SLS- Los geht’s mit dem CDR

Am 11. Mai hat eine entscheidende Designprüfung des Space Launch Systems (SLS) begonnen, der neuen Schwerlastträgerrakete der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA. Unterdessen wird die nötige Infrastruktur geschaffen, um die Rakete zu testen, zu transportieren und zu starten.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF. Vertont von Peter Rittinger.

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Das Design des SLS nach dem PDR 2013.
(Bild: NASA)

Bei der Entwicklung der neuen Schwerlastträgerrakete Space Launch System (SLS) muss die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur NASA von Zeit zu Zeit das Design der Rakete überprüfen und festlegen. Dies geschieht in sogenannten Designprüfungen. Diese sind für den Beobachter weitaus weniger spektakulär als etwa eine Testzündung eines Feststoffboosters oder eines Haupttriebwerks, für den weiteren Verlauf der Entwicklungsarbeiten jedoch von großer Bedeutung. Eine Designprüfung läuft derart ab, dass zahlreiche beteiligte Experten und Ingenieure zusammenkommen, um technische Dokumente und Baupläne zu kontrollieren, mögliche Probleme ausfindig machen und dann das Design des Produkts verbessern. Zwei solcher Designprüfungen wurden bereits abgeschlossen: Das Systems Requirements Review im Juli 2012, bei dem die Vorraussetzungen im Bezug auf Kosten, Leistung, Technik und Zeitplan für das SLS festgelegt wurden, und das Preliminary Design Review im August 2013, bei dem das vorläufige Design der Rakete auf diese Vorraussetzungen überprüft wurde. Nun steht die nächste bedeutende Designprüfung an: Das Critical Design Review (CDR).

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Die Elemente, deren Bau durch das SPIE-Büro koordiniert wird.
(Bild: NASA)

Mit diesem CDR wurde am 11. Mai im Marshall Space Flight Center in Alabama begonnen. Zuvor wurden noch die CDRs der einzelnen Elemente des SLS abgeschlossen, wie etwa der Hauptstufe (Juli 2014) oder der Feststoffbooster (August 2014). Auch das letzte CDR eines einzelnen Elements macht Fortschritte: Dem des SPIE-Büros (Spacecraft and Payload Integration and Evolution). Dieses Büro koordiniert die Entwicklung und den Bau von drei Komponenten am oberen Ende der Rakete: Der Oberstufe, des Adapters der Hauptstufe zur Oberstufe und des Adapters der Oberstufe zur Nutzlast.

Auch ist das SPIE-Büro für die Weiterentwicklung des SLS zu einer noch leistungsfähigeren Rakete zuständig. Ein Critical Design Review ist -wie der Name schon sagt- kritisch. Es wird geprüft, ob das Design sämtliche Vorraussetzungen erfüllt, und grünes Licht für weitere Produktion von Hardware, Zusammenbau, Integration und Tests gegeben. Auch kann der nächste Meilenstein angestrebt werden, sobald das CDR abgeschlossen ist: Die Zertifizierung des Produkts. Das CDR des SLS wird aufgrund der Komplexität mehrere Monate dauern, Ende Juli soll es abgeschlossen sein.

NASA/SSC
Das Ventil wird installiert.
(Bild: NASA/SSC)

An verschiedenen Orten in den Vereinigten Staaten wird unterdessen die nötige Infrastruktur geschaffen, um das SLS zu starten, zu transportieren und zu testen. So wurde auf dem Gelände des Stennis Space Centers in Mississippi ein neues großes Wasserventil installiert. Diese Installation ist Teil der Modifizierung des Hochdruck-Wassersystems des Zentrums, das für die Kühlung der Abgase der Raketentriebwerke zuständig ist. Etwa eine Million Liter Wasser wird mit einem Druck von 23 Bar während eines Triebwerkstests durch die Leitungen fließen.

