Deutsche Raumfahrt am Scheideweg

Im Mai 2001 war es beschlossene Sache: In Deutschland wurde seit mehr als 20 Jahren wieder ein nationales Raumfahrtprogramm verabschiedet, das die bisherigen nationalen Bemühungen auf dem Gebiet vorantreiben sollte. Doch unter den momentan schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen plant der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nun eine Kürzung des nationalen Raumfahrtbudgets um mehr als 25 Prozent. Dies dürfte fatale Auswirkungen auf den Raumfahrtstandort Deutschland nach sich ziehen. – Aber es besteht noch Hoffnung.

Ein Beitrag von Karl Urban.

Raumfahrer.net befragte Klaus Berge, Projektdirektor für Raumfahrt beim DLR, unter anderem zum deutschen Raumfahrtbudget
(Bild: Karl Urban)
Raumfahrer.net befragte Klaus Berge, Projektdirektor für Raumfahrt beim DLR, unter anderem zum deutschen Raumfahrtbudget
(Bild: Karl Urban)

In dieser Woche traf sich Raumfahrer.net mit dem Projektdirektor für Raumfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Klaus Berge, um auch über die prekäre Lage für die deutsche Raumfahrt zu sprechen, die sich aus den geplanten Kürzungen ergibt.
„Das wäre eine Katastrophe für das nationale Raumfahrtprogramm, weil sehr viele Universitäten, Doktoranden, Forscher, Firmen in dieser Republik darauf zählen und darauf angewiesen sind. […] Ich denke, dass wir in den vergangenen Wochen sehr viel daran gearbeitet haben, diejenigen [im Haushaltsausschuss] zu überzeugen, dass [es] nicht sinnvoll ist, weil der Schaden, der angerichtet wird, so groß ist – weil Fadenrisse entstehen, die Sie nie wieder aufholen können“, sagte Berge.

Das Budget für die nationale Raumfahrt betrug im Jahr 2002 158,5 Millionen Euro. Nach einer vom Finanzministerium verhängten Haushaltssperre wurden 12,3 Millionen Euro auf das Folgejahr transferiert, die schon allein den Etat belasten. Im Haushaltsausschuss des Bundestages sollen nun zusätzlich 39 Millionen Euro gekürzt werden – dies entspricht 25 Prozent.
Nicht enthalten im nationalen Raumfahrtbudget sind die Beiträge für die europäische Raumfahrtagentur ESA, zu deren wichtigsten Geldgebern Deutschland zählt.

In der Tat besteht die Raumfahrtgemeinschaft in Deutschland aus einem Geflecht von Instituten, Universitäten und Unternehmen, die auf Gelder aus dem Raumfahrtetat angewiesen sind, um effektiv Forschung betreiben zu können. So massive Kürzungen können dutzende laufende Projekte gefährden, die auf lange Laufzeiten ausgelegt sind:
„Wir machen ja nicht Dinge, die […] einen schönen Effekt haben, sondern wir arbeiten handfest, zum Beispiel an neuen Satellitensystemen, die dann kommerziell verwertet werden, wo der staatliche Beitrag sehr gering ist und der überwiegende Teil aus der Wirtschaft kommt.“

Wie in kaum einen anderen Bereich beteiligt sich die Wirtschaft in der Raumfahrt im großen Stil an den staatlichen Programmen. Klaus Berge beschreibt dieses Verhältnis so: „Der Staat gibt einen gewissen Anreiz […] und wir müssen sehen, dass wir die Industrie dann dazu kriegen, die restlichen Dinge zu bezahlen, denn das bringt […] Arbeitsplätze in Deutschland und das wollen wir ja alle.“
Die geplanten Kürzungen bringen also nur scheinbar eine Entlastung in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit. Sie gefährden akut die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, die sich in großem Rahmen an den Projekten beteiligt.

Die Initiative Pro-Raumfahrt von mehreren deutschen Raumfahrtvereinen, an dem auch Raumfahrer.net beteiligt ist, sammelt im Internet Unterschriften gegen die Sparpläne und fordert die Anhebung der Ausgaben für die Raumfahrt in Deutschland auf mindestens 0,1 Prozent des Bruttosozialproduktes. Dies ist gemessen an den Ausgaben unserer Nachbarländer Frankreichs oder Italiens immer noch gering. Der Vergleich mit den europäischen Nachbarn offenbart außerdem ein trauriges Bild der Industrienation Deutschland. Am 26. Januar 2003 veröffentlichte die Europäische Union (EU) mit dem sogenannten „Grünbuch“ einen Fragenkatalog, der die Diskussionsgrundlage für eine zukünftig stärkere europäische Raumfahrt unter der Beteiligung der EU bilden soll. Hat dieses Vorhaben Erfolg, könnte der gesamte Raumfahrthaushalt in Europa in naher Zukunft um ein Vielfaches des heutigen ESA-Budgets wachsen. Für ein Land wie Deutschland, das sich jedoch scheinbar eher von der Raumfahrt abwendet, als sie zu fördern, hätten solche Entwicklungen wohl aber kaum Auswirkungen.

Doch etwas Hoffnung bleibt: Klaus Berge zeigte sich verhalten optimistisch, dass man die enormen Kürzungen für das deutsche Raumfahrtbudget vielleicht noch abwenden kann.
„Ich bin der Hoffnung, dass zumindest der große Teil der Kürzungen […] zurück genommen wird“, fasste er den aktuellen Stand zusammen.

In der Ausgabe #002 unseres Webradios InSound, die voraussichtlich in der nächsten Woche erscheint, können Sie weitere Ausschnitte unseres Interviews mit Klaus Berge vom DLR hören. Dabei geht es vor allem um die Auswirkungen des Absturzes der Columbia. Als Leser dieses Magazins werden wir Sie über des Erscheinen der neuen Radio-Ausgabe natürlich informieren.

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