Kometensonde Rosetta: Vier Monate bis zum Erwachen

Am 20. Januar 2014 wird die Raumsonde Rosetta ihren derzeitigen Tiefschlaf beenden und mit der Erforschung des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko beginnen. Über die zu erwartenden Resultate wurde heute auf dem diesjährigen European Planetary Science Congress berichtet.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2013, DLR, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Vertont von Peter Rittinger.

ESA
Eine künstlerische Darstellung der Kometensonde Rosetta.
(Bild: ESA)

Am 2. März 2004 begann die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Kometensonde Rosetta nach zwei Startverschiebungen ihre rund 10 Jahre dauernde Reise zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Das Hauptziel der Mission, so die beteiligten Wissenschaftler, besteht darin, ein noch besseres Verständnis über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems zu erlangen.

Die zu ermittelnden chemischen und physikalischen Eigenschaften von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko werden den Planetologen dabei wichtige Hinweise auf die Zusammensetzung des prä-solaren Nebels liefern, aus dem sich vor rund 4,55 Milliarden Jahren unser Sonnensystem entwickelt hat. Außerdem sollen Daten darüber gesammelt werden, wie sich die Aktivität eines Kometen beim Erreichen des inneren Sonnesystems verändert.

Während des Fluges zu dem Zielkometen hat die Raumsonde Rosetta dreimal die Erde und einmal den Mars passiert und dabei im Rahmen dieser Swing-by-Manöver Schwung für die weitere Reise genommen. Außerdem wurden bei zwei nahen Vorbeiflügen, welche am 5. September 2008 und am 10. Juli 2010 erfolgten, die beiden Asteroiden (2867) Steins und (21) Lutetia mit verschiedenen Instrumenten näher untersucht. Am 8. Juni 20011 wurde die Raumsonde schließlich in einen rund 31 Monate andauernden, energiesparenden Tiefschlafmodus versetzt, welcher noch bis zum 20. Januar 2014 anhalten wird (Raumfahrer.net berichtete).

Wikipedia, Philipp Salzgeber
Auf ihrem Weg durch das innere Sonnensystem entwickeln Kometen eine Koma und einen Schweif. Die Untersuchung der Prozesse, welche hierfür verantwortlich sind, sind eine der Hauptaufgaben der Mission Rosetta. Bei dem hier gezeigten Kometen handelt es sich um den kurzperiodischen Kometen 153P/Ikeya-Zhang, aufgenommen im Jahr 2002 durch Philipp Salzgeber.
(Bild: Wikipedia, Philipp Salzgeber)

Nach dem „Aufwachen“ aus dem Tiefschlafmodus wird sich Rosetta dem Kometen weiter langsam annähern und damit beginnen, ihr Ziel mit den 11 Instrumenten, welche sich an Bord der Raumsonde befinden, eingehend untersuchen. Im August 2014 wird Rosetta schließlich ihr Ziel erreichen. In den folgenden Monaten soll neben weiteren Analysen eine globale Kartierung der Kometenoberfläche erfolgen.

Die dabei zu gewinnenden Daten sollen unter anderem dazu verwendet werden, um ein Landegebiet für den von Rosetta mitgeführten Kometenlander Philae zu bestimmen. Dieser etwa 100 Kilogramm schwere Lander soll am 11. November 2014 voraussichtlich im Bereich der südlichen Hemisphäre auf dem Kometen aufsetzen (Raumfahrer.net berichtete) und das Landegebiet anschließend über einen Zeitraum von mindesten 60 Stunden mit insgesamt 10 Instrumenten noch eingehender erforschen.

Erforschung der zunehmenden Kometenaktivität
Im Rahmen der Untersuchungen soll Rosetta 67P/Tschurjumow-Gerasimenko auf dessen Weg in das innere Sonnensystem begleiten und dabei bis mindestens zum Dezember 2015 weitere Daten sammeln, mit denen unter anderem die zunehmende Aktivität und die dadurch bedingte Entwicklung der Koma und des Schweifes dieses Kometen dokumentiert werden sollen.

Den Großteil ihrer Existenz fristen Kometen fernab der Sonne als kalte, nahezu unveränderliche Brocken aus Eis, Staub und gefrorenen Gasen. Erst wenn sich ein Komet der Sonne nähert, setzt eine Verwandlung ein. Aufgrund der steigenden Temperaturen verdampfen die leichtflüchtigen Bestandteile des Kometenkerns und reißen dabei regelrechte Fontänen aus Staub mit sich. Diese Teilchen formen zunächst eine sogenannte Koma, welche den Kometenkern vollständig einhüllt. Aus dieser Kometenkoma entwickelt sich aufgrund des von der Sonne ausgehenden Strahlungsdrucks anschließend auch ein „Schweif“, welcher den Kometen ihr charakteristisches Aussehen verleiht.