Da das jetzige System aus den 1960ern stammt, wird es modernisiert und verbessert. Zu diesem Zweck wurde ein 80 Tonnen schweres, 90 cm breites und 240 cm hohes Wasserventil gefertigt, das größte Produkt, das die Herstellerfirma jemals gebaut hat. Nach der Fertigstellung wurde es per Lastwagen zum Stennis Space Center transportiert und mit einem Kran installiert. Nach der Renovierung des Wassersystems ist das Stennis Space Center bereit für Testzündungen des RS-25 Triebwerks, das später einmal in der Hauptstufe des SLS zum Einsatz kommen soll. Die nächste Testzündung eines RS-25 Triebwerks ist gegenwärtig für den 28. Mai geplant. Daneben hat die Herstellerfirma Aerojet Rocketdyne inzwischen ein 16. Triebwerk aus vorhandenen Ersatzteilen zusammengebaut, das erste neue RS-25 seit 2010.

NASA/Michoud/Steven Seipel
Pegasus während der Modifikationen.
(Bild: NASA/Michoud/Steven Seipel)

Auf dem Stennis Space Center sollen jedoch nicht nur die Triebwerke des SLS getestet werden, sondern auch die Hauptstufe selbst. Diese Tests, die auch zwei Testzündungen aller vier Haupttriebwerke beinhalten werden, sollen auf dem B-2 Teststand durchgeführt werden. Nach der Herstellung der Hauptstufe in der Michoud Assembly Facility nahe New Orleans muss der über 60 Meter lange und über acht Meter durchmessende Zylinder zunächst zum dem Testgelände gelangen. Zu diesem Zweck wird momentan der Pegasus-Leichter bei Conrad Shipyards in Morgan City, Lousiana, umgebaut.

Der Leichter diente bereits zum Transport des orangenen Außentanks des Space Shuttles, nun wird das Schiff zum Transport der SLS-Hauptstufe modifiziert. Diese Modifikationen sind fast abgeschlossen, im Sommer soll Pegasus fertiggestellt sein. Bei der Herstellung der Hauptstufe selbst gibt es jedoch ein paar Probleme, da die Führungsschiene einer Schweißmaschine um 0,02° falsch ausgerichtet war. Die Schweißmaschine wurde bereits auseinandergebaut, momentan wird das Fundament unter ihr verstärkt, was zuvor trotz Anweisung nicht durchgeführt wurde. Am 10. August soll die Firma ESAB, die die Maschine gebaut hat, die Schweißmaschine wieder an Boeing übergeben, den Hauptauftragnehmer für die Hauptstufe.

NASA/Jim Grossmann
Die erste der beiden Plattformhälften während des Transports zum KSC.
(Bild: NASA/Jim Grossmann)

Nach den Tests im Stennis Space Center wird der Pegasus-Leichter dazu verwendet, die Hauptstufe des SLS zum Kennedy Space Center (KSC) in Florida zu befördern, wo die Rakete zusammengebaut werden soll. Dieser Zusammenbau des SLS wird in dem Vehicle Assembly Building (VAB) geschehen, einem gewaltigen, würfelförmigen Gebäude. Damit die Arbeiter während des Zusammenbaus über einen Zugang zu der Rakete verfügen, werden in dem Gebäude neue Plattformen installiert. Diese Plattformen sind durch Führungsschienen dazu in der Lage, nach vorne und hinten zu fahren und sich so der Rakete zu nähern oder sich ihr zu entfernen. Für die neuen Plattformen des SLS wurden vorher zunächst die alten Plattformen aus Space Shuttle-Zeiten ausgebaut. Nun beginnt der Einbau der ersten neuen Plattformen. Insgesamt soll es zehn Stockwerke von Plattformen für das SLS geben, von denen sich jedes Stockwerk aus zwei Plattformhälften zusammensetzt (Insgesamt wird es also 20 Plattformen geben). Für das unterste Stockwerk mit der Bezeichnung K, über das sich Arbeiter dem unteren Ende der Hauptstufe und den Feststoffboostern des SLS nähern können, wurden bereits die beiden Plattformhälften per Lastwagen geliefert, weitere werden das Jahr über folgen. Auf einem Parkplatz vor dem VAB werden die Führungsschienen an den Plattformen angebracht, bevor sie in die High Bay 4 des Gebäudes befördert werden. Dort werden elektrische und mechanische Systeme und Rohre installiert. Danach wird die einzelne Plattformhälfte mithilfe einer der Kräne an den gewünschten Ort gehoben und dort angebracht. Auch die High Bay 3, in der das Stacking stattfinden soll, wird für die Montage der Plattformen vorbereitet: So werden unter anderem 20 Stops für Aufzüge und Zugangswege geschaffen.

