Kommentar: SES & SpaceX vor der Feuertaufe

SpaceX startet SES 10 auf einer Falcon 9, wobei die erste Stufe ihren zweiten Flug macht. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag geht es um die Zukunft des Raumtransports: Die Wiederverwendung.

Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: SpaceX, FloridaToday.

Hotfiretest der Falcon 9-Erststufe vor dem SES-10-Start
(Bild: SpaceX)

Es geht um viel bei dem kommenden Start des Kommunikationssatelliten SES 10 auf einer Falcon-9-Rakete. SpaceX möchte zeigen, dass die Wiederverwendung nicht nur ein schöner Traum, sondern auch technisch durchführbar ist. Ein ökonomischer Vorteil kann sich natürlich nur langfristig zeigen. Er wird daher bei diesem Start nicht das große Thema sein.

SES hofft auf den erfolgreichen Start von SES 10. Langfristig setzt man bei SES auf niedrige Startpreise und vor allem auf eine schnellere Verfügbarkeit von Starts. Wenn eine bereits geflogenen Stufe irgendwo bereit liegt, kann man sie schneller flugbereit machen, als müsste sie erst gebaut werden. Dadurch soll es mehr Flexibilität im Startzeitplan geben.

Die US-Zeitung Florida Today berichtet von einer Pressekonferenz mit SES CTO Halliwell in Florida:

Halliwell sagte, dass man bei SES sehr zuversichtlich sei, dass der Start ein Erfolg werden wird. Ebenfalls bestätigt wurde, dass alle neun Triebwerke der Falcon 9 noch die Originaltriebwerke sind und nicht ausgetauscht wurden.

Es ist wieder eine Landung auf dem autonomen Drohnenschiff „Of course I still love you“ im Atlantik geplant. Auch hier eine Innovation: Der autonome Roboter „Optimus Prime“ (benannt nach der Transformers-Reihe) soll die Rakete nach der Landung sichern.

Aufgrund des schweren Satelliten (Masse ca. 5.300 kg) ist die Landung jedoch schwierig und wie der Start mit einem erhöhten Risiko behaftet. Sollte die Landung jedoch gelingen, bekommt SES einige Souvenirstücke aus der Rakete für die eigene Firmenzentrale.

SES plant drei weitere Satelliten mit SpaceX in diesem Jahr zu starten (SES 11, SES 14 & SES 16). Sollte der heutige Start ein Erfolg werden, überlegt man bis zu zwei von diesen Satelliten ebenfalls auf einer geborgenen Erststufe zu fliegen.

Die Versicherung war laut Halliwell nicht viel teurer als bei Verwendung einer fabrikneuen Rakete. SES hat dies jedoch nicht in erster Linie aus kurzfristiger finanzieller Sicht gemacht, sondern sieht sich auch in einer Art Early-Adopter-Rolle, wie man sie auch aus der Unterhaltungsindustrie kennt.

Eine kleine Anekdote hatte Halliwell auch noch parat: Der Chefingenieur eines konkurrierenden Startanbieters hatte Halliwell gesagt, dass selbst wenn Elon eine erste Stufe landen könnte, sich diese in einem demolierten Zustand befinden würde und niemals wieder fliegen könnte. Welchen Startanbieter Halliwell meinte, blieb unklar. Nicht ganz unwahrscheinlich allerdings, dass es sich um Arianespace handelte.

Eine Falcon 9-Erststufe nach der ersten Landung bei der CRS-8 Mission zur ISS im Jahre 2016
(Bild: SpaceX)

Der Weg zur Wiederverwendbarkeit war für SpaceX ein langer. Elon Musk hat seine Pläne für die Wiederverwendbarkeit im Jahre 2011 vorgestellt. In diesem Jahr war SpaceX kein einziges Mal gestartet, da gab es viel Häme im Netz. Das hat Musk offensichtlich nicht davon abgehalten, weiter an seinen Plänen festzuhalten. Jetzt schreiben wir das Jahr 2017, sechs Jahre später.

Ursprünglich sollte sogar die zweite Stufe der Falcon 9 wiederverwendbar werden, diese Pläne wurden inzwischen begraben. Doch die Wiederverwendung der ersten Stufe soll jetzt Ende der Woche demonstriert werden.

Seit dem Shuttle, bei dem sich die Hoffnungen nicht realisiert haben, galt die Wiederverwendbarkeit ersteinmal als tot, jetzt gibt es also eine neue Hoffnung. Neben SpaceX arbeitet auch die amerikanische Konkurrenzfirma Blue Origin an einer Wiederverwendbarkeit. Blue Origin wird von dem Amazon-Chef und Multimilliardär Jeff Bezos geleitet.

Doch jenseits von SpaceX & Blue Origin gibt es nur Lippenbekenntnisse. Die ULA macht offiziell SMART-Reuse ab 2024, aber dies scheint mehr PR als Realität zu sein. Der ULA-Mann für Innovationen, George Sowers, hat auch gerade seinen Ruhestand angekündigt.

Europa hat sich mit den Ministerratskonferenzen 2012, 2014 & 2016 auf die nicht-wiederverwendbare Rakete Ariane 6 festgelegt. In Anbetracht der langen Zeiträume, die jede Ariane-Rakete fliegt, scheint ein neues Konzept vor 2035 eher unwahrscheinlich. Die Ariane 5 fliegt seit 1996 und wird es noch bis mindestens 2021 tun, also insgesamt mindestens 25 Jahre.

Außerdem ist völlig unklar, wie eine wiederverwendbare Rakete ohne Feststoffbooster jemals Geo-Return-kompatibel sein wird. Was kann Italien dann noch groß beitragen, die Kompatibilität mit Vega etc.. etc.., nein in Europa ist die Hoffnung auf Wiederverwendbarkeit ersteinmal tot.

Russland hat die Angara entwickelt, China die Langer Marsch-Serie, aktuell die Langer-Marsch-5-Rakete. Diese Länder werden das nicht einfach über den Haufen werfen. SpaceX & Blue Origin sind die einzige zeitnahe Hoffnung auf einen Raumtransport mit Wiederverwendung.

Aber ein Produkt braucht nicht nur einen Hersteller sondern auch einen Kunden. Und als Europäer kann es einen nur mit dem größten Stolz erfüllen, dass der große europäische Satellitenbetreiber SES das Risiko eingeht und den SES-10-Satelliten auf die Rakete packen lässt. Fortschritt geht nicht ohne Risiko, wenigstens einer der großen „Player“ in der europäischen Raumfahrt hat es begriffen.

GO Falcon 9! GO SES 10!

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