Sie ist das Glanzstück von SpaceX und eine künftige Stütze für die Versorgung der ISS: Die Falcon 9 soll nicht nur das Raumschiff Dragon starten, sondern auch Satelliten ins All bringen. (Aktualisierung 06.04.2013)
Ein Beitrag von Daniel Maurat und Günther Glatzel
Original vom 24.07.2011
Geschichte
Die Geschichte der Falcon 9 begann, als SpaceX 2005 verkündete, eine neue Rakete auf Basis der bisherigen Falcon 1 zu bauen. Diese sollte in ihrer Nutzlast mit den „traditionellen“ US-Trägern, der Delta IV und der Atlas V, konkurrieren können, dabei aber nur ein Bruchteil an Startkosten im Gegensatz zu den beiden Trägern aufweisen.
Für den Bau der neuen Rakete nutzte man zum Teil Komponenten der kleineren Falcon 1, nutzte sie aber in größeren Stückzahlen oder vergrößerte sie, um möglichst günstig arbeiten zu können. Der Name Falcon 9 leitet sich von ihren neun Erststufentriebwerken ab, die eine gesteigerte Leistung haben. Andere Komponenten, wie das Zweitstufentriebwerk, wurden aus anderen Komponenten (hier aus dem Erststufentriebwerk) heraus entwickelt.
Wie bei ihrem Vorgänger, der Falcon 1, ist eine Besonderheit, dass die erste Stufe von vorn herein auf Wiederverwendung ausgelegt ist. Zunächst wollte man sie nach dem Ausbrennen an Fallschirmen (ähnlich den SRBs des Space Shuttles) im Meer niedergehen lassen, anschließend bergen, warten und für einen neuen Start vorbereiten. Nachdem sich dies als schwierig und umständlich herausgestellt hat, verfolgt man nun ein anderes Konzept. Die Erststufe soll mit einem ausklappbaren Landegestell versehen, nach Brennschluss gewendet und kurz abgebremst und nach aerodynamisch gesteuertem Fall über einem Landeort mit dem mittleren Triebwerk abgebremst werden. Schließlich soll sie auf einer Betonfläche landen nach entsprechender Wartung für eine Wiederverwendung zur Verfügung stehen. Erste Versuche zur Endphase der Landung laufen mit einem Grasshopper genannten Konstrukt seit September 2012. Bei den ersten Missionen der Falcon 9 v1.1 wird man zudem versuchen, die Geschwindigkeit der Erststufe vor der Wasseroberfläche auf Null zu reduzieren.
Nachdem SpaceX den COTS-Wettbewerb gemeinsam mit der Orbital Sciences Corporation zur kommerziellen Versorgung der ISS gewonnen haben, brauchte man eine Trägerrakete für die Dragon-Kapsel. Diese fand man schnell in der sich schon in Entwicklung befindlichen Falcon 9, die die Kapsel zur ISS bringt.
Im Jahr 2012 gab SpaceX bekannt, dass die Falcon 9 in ihrer bisherigen Form nur bis 2013 fliegen soll. Danach wird sie von einer leistungsfähigeren Variante, der Falcon 9 v1.1, ersetzt. Diese hat eine andere Triebwerksaufhängung als bisher und ist mit einer Länge von knapp 70 m gute 25 m länger als ihre Vorgängerin. Mit ihr sollen nun auch schwerere Nutzlasten in den Weltraum gebracht werden können. Zudem verwendet sie das um etwa 60% schubstärkere Triebwerk Merlin 1D in Erst- und Zweitstufe, welches in der Vakuumvariante der Zweitstufe obendrein nicht mehr gedrosselt werden muss. Beim Merlin 1C gab es hier thermische Probleme. Die Nutzlast in einen erdnahen Orbit dürfte sich gegenüber der gedrosselten Falcon 9 um etwa 50% erhöhen.
Technik
Die Falcon 9 besteht aus zwei Stufen:
- Die erste Stufe ist eigentlich eine vergrößere Erststufe der Falcon 1. Sie ist 31,4 m lang und hat einen Durchmesser von 3,7 m. Die neun Merlin-1C-Triebwerke der Stufe, eine Eigenentwicklung von SpaceX, liefern insgesamt einen Schub von 3.798 kN, wobei jedes Triebwerk einen Schub von 422 kN beiträgt. Als Treibstoff nutzt man den altbewährten Mix aus Kerosin (RP-1) als Brennstoff und flüssigem Sauerstoff (LOX) als Oxidator. Zunächst war geplant, dass die Stufe wiederverwendbar sein sollte. Dazu sollte sie, nachdem sie ihren Dienst getan hatte, an drei Fallschirmen hängend, im Meer wassern. Danach hätte sie geborgen, in Stand gesetzt und für den nächsten Start vorbereitet werden können. Dieses Vorhaben wurde bei den letzten beiden Flügen der Falcon 9 in der Version 1.0 nicht mehr verfolgt. Für die Version 1.1 wird es, erheblich überarbeitet, weiterentwickelt.
