Solare Gaswolken auf Irrwegen

Entgegen allen Erwartungen konnte die Raumsonde „SOHO“ seit 1997 mehrere tausend Gaswolken beobachten, die auf die Sonne zufallen. Angesichts der Gasströme, die permanent von der Sonne aus mit hoher Geschwindigkeit ins Weltall transportiert werden, war dies eine sehr überraschende Entdeckung.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESA, NASA.

Gaswolke fällt zurück Richtung Sonne. (Bild: SOHO/LASCO (ESA & NASA))

22. November 2001 – Wie ESA-Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Astrophysical Journal Letters berichten, hat die von ESA und NASA gemeinsam betriebene Sonnensonde Gaswolken beobachtet, die entgegen der Strömungsrichtung des solaren „Sonnenwindes“ auf die Sonne zustreben. Die Wolken starten in einer Höhe von bis zu 2,7 Millionen Kilometern über der Sonnenoberfläche, eine Entfernung, die etwa dem zweifachen Sonnendurchmesser entspricht. Obwohl der Sonnenwind dort mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/sek. von der Sonne wegströmt, kämpfen sich die Gaswolken mit 50-100 km/sek. dem Sonnenwind entgegen Richtung Sonne entlang, bis sie in einer Höhe von typischerweise 700.000 Kilometern zur Ruhe kommen.
„Ich war verblüfft als ich die Filme mit diesen Gaseinschlüssen zum ersten Mal sah“, sagt Bernhard Fleck, ESA-Projektwissenschaftler für die SOHO-Mission. „Vor dieser Entdeckung durch SOHO hatte niemand die Vorstellung, daß Gas sich die falsche Richtung entlang bewegen und zurück Richtung Sonne getrieben werden könnte.“

(Video: SOHO/LASCO (ESA & NASA))

Die Gaswolken sind auf den Aufnahmen nur sehr schwer zu sehen. Erst durch Subtraktion zweier Aufnahmen, die im Abstand von 20-25 Minuten gemacht worden sind, konnten Wissenschaftler des „Naval Research Laboratory“ die Gaseinschlüsse entdecken. Durch Montage mehrerer Aufnahmen hintereinander entstehen kleine Filme, auf denen die Wanderung der Gaswolken sehr gut zu sehen ist.
Obwohl die Masse der Sonne eine sehr starke Anziehungskraft erzeugt, ist dies nicht die entscheidende Kraft für die Bewegung der Einschlüsse. Die hohe Anfangsgeschwindigkeit, die sich immer weiter reduziert, bis die Bewegung schließlich zum Stillstand kommt, läßt vielmehr auf magnetische Kräfte schließen. Die Ursache für die der Sonne entgegenströmenden Gaswolken scheinen kollabierende magnetische Schleifen zu sein, die bei ihrer Bildung geladene Gasmassen in ihrem Inneren einschließen und mit sich Richtung Sonne transportieren. Diese Schleifen bilden sich an den Kontaktstellen von gewaltigen magnetischen Bögen, die die Sonnenoberfläche an einer Stelle verlassen, vom Sonnenwind weit in den Weltraum hinausgetragen werden und an anderer Stelle wieder in die Sonne hineintauchen.
Dabei haben die Wissenschaftler beobachtet, daß die Gaseinschlüsse regional gehäuft auftreten. Eine solche regionale Häufung kann über Monate bestehen bleiben. Die am SOHO-Projekt beteiligten Wissenschaftler vermuten, daß dieser „Recycling-Vorgang“ des solaren Magnetfelds die Stärke des interplanetaren Magnetfelds beeinflußt, in dem sich auch die Erde bewegt. Das interplanetare Magnetfeld stellt einen Schutz gegen die hochenergetische kosmische Strahlung dar, die bei Lebewesen auf der Erde zu genetischen Veränderungen führen sowie zu Fehlfunktionen in elektronischen Komponenten führen kann. Zukünftig können die Erkenntnisse über die von SOHO entdeckten Vorgänge in dem Magnetfeld der Sonne vielleicht eine bessere Erklärung für die Veränderungen der Stärke des interplanetaren Magnetfelds liefern.

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