Die Säulen der Schöpfung – erstmals in 3D

Astronomen ist es jetzt erstmals gelungen, die im Adlernebel befindlichen „Säulen der Schöpfung“ in einer dreidimensionale Ansicht abzubilden. Dabei zeigte sich, dass im Bereich dieser faszinierenden Strukturen gerade neue Sterne entstehen. In bereits etwa drei Millionen Jahren werden sich die Säulen jedoch aufgelöst haben.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Hubble Space Telescope.

ESO, IAU, Sky&Telescope
Diese Aufsuchkarte zeigt das Sternbild Serpens Cauda – den hinteren Teilbereich des Sternbildes Schlange. Verzeichnet sind hier alle Sterne, welche unter guten Bedingungen mit dem bloßen Auge sichtbar sind. Die Position des Adlernebel (auch als M 16 bezeichnet) ist mit einem roten Kreis markiert. In dessen Zentrum befinden sich die „Säulen der Schöpfung“. Obwohl der offene Sternhaufen NGC 6611, welcher ebenfalls zu diesem Objekt gehört, mit einer scheinbaren Helligkeit von 6,0 mag bereits mit einem kleinen Amateurteleskop beobachtet werden kann, stellen die Details der umgebenden Gaswolken selbst für Großteleskope eine Herausforderung dar.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Einige der in unserer Heimatgalaxie befindlichen schätzungsweise etwa 200 Milliarden Sterne sind mit einem Alter von über 13 Milliarden Jahren nur wenige hundert Millionen Jahre jünger als das Universum, dessen Alter von den Astronomen mit einem Wert von 13,8 Milliarden Jahren angegeben wird. Mit einem Alter von ‚lediglich‘ rund 4,6 Milliarden Jahren handelt es sich bei dem Zentralgestirn unseres Sonnensystems somit um einen noch verhältnismäßig jungen Stern, welcher gerade einmal die mittlere Phase seines Daseins erreicht hat. Andere Sterne der Milchstraße verfügen jedoch über ein noch deutlich geringeres Alter von nur wenigen Millionen Jahren. Diese Sterne haben sich erst vor kurzem in sogenannten Sternentstehungsgebieten entwickelt.

Bei einer dieser H-II-Regionen innerhalb unserer Galaxie handelt es sich um die Säulen der Schöpfung. Zusammen mit dem nahe gelegenen offenen Sternhaufen NGC 6611 bilden die aus dem Nebel herausragenden Strukturen die Sternentstehungsregion des Adlernebels Messier 16 (abgekürzt M 16), welcher sich in einer Entfernung von etwa 7.000 Lichtjahre zu unserem Sonnensystem im Sternbild Serpens Cauda – dem hinteren Teilbereich des Sternbildes „Schlange“ – befindet.

Die wohl bekannteste Abbildung der „Pillars of Creation“, so der englische Name dieser Struktur, wurde bereits vor etwas mehr als 20 Jahren am 1. April 1995 mit dem Weltraumteleskop Hubble angefertigt. Aufgrund des hohen Wiedererkennungswertes wurde diese Aufnahme schnell zu einem der allgemein bekanntesten Fotos des Hubble Space Telescope (abgekürzt HST). Seitdem fesseln diese Wolken aus interstellarer Materie, welche sich über Entfernungen von bis zu vier Lichtjahren erstrecken, sowohl die professionellen Wissenschaftler als auch interessierte Laien. Erst kürzlich wurden die „Säulen der Schöpfung“ anlässlich des 25jährigen Jubiläum des HST erneut abgebildet. Verschiedene der damit verbundenen Fotos finden Sie auf dieser Internetseite des Hubble-News-Center.

Credit for WFPC2 (1995): NASA, ESA, STScI, J. Hester und P. Scowen (Arfizonas State University); Credit for WFC3 (2014): NASA, ESA, Hubble Heritage Team (STScI, AURA)
Diese beiden Aufnahmen der „Säulen der Schöpfung“ wurden in den Jahren 1995 und 2014 mit dem Weltraumteleskop Hubble angefertigt.
(Bild: Credit for WFPC2 (1995): NASA, ESA, STScI, J. Hester und P. Scowen (Arizona State University); Credit for WFC3 (2014): NASA, ESA, Hubble Heritage Team (STScI, AURA))

Diese Bok-Globulen sind ein klassisches Beispiel für langgestreckte Strukturen, welche sich in großen Gas- und Staubwolken herausbilden, in denen sich gerade neue Sterne bilden. Die erkennbaren säulenartige Gebilde entstehen dabei durch die intensive Ultraviolettstrahlung und den starken Sternwind, den noch realtiv junge und somit heiße Sterne der Spektralklassen O und B in das umgebende Weltall aussenden. Diese Einflüsse haben zur Folge, dass die im Allgemeinen nur dünnen Konzentrationen von interstellarer Materie auseinander getrieben werden.

Dichtere Ansammlungen von Gas und Staubpartikeln können diesen Kräften dagegen länger widerstehen. Hinter derartigen Staubkonzentrationen ist die Materie zudem vor der direkten Einstrahlung der Sterne geschützt. Sozusagen wie hinter einem Schutzschild bilden sich dabei faszinierende Formen wie Blasen, Bögen und dunkle Säulen. Letztere werden auch als „Elefantenrüssel“ (engl. „elephant trunks“) bezeichnet – säulenartige Gebilde, welche von den gerade erst entstandenen Sternen wegzeigen.