- Die überarbeitete erste Stufe für die Falcon 9 v1.1 basiert zwar auf der der Falcon 9, ist aber um einiges länger und leistungsstärker. Sie ist rund 42 m lang und hat einen Durchmesser von ebenfalls 3,7 m. Die neun Merlin-1D-Triebwerke der Stufe, eine Weiterentwicklung des Merlin 1C, liefern insgesamt einen maximalen Bodenschub von 5.850 kN, wobei jedes Triebwerk dazu einen Schub von 650 kN beiträgt. Als Treibstoff nutzt man weiterhin die Kombination von LOX als Oxidator sowie RP-1 als Brennstoff. Für die Stufe plant man eine neue Form von Wiederverwendbarkeit: nachdem sie vom Rest der Rakete abgetrennt und mittels Kaltgasdüsen gewendet wurde, sollen drei der Triebwerke die Rakete abbremsen und sie zurück zum Startgelände bringen. Auf dem Treibwerksstrahl des zentralen Triebwerks soll sie dann auf ausfahrbaren Landebeinen niedergehen.
- Die zweite Stufe der Falcon 9 v1.0 ist eine verkürzte Version der Erststufe, wodurch beide Stufen auf den gleichen Anlagen hergestellt werden können. Sie ist nur 10 m lang, hat einen Durchmesser von 3,7 m und wiegt voll betankt 42 t. Das einzelne an den Vakuumbetrieb angepasste Merlin-1Vac-Triebwerk hat einen Schub von 556 kN. Die Anpassungen bertreffen vor allem eine verlängerte Düse für das Triebwerk, um im All effizienter zu arbeiten. Wie bei der Erststufe nutzt man als Treibstoffe LOX und RP-1.
- Die modifizierte zweite Stufe der Falcon 9 v1.1 wurde im Vergleich zu ihrem Vorgänger ebenfalls verlängert. Sie ist 12 m lang, hat einen Durchmesser von 3,7 m und wiegt voll betankt 54,6 t. Das einzelne Merlin-1DVac-Triebwerk hat einen Schub von etwa 720 kN. Wie bei der Erststufe nutzt man als Treibstoffe LOX und RP-1. Eine Besonderheit dieser Stufe ist, dass es von ihr auch eine wiederverwendbare Version geben soll. Sie verfügt dabei über einfahrbare Landestützen, zusätzliche, kleine Triebwerke sowie über einen Hitzeschild, welcher auf dem der Dragon basiert. Hat die Zweitstufe ihre Nutzlast ausgesetzt, soll sie ein Bremsmanöver starten. Danach wird sie mit dem Hitzeschild voran in die Erdatmosphäre eintauchen. Über dem Startplatz fährt sie ihre Landebeine aus und landet auf dem Strahl von vier kleineren Triebwerken wieder auf der Erde.
Starts
Bisher (Stand: April 2013) gab es fünf Starts der Falcon 9: der Jungfernflug der Rakete fand am 4. Juni 2010 mit einem Modell der Dragon– Kapsel, der Dragon Qualification Unit (Dragon Qualifikationseinheit) statt. Der Start schien zunächst ein Erfolg zu sein, doch war die erreichte Umlaufbahn niedriger als erwartet. Dies lag an einer Minderleistung der Zweitstufe.
Der Zweitstart fand am 8. Dezember 2011 statt. Diesmal war es die erste Mission mit einer (zum Teil) funktionsfähigen Dragon-Kapsel sowie der erste Start für das COTS-Programm. Die Dragon C1 umkreiste nach dem Start fünf Stunden die Erde und wasserte schließlich westlich von Mexiko im Pazifik. Die Landung der Dragon-Kapsel war sowohl die erste Wasserung seit dem Ende des Apollo-Programms bzw. die Wasserung der ASTP-Kapsel 1975 (Das Space Shuttle landete ausschließlich in Cape Canaveral, Edwards und White Sands) sowie die erste Rückkehrmission einer kommerziellen Raumkapsel.