NASA/Dimitri Gerondidakis
Der ASEU an dem simulierten Feststoffbooster in der LETF.
(Bild: NASA/Dimitri Gerondidakis)

Während des Zusammenbaus steht das SLS auf der mobilen Startplattform, dem Mobile Launcher. Dieser wurde von den gestrichenen Constellation-Programm übernommen und muss noch strukturell verstärkt und auf die neue Rakete angepasst werden. Diese strukturellen Modifikationen sind inzwischen fast abgeschlossen, als Nächstes steht die Montage neun verschiedener Arten von Hilfsstrukturen an, durch die das SLS mit der Startplattform verbunden wird. Dazu zählen die beiden Aft Skirt Electrical Umbilicals (ASEUs), durch die je einer der beiden Feststoffbooster mit Daten und elektrischem Strom versorgt werden soll. Vor der Montage wurde dieser zunächst in der Launch Equipment Test Facility (LETF) des KSC getestet. Zunächst wurden Anfang März die Systeme und Aktuatoren erprobt. Als nächstes wurde getestet, den ASEU mit dem Mobile Launcher zu verbinden. Dann wurden die Tests anspruchsvoller: Die Struktur wurde mit einer simulierten Anschlussstelle zum Feststoffbooster verbunden. So konnte eine Abtrennung des ASEUs von dem Feststoffbooster erprobt werden, wie sie bei dem Start des SLS zu erwarten ist.

Während der Testläufe wurde auch das Personal für den Betrieb des ASEUs trainiert. Auch wird der Mobile Launcher über 12 Zündkerzen für gasförmigen Wasserstoff verfügen. Diese sollen 10 Sekunden vor dem Start des SLS Funken sprühen und so gasförmigen Wasserstoff abbrennen, dessen Explosion andernfalls die Rakete beschädigen könnte. Mit Tests von diesen „Wunderkerzen“ wurde am 5. Mai im Marshall Space Flight Center in Alabama begonnen. In insgesamt neuen Testläufen werden die Zündkerzen gezündet, während durch ein Gebläse Winde simuliert werden. Die Tests werden von einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen, deren Bilder eine Analyse des Verhaltens ermöglicht.

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Das SLS während des Fluges- Illustration
(Bild: NASA)

Die weiteren Highlights der SLS-Entwicklungsarbeiten im diesem Jahr werden neben dem besagten Critical Design Review Arbeiten an der Hauptstufe des SLS Testzündungen des RS-25 Haupttriebwerks, integrierte Tests der Avioniksysteme und Vorbereitungen auf die nächste Testzündung des 5-Segmente Feststoffboosters sein.

Das Space Launch System ist der neue Schwerlastträger der NASA. Er basiert zu großen Teilen auf dem 2011 außer Dienst gestellten Space Shuttle: So werden die Hauptstufe aus dem External Tank des Shuttles, die 5-Segmente Booster aus den SRBs und die RS-25 Triebwerke aus den SSMEs entwickelt. Es wird drei Varianten des SLS geben: Die Block I Version wird lediglich eine leicht modifizierte Version der DCSS (Delta Cyrogenic Second Stage) als Oberstufe haben. Mit ihr soll der Erstflug EM-1 erfolgen. Block IB wird über die wesentlich stärkere EUS (Exploration Upper Stage)-Oberstufe verfügen. Bei Block II handelt es sich um die stärkste Variante des SLS, seine Oberstufe wird ebenfalls die EUS sein; die Feststoffbooster werden durch verbesserte Booster ersetzt, ihr Konzept ist jedoch noch nicht festgelegt, obwohl bereits verschiedene Vorschläge zu neuen Flüssig- oder Feststoffboostern existieren. Der Erstflug des SLS ist nicht später als im November 2018 mit der Mission EM-1 (Exploration Mission 1) geplant, bei der das neue NASA-Raumschiff Orion noch unbemannt zum Mond fliegen wird. Weitere SLS-Missionen sollen bemannte Marsflüge in den 2030ern vorbereiten, jedoch hat der US-Kongress immer noch keine dieser Missionen bewilligt, obwohl er als Unterstützer des SLS gilt.

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