Allerdings sind die dabei ablaufenden Prozesse längst noch nicht bis ins letzte Detail verstanden. Welche Faktoren setzen dieses Ausstoß von Gas und Staub in Gang? Wie entwickelt sich die Aktivität? Und welche Prozesse auf der Oberfläche und im Kern des Kometen spielen dabei welche Rolle? Die Rosetta-Mission bietet den Planetenforschern die bisher einzigartige Möglichkeit, alle Phasen der einsetzenden Kometenaktivität aus der unmittelbaren Nähe zu beobachten.
Was erwartet Rosetta?

ESA 2011, MPS for OSIRIS-Team, MPS, UPD, LAM, IAA, RSSD, INTA, UPM, DASP, IDA
Aus einer Entfernung von rund 163 Millionen Kilometern konnte Rosetta bereits im Jahr 2011 ihr eigentliches Ziel erblicken. Links: In diesem Ausschnitt des Sternenhimmels, welcher mit der Weitwinkel-Kamera des OSIRIS-Kamerasystems aufgenommen wurde, befindet sich der Komet 67P/ Tschurjumow-Gerasimenko. Mitte: Die Tele-Kamera des Kamerasystems ermöglicht einen genaueren Blick. Rechts: Nach ausgefeilter Bildbearbeitung wird der Komet sichtbar. Um den Kometen sichtbar zu machen, war eine Gesamtbelichtungszeit von 13 Stunden erforderlich. „Wir haben mit OSIRIS insgesamt 52 Bilder aufgenommen und jedes Bild 15 Minuten lang belichtet“, so Dr. Colin Snodgrass vom MPS. Da sich der Komet innerhalb dieses Zeitraums von mehreren Stunden relativ zum Fixstern-Hintergrund ein wenig weiterbewegt hat, erscheint er auf den übereinander gelegten Bildern etwas unscharf.
(Bild: ESA 2011, MPS for OSIRIS-Team, MPS, UPD, LAM, IAA, RSSD, INTA, UPM, DASP, IDA)

Obwohl sich Rosetta während der letzen zwei Jahre in einem Tiefschlafmodus befunden hat, waren die an der Mission beteiligten Wissenschaftler in der Zwischenzeit nicht untätig. Vielmehr wurden verschiedene Studien durchgeführt, welche sich unter anderem mit den physikalischen Parametern des Kometen, den vermutlichen Oberflächeneigenschaften, der zu erwartenden Ausgasungsrate, der Staubentwicklung in der sich bildenden Koma sowie den Eigenschaften dieses Staubes auseinandersetzen, die durch die verschiedenen Instrumente des Orbiters und des Landers ermittelt werden können. Einige dieser Arbeiten wurden am heutigen Tag auf dem European Planetary Science Congress 2013, einer gegenwärtig in London stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

„Auf diesem Meeting haben wir alles mögliche diskutiert“, so Matt Taylor, der für diese Mission verantwortliche Projektwissenschaftler der ESA. „Von der Beschaffenheit der den Kometenkern bedeckenden Oberfläche über die zu erwartende Staubproduktionsrate bis hin zu der Größe und Geschwindigkeit dieser Teilchen und deren Interaktion mit dem Magnetfeld der Sonne… Es gibt eine Menge Dinge, die wir wissen und verstehen müssen.“

Weitere Studien beschäftigten sich mit der zu erwartenden Aktivität des Kometen, welche sich auf dessen Weg in das innere Sonnensystem verändern wird und mit eventuell damit verbundenen Veränderungen in der Roationsgeschwindigkeit oder der Ausrichtung der Rotationsachse. Außerdem wurde diskutiert, inwieweit die sich verändernde Oberflächentemperatur des Kometenkerns dessen Ausgasungsrate beeinflusst.

Der Komet wird früher aktiv als ursprünglich erwartet

MPS
Während seines Umlaufs um die Sonne durchläuft 67P/Tschurjumow-Gerasimenko verschiedene Aktivitätsphasen. Bereits in einer Entfernung von 3,4 Astronomischen Einheiten (AE) zur Sonne lässt sich ein deutlicher Helligkeitsanstieg beobachten. Kurz bevor der Komet die Umlaufbahn des Mars kreuzt hat sich ein charakteristischer Kometenschweif ausgebildet. Beim Wegflug von der Sonne ist Tschurjumow-Gerasimenko noch immer sehr aktiv und zeigt ebenfalls einen deutlichen Staubschweif. Dieser ist auch in einer Entfernung von 4,9 Astronomischen Einheiten zur Sonne immer noch schwach erkennbar.
(Bild: MPS)

Neue Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass 67P/Tschurjumow-Gerasimenko bereits im März 2014 – und somit deutlich früher als ursprünglich angenommen – damit beginnen wird, eine Koma auszubilden. Die Wissenschaftler stützen ihre Vorhersagen auf insgesamt 31 Datensätze, welche von verschiedenen Forschungsgruppen im Zeitraum zwischen 1995 und 2010 mit verschiedenen Teleskopen gewonnen wurden. Die Aufnahmen zeigen den Kometen an verschiedenen Stellen seiner Umlaufbahn um die Sonne und somit in verschiedenen Phasen seiner Aktivität.

