Landeplätze, eine Untersuchung, und eine Stippvisite

Der MRO nimmt weiter neue und alte Landeplätze auf dem Mars in Augenschein. Im Fall “Mars Global Surveyor” hat die NASA eine Untersuchung eingeleitet, ob der Verlust der Raumsonde nicht doch menschliches Versagen war. Und Mars Express erhält Besuch von einer anderen europäischen Raumsonde.

Autor: Axel Orth. Vertont.

Das Bild zeigt den Vergleich zwischen einem der anfangs ausgewählten Phoenix-Landeplätze (o.) und einem der jetzt neu ausgewählten Landeplätze (u.): Immer noch Felsen, aber schon deutlich weniger und kleinere.
(Bild: NASA/JPL/Univ. of Arizona/RN)

Die derzeit vordringlichste Aufgabe des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) ist die Auskundschaftung einer neuen Landestelle für den zukünftigen Phoenix-Lander. Zwar hatte man am JPL schon vor der Ankunft des MRO am Mars mit Bildern der MOC-Kamera an Bord des Mars Global Surveyor mehrere scheinbar geeignete Landestellen ausfindig gemacht. Doch durch die Adleraugen der HiRISE-Kamera betrachtet, erwiesen sich diese Landestellen als von zahlreichen großen Felsen übersät – zu riskant. Schließlich soll die brandneue, mehrere Hundert Millionen Dollar teure Raumsonde ja nicht gleich bei ihrer Landung auf die Seite kippen und damit scheitern. Aber jetzt drängt die Zeit, eine neue Landestelle zu finden, schließlich soll die Mission schon im nächsten Jahr starten. Dementsprechend tragen viele frühe Einträge der derzeitig öffentlich verfügbaren HiRISE-Bilder schlicht den Eintrag “northern plains” und keine eingehende Beschreibung – dies sind alles Bilder, auf denen die Wissenschaftler neue Landestellen für Phoenix suchen.

Neben dieser zukünftigen Landestelle wurde mittlerweile auch mal wieder eine alte Landestelle fotografiert, und zwar die der Mission Mars Pathfinder, die 1997 so erfolgreich verlaufen war: Pathfinder war jene Mars-Landeplattform, an der das Airbag-Landeverfahren von der NASA prototypisch ausprobiert wurde. Sie trug auch schon einen ersten kleinen Rover im Bonsai-Format mit sich: Sojourner war der Vorläufer der heutigen, wesentlich größeren Marsrover. Anders als bei den heutigen Rovermissionen verfügte die damalige Landeplattform über eigene Intelligenz, eigene Instrumente und bildete die Funk-Relaisstation für den kleinen Rover, der selbst nicht direkt mit der Erde kommunizieren konnte. Die Instrumentenausstattung von Sojourner war bis auf die Kameras recht kümmerlich. Pathfinder war eben in erster Linie eine ingenieurtechnische Pioniermission zur Erprobung neuer Technologien.

Bearbeitetes HiRISE-Bild des Pathfinder-Landeplatzes mit Beschriftungen der Landeplattform, benannter Felsen und evtl. des Sojourner-Rovers. Dem Bild überlagert ist eine farbige Kodierung der Erhebungen in der Umgebung.
(Bild: NASA/JPL/Univ. of Arizona/USGS)

Und noch einen weiteren Zweck erfüllte diese Mission: Sie war so populär wie schon lange kein NASA-Projekt mehr. Sojourner war der erste selbstfahrende Roboter auf einem anderen Himmelskörper, das war wohl die grundlegende Neuerung. Und die Strategie, die Bilder der Lander- und Roverkameras im damals noch recht neuen Medium Internet bereit zu stellen, trug der NASA bis dahin ungekannte Zugriffszahlen auf ihre Server und große Präsenz in den Medien und der Öffentlichkeit ein. Insofern waren die Kameras an Bord die wichtigsten Instrumente: Letztlich dienten sie als erfolgreiche Popularitätsvehikel, und die Steigerung des Ansehens, die die spektakulären Bilder mit sich brachte, konnte die Weltraumbehörde gut brauchen. Auch das Internet, das damals noch längst nicht so verbreitet war wie heute, profitierte als Medium von dem damaligen Hype.

Damit hat der MRO jetzt alle gelungenen Landestellen abgegrast und es stehen “nur” noch die gescheiterten Missionen aus, an vorderster Stelle natürlich der unvergessene Beagle 2, der Ende 2003 eigentlich der erste europäische Marslander hatte werden sollen.

Neues zum Mars Global Surveyor

Der Mars Global Surveyor (MGS), Vorgänger des MRO, ist seit Anfang November 2006 verschollen. Anfangs hatte es so ausgesehen, als ob ein defekter Motor zur Bewegung eines Solarpaneels die Ursache des Ausfalls gewesen sei. Seit einigen Wochen liegen aber neue, wenngleich noch vorläufige Erkenntnisse vor, dass es sich eher um menschliches Versagen gehandelt haben dürfte.

