Bereits seit mehreren Jahrzehnten wird vermutet, dass die Region Valles Marineris auf dem Mars einstmals vulkanisch aktiv gewesen sein könnte. Im Rahmen einer neuen Studie hat sich dieser Verdacht erhärtet.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2014.
Mit einem Durchmesser von 6.792 Kilometern ist der Mars nur etwa halb so groß wie unser Heimatplanet. Trotzdem kann der äußere Nachbarplanet der Erde mit einigen landschaftlichen Superlativen aufwarten, welche in unserem Sonnensystem ihresgleichen suchen. Das auf der südlichen Marshemisphäre gelegene Hellas-Impaktbecken verfügt über einen Durchmesser von etwa 1.600 x 2.200 Kilometern und ereicht eine Tiefe von bis zu neun Kilometern. Nach dem Südpol-Aitken-Becken auf dem irdischen Mond handelt es sich hierbei nach dem bisherigen Wissensstand um das zweitgrößte Einschlagbecken in unserem Sonnensystem.
Mit einer Gipfelhöhe von über 22 Kilometern und einem Basisdurchmesser von rund 550 Kilometern ist der Olympus Mons der höchste Vulkan im derzeit bekannten Sonnensystem. Auch die benachbarten Schildvulkane Arsia Mons, Pavonis Mons und Ascraeus Mons sind mit Höhen von 13, 12 und 18 Kilometern deutlich höher als der höchste Berg der Erde – der 8.848 Meter hohe Mount Everest.
Als besonders spektakulär präsentiert sich dem irdischen Betrachter jedoch das imposante Talsystem der Valles Marineris. Dieses bis zu 11 Kilometer tiefe System aus diversen, teilweise parallel zueinander verlaufenden und zugleich miteinander verbundenen Tälern erstreckt sich über eine Länge von fast 4.000 Kilometern entlang des Marsäquators und erreicht dabei eine Breite von stellenweise deutlich mehr als 200 Kilometern. Mit diesen Abmessungen handelt es sich bei den Valles Marineris um das mit Abstand größte bekannte Grabenbruchsystem innerhalb unseres Sonnensystems.
Früherer Vulkanismus in den Valles Marineris?
Die Möglichkeit, dass im Gebiet der Valles Marineris einstmals ein aktiver Vulkanismus aufgetreten sein könnte, wurde von Planetologen erstmals in den späten 1970er Jahren diskutiert. Der Grund hierfür waren verschiedene Aufnahmen der beiden Marsorbiter Viking 1 und Viking 2, auf denen Formationen zu erkennen waren deren Aussehen auf einen vulkanischen Ursprung hindeutete. Analysen von weiteren Aufnahmen, welche in den folgenden Jahren mit moderneren und höher auflösenden Kamerasystemen angefertigt wurden, führten jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen potentiellen Vulkanen in Wirklichkeit um andere Strukuren wie zum Beispiel um komplex gestaltete Sanddünen handelt.
Allerdings wurden auf diesen neueren Aufnahmen, welche erst in den letzten Jahren durch verschiedene Kamerasysteme an Bord der Marsorbiter Mars Reconnaissance Orbiter und Mars Express angefertigt wurden, andere Oberflächenformationen entdeckt, welche ebenfalls auf einen früheren Vulkanismus hindeuten. Bei diesen Formationen handelt es sich um eine Vielzahl von Hügeln, die Basisdurchmesser von mehreren 100 Metern bis hin zu mehr als einen Kilometer erreichen. Das äußere Erscheinungsbild, welches den Hügeln eine konische Form verleiht, die dabei auftretenden spezifischen Neigungswinkel ihrer Flanken und die grubenartigen Vertiefungen auf ihren Gipfeln legen dabei den Schluss nahe, dass es sich hierbei um Schlackenkegel handeln könnte.