Der Drittflug fand nach mehreren Verzögerungen am 22. Mai 2012 statt. Als Nutzlast flog die erste voll funktionsfähige Dragon im Rahmen der Mission COTS 2+ zunächst in die Nähe der ISS, um die Systeme für die Annäherung zu testen und dann am 25. Mai an die Station angekoppelt zu werden. Damit war dies das erste Mal in der Geschichte, dass ein von einer privaten Firma gebauter Raumfrachter zur ISS flog und an diese koppelte.
Die Missionen 4 und 5 waren reguläre Flüge von Dragon-Frachtern zur Internationalen Raumstation im Rahmen der Commercial Resupply Services (CRS), bei denen jeweils eine gewisse Menge Fracht zur Station gebracht wurde und anschließend erstmals ein unbemannter Rücktransport von Fracht erfolgte. Beim vierten Falcon-9-Start fiel ein Triebwerk aus, was aber durch eine längere Brenndauer der anderen Triebwerke weitgehend kompensiert werden konnte. Die Rakete ist für einen derartigen Ausfall ausgelegt.
Später ist auch geplant, kommerzielle Satelliten zu starten. Bekannte geplante Nutzlasten sind sowohl die Raumstationsmodule vom Typ Sundancer sowie BA 330 des Luft- und Raumfahrtunternehmens Bigelow Aerospace für eine kommerzielle Raumstation, Lander für den Google Lunar X-Price, das Dragon-Lab, eine Dragon-Kapsel, die als Plattform für Experimente im Weltraum genutzt wird, ähnlich den russischen auf Wostok-Technik basierenden Foton-Satelliten, sowie auch die Satelliten der neuen Iridium-Kommunikationssatellitenkonstellation, Iridium-NEXT. Die Falcon 9 v1.0 startete von Cape Canaveral aus, genauer gesagt von der Startplattform LC-40 nur unweit des Kennedy Space Center, dem Startplatz der Saturn und des Space Shuttles. Zunächst wurde sie, wie LC-41, als Startplatz für die Titan 3 / 4 gebaut. Nachdem die Titan außer Dienst gestellt wurde, wurden die zwei Startrampen umgebaut. LC-41 wurde für die Atlas V vorgesehen, während LC-40 für die Falcon 9 umfunktioniert wurde. Die Rampe ist so einfach wie möglich gehalten, die Integration erfolgt in einem Vehicle Assembly Building horizontal. Dies ist für US-Raketen, die normalerweise vertikal zusammengebaut werden, eher ungewöhnlich.
Für die Falcon 9 v1.1 wurde ein Startplatz in Vandenberg errichtet, der im Juni 2013 erstmals genutzt werden soll. Der Startplatz in Cape Canaveral wird für die Version 1.1 umgebaut. Außerdem plant Space Exploration Technologies (SpaceX) einen weiteren Startkomplex auf einem privaten Gelände, um die hohen Kosten, die mit der Verwendung von Staatseigentum verbunden sind, zu reduzieren.
Ausblick
Die Falcon 9 soll laut SpaceX noch eine große Zukunft haben. So sollen weitere Verbesserungen bei den Merlin-Triebwerken erfolgen. Außerdem arbeitet man an einer bemannten Version der Dragon-Kapsel. Dafür muss die Rakete in Sachen Sicherheit verbessert werden, z.B. redundante Flugkontrollsysteme etc. Zudem soll in die Kapsel ein Startabbruchsystem (Launch Abort System) in Form seitlich angebrachter Triebwerkspods erhalten, um die Crew bei einem Unfall schnell in Sicherheit bringen zu können. Zudem ist eine komplette Wiederverwendung der Raketenstufen angedacht, wobei Erst- und Zweitstufe nach ihrer Mission wieder zum Startplatz zurückkehren. Dabei muss die Zweitstufe sogar mit einem Hitzeschild, ähnlich dem der Dragon ausgerüstet werden, damit sie den Wiedereintritt überstehen kann.
Darüber hinaus soll die Falcon 9 als Basis für eine Großrakete von SpaceX dienen, die sogenannte Falcon Heavy. Diese soll, ähnlich der Delta IV Heavy, der Atlas V Heavy oder der Angara 3, zwei zusätzliche Erststufen als Booster verwenden. Die Booster brennen zuerst aus und werden abgetrennt, während die Zentralstufe weiterläuft. Möglich wäre auch ein teilweises Wiederauftanken der Zentralstufe durch Treibstoff aus den Boostern, was die Nutzlast um etwa 15% steigern könnte. Die Falcon Heavy soll bis zu 53 t in einen erdnahen Orbit bringen.
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