Mitte 2006 gingen heftige Sonnenausbrüche über den Mars hinweg und störten den Arbeitsspeicher des MGS-Bordcomputers dergestalt, dass ein Teil der darin abgelegten Daten verfälscht wurde. Das war zwar weiter kein Problem, da die Daten an anderer Stelle noch einmal abgelegt waren. Trotzdem mussten die Daten natürlich wieder hergestellt werden, schließlich handelte es sich dabei um Tabellen mit wichtigen Betriebsparametern der Sonde.

Nun basiert der Bordcomputer des zehn Jahre alten Mars Global Surveyor konzeptuell auf Hardware aus den 1980er-Jahren, die schon Mitte der 1990er, also zur Zeit des Baus der Raumsonde ziemlich veraltet war. Dies ist durchaus typisch für Weltraummissionen, unter Gesichtspunkten der Zuverlässigkeit völlig verständlich und so lange kein Problem, wie Leute zur Verfügung stehen, die mit solchen begrenzten Ressourcen umgehen können. Beispielsweise verfügt der MGS-Bordcomputer nur über sehr wenig eigenen Arbeitsspeicher und hat insbesondere kein richtiges Betriebssystem im heutigen Sinne, das dem Programmierer unter Anderem die zuverlässige Verwaltung eben dieses Speichers abnimmt. Der Programmierer muss diese mühsame Aufgabe vielmehr selbst übernehmen und dabei sehr gewissenhaft und sorgfältig vorgehen.

Der Ingenieur, der seit den Anfängen des Projekts für diese Aufgabe zuständig war, ging aber Mitte 2006 in den Ruhestand und ein neuer Mann übernahm seine Stelle. Nach derzeitigen, vorläufigen Erkenntnissen sieht es so aus, dass dem neuen Ingenieur bei der Wiederherstellung der korrumpierten Parameter-Tabelle ein kleiner Fehler unterlaufen ist, wodurch ein bestimmter Parameter nicht ganz an der richtigen Stelle abgelegt wurde. Dies reichte aber aus, seine Bedeutung, und auch die Bedeutung eines benachbarten Parameters völlig zu verfälschen.

Die beiden falschen Parameter wurden nur bei einem bestimmten Sicherheits-Reset im Zusammenhang mit den Solarpaneelen gebraucht, also selten und schon gar nicht im Routinebetrieb der Sonde. Daher ging der Betrieb zunächst noch einige Monate störungsfrei weiter. Als aber Ende Oktober die zweiwöchige Phase der solaren Konjunktion, während der nur wenig Funkverbindung zur Erde bestand, sich ihrem Ende zu neigte und die Sonde wieder in vollen Betrieb genommen werden sollte, kam es zu dem erwähnten Sicherheits-Reset und die beiden verfälschten Parameter entfalteten ihre fatale Wirkung: Ein Radiator zur Kühlung einer der beiden Bordbatterien wurde wahrscheinlich zur Sonne hin gewandt anstelle von ihr weg, wodurch in der Folge diese Batterie überhitzt wurde und ausgefallen sein dürfte. Die andere Batterie blieb zwar intakt, genügte jedoch nicht, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Damit war die Sonde verloren.

Es handelt sich bei alledem noch um unbestätigte Informationen aus Insiderkreisen, aber die NASA hat bereits einen Ausschuss einbrufen, der die Vorgänge um den Verlust des Mars Global Surveyor näher untersuchen soll.

Bild von Rosettas OSIRIS-Kamera von Anfang Dezember. Der auffällige Punkt im oberen Drittel ist der Mars aus einer Entfernung von 80 Mio. km.
(Bild: ESA/MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA)

Kollegenbesuch für Mars Express

Am 25. Februar 2007 wird Mars Express kurzzeitig mal nicht die einzige europäische Sonde beim Mars sein: An diesem Tag fliegt nämlich die Kometenerkundungs-Sonde Rosetta dicht am Mars vorbei und holt Schwung für ihr leider noch sehr fernes Rendezvous mit dem Kometen 67P/Tschurjumov-Gerasimenko. Zufälligerweise steht nur drei Tage später auch für New Horizons deren Vorbeiflug am Jupiter auf dem Programm. Während allerdings der Jupiter so riesig ist, dass New Horizons einen relativ großen Respektabstand einhalten kann und immer noch ausreichend beschleunigt wird, ist der Mars vergleichsweise winzig und Rosetta muss dem Roten Planeten richtig dicht auf die Pelle rücken, damit es sich überhaupt lohnt. Die wertvolle Kometensonde wird in nur ca. 200 Kilometern Abstand zur Oberfläche am Mars vorbei fliegen und kommt ihm damit näher als alle Orbiter, die derzeit um den Mars kreisen!

Mit seiner Weitwinkelkamera OSIRIS, die eigentlich für die Beobachtung des Kometenschweifs entwickelt wurde, hat Rosetta schon Anfang Dezember ein Bild des näher kommenden Mars’ geschossen. Auf diesem Bild aus 80 Mio. Kilometern Entfernung ist der Planet zwar auch nur ein kleiner Punkt, aber wegen der langen Belichtungszeit erscheint er wie der Mond in einer nebligen Nacht. Und die farbigen Schleier weiter unten rechts sind nichts weiter als unsere gute alte Milchstraße: Sterne wie Staub…

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