Die „Säulen der Schöpfung“ – erstmals in 3D
Jetzt ist es Astronomen von der Universitätssternwarte München, dem Exzellenzcluster Universe und der Europäischen Südsternwarte (ESO) erstmals gelungen, eine vollständige dreidimensionale Ansicht der „Säulen der Schöpfung“ zu erstellen. Hiefür verwendeten die beteiligten Wissenschaftler den Multi Unit Spectroscopic Explorer (kurz „MUSE“). Das MUSE-Instrument ist am Hauptteleskop Nummer 4 – dem Yepun-Teleskop – des Very Large Telescope (kurz „VLT“) am Pananal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den nordchilenischen Anden angebracht und hat den wissenschaftlichen Betrieb bereits im Jahr 2014 aufgenommen.

ESO, M. Kornmesser
Diese Visualisierung der dreidimensionalen Struktur der „Säulen der Schöpfung“ in der Sternentstehungsregion Messier 16 basiert auf neuen Beobachtungen dieses Himmelsobjekts mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der ESO in Chile. Die Säulen bestehen in Wirklichkeit aus mehreren Einzelteilen auf verschiedenen Seiten des Sternhaufens NGC 6611. In dieser Darstellung ist der relative Abstand der Säulen entlang der Sichtlinie nicht maßstabsgetreu dargestellt.
(Bild: ESO, M. Kornmesser)

Das MUSE-Instrument hat mit seiner bisher unerreichten Detailschärfe den Astronomen durch die Betrachtung der räumlichen Anordnung der Strukturen zu neuen Erkenntnissen über die fortschreitende Auflösung der Säulen verholfen. Die neuen Beobachtungen zeigen dabei, wie sich die dortigen staubhaltigen Strukturen im Raum verteilen und machen zugleich viele bisher unbekannte Details sichtbar. Die Beobachtungsdaten verdeutlichen, dass das Ende der linken Säule auf unser Sonnensystem gerichtet ist und dabei zugleich auf einer weiteren Säule ’sitzt‘, welche sich – im Gegensatz zu den anderen Säulen – in Wirklichkeit hinter dem offenen Sternhaufen NGC 6611 befindet. Diese Säule empfängt dabei die meiste Strahlung der Sterne von NGC 6611. Aus diesem Grund erscheint sie heller als die anderen Säulen unten links, in der Mitte und rechts, deren Enden nicht direkt in ‚Richtung Erde‘ weisen.

Einflüsse auf die Sternentstehung
Durch die Untersuchung dieser Strukturen erhoffen sich die Astronomen ein besseres Verständnis dafür, wie die jungen O- und B-Sterne im Bereich des Sternhaufens NGC 6611 die Entstehung weiterer Sterne beeinflussen. Mehrere Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sich in dieser Staubwolke gerade verschiedene Protosterne bilden. Die Beobachtungsdaten von MUSE haben tatsächlich weitere Hinweise auf zwei gerade entstehende Sterne in der linken und in der mittleren Säule geliefert.

Des weiteren entdeckten die Astronomen in der mittleren Säule einen bislang unbekannten Materiestrom, welcher von einem jungen Stern ausgestoßen wird und der den Astronomen bei vorangegangenen Untersuchungen entgangen ist. Ob sich in der Umgebung der „Säulen der Schöpfung“ auch in Zukunft noch weitere Sterne bilden können, ist jedoch fraglich. Da die intensive Strahlung der bereits existierenden hellen Sterne das Säulenmaterial langsam aber sicher abträgt handelt es sich hierbei um einen Wettlauf gegen die Zeit.

ESO
Diese Ansicht zeigt wie das MUSE-Instrument eine dreidimensionale Ansicht der „Säulen der Schöpfung“ erzeugt hat. Jeder Pixel in den Daten ergibt ein Spektrum, welches wiederum Informationen über die Bewegungen und die physikalischen Bedingungen innerhalb dr Säulen an diesem Bildpunkt liefert. Die einzelnen hervorgehobenen Schichten des Datenkubus entsprechen bestimmten vorhandenen chemischen Elementen.
(Bild: ESO)

Mit der Messung der Auflösungsrate der „Säulen der Schöpfung“ hat das MUSE-Instrument den Astronomen einen Zeitrahmen vorgegeben, ab dem die Säulen nicht mehr existieren werden. Über einen Zeitraum von einer Million Jahre gehen den Säulen etwa 70 Sonnenmassen verloren. Basierend auf ihrer gegenwärtigen Masse von rund 200 Sonnenmassen haben die „Säulen der Schöpfung“ somit noch eine Lebenserwartung von lediglich weiteren drei Millionen Jahren, was auf kosmischen Zeitskalen betrachtet nur einem kurzen Augenblick entspricht. Es scheint also, als wäre die Bezeichnung „Säulen der Zerstörung“ ein ebenso passender Name für dieses faszinierende kosmische Gebilde.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 30. April 2015 von Anna Faye McLeod et al. unter dem Titel „The Pillars of Creation revisited with MUSE: gas kinematics and high-mass stellar feedback traced by optical spectroscopy“ in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society publiziert.

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