren Zukunft werden Missionen zur Probenbeschaffung weniger porösen, sondern eher kohäsiv zusammen haltenden Regolith antreffen, wenn sie auf Asteroiden wie Eros graben, die durch seismische Erschütterungen kompaktiert wurden.“

„Und dieses Wissen sagt uns ebenfalls einiges über die Umgebung, die eine Raumsonde in den Asteroidengürtel vorfinden wird, wo ja auch Eros den größten Teil seiner Zeit verbracht hat. Wir wissen, dass es dort kleine Asteroiden – von Strandball- bis Fußballstadiongröße – gibt. Es ist nur so, dass ihre Spuren auf großen Asteroiden wie Eros verwischt werden.“, sagte Richardson.

Dieser Befund ist wichtig, weil die Verkraterungsdichte auf großen Asteroiden direkte Schlüsse auf die Größe und Anzahl der kleinen Asteroiden im Asteroidengürtel zulässt. Erdbasierte Teleskope können aufgrund der Entfernung nicht viel dazu beitragen. So ist die Wissenschaft zur Ermittlung der Häufigkeit kleiner Asteroiden auf sichtbare Verkraterungsspuren und Asteroidenkollisionsmodelle angewiesen, sagte Richardson.

Weiterführende Websites:

(*) Eugene M. Shoemaker (1928-1997) war einer der bekanntesten amerikanischen Astronomen. Shoemaker war unter anderem Mitentdecker des Kometen „Shoemaker-Levy 9“, der Mitte der 90er Jahre auf den Jupiter stürzte.

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