„Es ist uns gelungen, Daten aus dem kompletten Aktivitätszyklus von Tschurjumow-Gerasimenko mit ein und derselbe Methode auszuwerten und somit vergleichbar zu machen“, so Dr. Colin Snodgrass vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau (MPS). „Wir erhalten dadurch erstmals ein umfassendes Bild, wie sich die Aktivität des Kometen auf seinem Weg um die Sonne entwickelt“, ergänzt seine Kollegin Dr. Cecilia Tubiana. Einen besonders genauen Blick richteten die Wissenschaftler dabei auf die vorherige Anflugphase dieses Kometen auf die Sonne, welche in den Jahren 2007 und 2008 erfolgte – für einen kompletten Umlauf um die Sonne benötigt dieser Komet sechs Jahre und 203 Tage.

Als die ESA den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko zum Ziel der Rosetta-Mission erklärte, hatte dies eine Vielzahl von Beobachtungskampagnen zur Folge. „Allerdings haben die meisten der Daten aus dem Jahr 2007, als der Komet noch weit weg von der Sonne war, einen entscheidenden Schwachpunkt“, so Cecilia Tubiana. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Komet von der Erde aus betrachtet vor dem Hintergrund des Galaktischen Zentrums – dem Massenzentrum unserer Milchstraße. Deshalb hob sich der zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise lichtschwache Komet kaum von den unzähligen in dieser Himmelsregion befindlichen Hintergrundsternen ab.
In ihrer neuen Studie konnten die Forscher nun viele der Aufnahmen, welche bisher unbrauchbar waren, trotzdem auswerten. Der Schlüssel hierfür war eine spezielle Methode der Bildauswertung. Dabei werden Aufnahmen, welche in kurzen Zeitabständen angefertigt wurden, voneinander abgezogen. Auf diese Weise „verschwindet“ der unübersichtliche Sternenhintergrund und nur Objekte, welche in diesem Zeitraum ihre Position verändert haben, kommen zum Vorschein. Hierdurch lässt sich die sich stetig verändernde Helligkeit des Kometen genau bestimmen. Aus dem gesamten Helligkeitsverlauf während eines Sonnenumlaufs lässt sich so rekonstruieren, wie aktiv der Komet zu welchem Zeitpunkt war.

ESA
Eine künstlerische Darstellung des Kometenlanders Philae.
(Bild: ESA)

Die aufwändigen Berechnungen lieferten unerwartete Resultate. Zur Überraschung der beteiligten Wissenschaftler zeigte 67P/Tschurjumow-Gerasimenko im Jahr 2007 bereits in einem Abstand von 4,3 Astronomischen Einheiten zur Sonne, dies entspricht einer Entfernung von etwa 643 Millionen Kilometern, einen deutlichen Helligkeitsanstieg. Bis dahin galt als Faustformel, dass Kometen erst ab einem Abstand von etwa drei Astronomischen Einheiten (etwa 450 Millionen Kilometern) damit beginnen, Gas und Staub in deutlich erkennbaren Mengen freizusetzen, denn erst in dieser Entfernung erwärmt die Sonne die Kometenoberfläche so stark, dass zum Beispiel dort befindliches gefrorenes Wasser in den gasförmigen Zustand übergeht. Sehr wahrscheinlich, so die beteiligten Forscher, ist für das „verfrühte“ Einsetzen der Aktivität somit ein anderes Gas verantwortlich.

„Da sich Tschurjumow-Gerasimenko von Umlauf zu Umlauf recht ähnlich verhält, können wir die Ereignisse im nächsten Jahr gut vorhersagen“, so Dr. Hermann Böhnhardt vom MPS, welcher ebenfalls an dieser Studie beteiligt war. Derzeit wird davon ausgegangen, dass 67P/Tschurjumow-Gerasimenko nach dem im März 2014 erfolgenden „Auftakt“ den Höhepunkt seiner Aktivität etwa zur Mitte des Jahres 2015 erreicht – etwa einen Monat nachdem er in seinem geringsten Abstand an der Sonne vorbeigeflogen ist.

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