Diese Formationen, welche auch an anderen Stellen des Mars – zum Beispiel im Bereich der Ulysses Colles – zu finden sind, sind im Bereich des Valles Marineris besonders in zwei Regionen, nämlich an dessen nordöstlichen Ende im Bereich des ‚Mündungsgebietes‘ in das angrenzende Chryse Planitia und in einem Teilabschnitt namens Coprates Chasma, konzentriert. Im Rahmen einer kürzlich durchgeführten Studie wurden die im Coprates Chasma gelegenen Strukturen einer eingehenderen Untersuchung unterzogen.
Die Schlackenkegel im Coprates Chasma
Bei dem Coprates Chasma handelt es sich um einen etwa 1.000 Kilometer langen, im zentralen Bereich der Valles Marineris gelegenen ‚Hauptgraben‘ dieses Talsystems. Der Boden des Coprates Chasma liegt etwa acht Kilometer unterhalb des Plateaus, in das es eingeschnitten ist und erscheint in seinem Zentralbereich stellenweise auffallend flach.
Für ihre Untersuchungen konzentrierten sich die beteiligten Wissenschaftler auf ein 155 x 35 Kilometer großes Gebiet, in dem sich mehr als 100 dieser Hügel befinden. Neben den hochaufgelösten Aufnahmen der Marsorbiter, welche teilweise über Auflösungen von einem Meter pro Pixel verfügen, griffen die Planetologen auch auf digitale Höhenmodelle der Region und auf Anaglyphenbilder zurück, die einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermitteln.
Die Kegel, so die Ergebnisse, sind wahllos über die gesamte untersuchte Region verteilt, wobei sich jedoch in einigen Bereichen auch bis zu zehn Kegel auf engstem Gebiet zu Clustern konzentrieren. Einige Kegel liegen so eng beieinander, dass sie sich teilweise überlagern. Die Hügel, deren Flanken Neigungswinkel von bis zu 22 Grad aufweisen, verfügen über Durchmesser zwischen 500 Metern und 2,2 Kilometern. An den Außenrändern ist eine Terrassenbildung zu erkennen. Die meisten dieser Formationen verfügen in ihren Gipfelbereichen zudem über kraterähnliche Vertiefungen, welche wiederum Durchmesser von 150 bis hin zu 800 Metern aufweisen.
Ein Vergleich des Verhältnisses zwischen dem Basisdurchmesser der Hügel und dem Durchmesser der kraterähnlichen Vertiefungen mit den entsprechenden Werten von Schlackenkegeln auf der Erde und weiteren vergleichbaren Formationen auf dem Mars, welche ebenfalls als Schlackenkegel interpretiert werden, führte zu dem Schluss, dass es sich bei den im Coprates Chasma befindlichen Strukturen aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls um Schlackenkegel handelt.
Dieses Ergebnis, welches in Einklang mit verschiedenen von anderen Forschergruppen durchgeführten Studien steht und diese bestärkt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass im Bereich der Valles Marineris in der Vergangenheit eine vulkanische Aktivität vorherrschte.
Der Mangel an Einschlagskratern in der gesamten Region sowie die immer noch gut erhaltenen und kaum durch erosive Prozesse veränderten Flanken der Schlackenkegel werden zudem als Indiz dafür gedeutet, dass diese Formationen erst vor wenigen hundert Millionen Jahren entstanden sein können.
Allerdings, so die an der Studie beteiligten Wissenschaftler weiter, müssen die Ergebnisse dieser Arbeit noch durch nachfolgende Untersuchungen und Analysen überprüft werden. Derartige Arbeiten könnten sowohl das Verständnis über die Entstehung von Schlackenkegeln auf dem Mars und auf der Erde erweitern als auch zu neuen Erkenntnissen über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Grabenbruchsystems der Valles Marineris führen.
Sollte das Ergebnis jedoch bestätigt werden, so könnte es sich bei dem untersuchten Schlackenkegel-Feld um die größte Ansammlung derartiger Formationen handeln, welche bisher auf dem Mars entdeckt wurde.
Die hier lediglich kurz angerissenen Forschungsergebnisse wurden am gestrigen Tag auf dem European Planetary Science Congress, einer gegenwärtig in der Nähe von Lissabon stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.
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