Marsrover Curiosity: Bereit für die erste Bohrung

Am gestrigen Dienstag gab die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA bekannt, dass der erste Einsatz eines Gesteinsbohrers, bei dem es sich um einen Bestandteil der Ausrüstung des Marsrovers Curiosity handelt, unmittelbar bevor steht. Zudem zeigten die bisherigen Analysen des Rovers eine bemerkenswerte geologische Diversität des umgebenden Geländes.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Die Umgebung der Gesteinsformation „John Klein“ zeigt eine bemerkenswerte geologische Vielfalt auf.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Bereits seit Anfang Dezember 2012 befindet sich der von US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsrover Curiosity in der Region „Yellowknife Bay“. Speziell der nordwestliche Bereich dieser seichten Vertiefung innerhalb des Gale-Kraters, des Operationsgebietes des Rovers, wurde seitdem ausführlich mit den diversen wissenschaftlichen Instrumenten des Rovers untersucht (Raumfahrer.net berichtete mehrfach).

Am gestrigen Dienstag gab die NASA im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt, dass hier auch erstmals Curiositys Gesteinsbohrer zum Einsatz kommen soll. Dieses „Powder Acquisition Drill System“ (kurz „PADS“) kann mittels eines Schlagbohrmechanismus 1,6 Zentimeter durchmessende und bis zu fünf Zentimeter tiefe Löcher in die Marsoberfläche oder in die dort befindlichen Gesteine bohren. Das im Rahmen eines solchen Bohrvorganges pulverisierte Marsgestein kann anschließend durch die verschiedenen Analyseinstrumente des Rovers eingehend untersucht werden.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Die Region „John Klein“, aufgenommen am 10. Januar 2013 von der Mastkamera des Rovers aus einer Entfernung von etwa fünf Metern. Die Box „A“ zeigt in dieser Falschfarbenaufnahme Venen, welche sich über die Oberfläche erheben. Einige der Venen verfügen über zwei Außenseiten und einen erodierten Innenraum. Die Box „B“ zeigt Merkmale einer horizontalen Unterbrechung (Diskontinuität) des Gesteins wenige Zentimeter unterhalb der Oberfläche. Diese Unterbrechung kann ein Bruch oder möglicherweise eine horizontale Vene darstellen. Die Box „C“ zeigt ein Loch im Untergrund, welches möglicherweise durch einen Bruch entstanden ist. Durch den Riss gelangte Sand in den Untergrund. Das angepeilte Gebiet für die erste Bohrung befindet sich links von der Box „A“.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

„Das Anbohren eines Felsens und die anschließende Entnahme einer Bodenprobe stellt die bisher größte technische Herausforderung seit unserer Landung dar. Ein solcher Vorgang wurde noch nie zuvor auf dem Mars durchgeführt“, so Richard Cook vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, der Projektmanager der Curiosity-Mission. „Die Hardware des Bohrers wird dabei energetisch mit dem Marsgestein interagieren, wobei wir keinerlei Kontrolle über diesen Vorgang haben. Es würde uns nicht überraschen, wenn bei dieser ersten Bohrung einige Schritte nicht ganz so ablaufen, wie wir uns das eigentlich ursprünglich gedacht haben.“
Für diese erste Bohrung wurde eine nur rund fünf Meter vom aktuellen Standort des Rovers entfernt gelegene Gesteinsplatte aus frei zutage liegenden Grundgestein ausgewählt, welche zu Ehren des im Jahr 2011 verstorbenen stellvertretenden Projektmanagers der Mars Science Laboratory-Mission, so die frühere Bezeichnung des Rovers, mit dem Namen „John Klein“ belegt wurde.

In den nächsten Tagen soll der Rover zu dieser Formation dirigiert werden und diese zunächst eingehender mit den verschiedenen Kamerasystemen abbilden. Zudem sind nähere Untersuchungen mit dem APX-Spektrometer, der Mikroskopkamera MAHLI und der ChemCam vorgesehen. Sofern die an der Mission beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure keine Einwände vorbringen soll in diesem Bereich dann innerhalb der kommenden zwei Wochen erstmals der Bohrer aktiviert werden.

Die Gesteinsformation „John Klein“ befindet sich in einem Bereich, in dem mithilfe der verschiedenen Kamerasysteme des Rovers in den letzten Tagen und Wochen unerwartete geologische und mineralogische Strukturen wie feine „Venen“ aus einem auffallend hellen Material, in Sandstein eingebettete Steine und Sandkörner, schräg geschichtete Gesteinsablagerungen und eventuell sogar Hohlräume im Untergrund entdeckt wurden.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, CAB( CSIC-INTA), FMI
Mit dem Überschreiten der „Grenze“ zur Yellowknife Bay am Missionstag Sol 121 (8. Dezember 2012) konnte der Rover eine damit einhergehende deutliche Veränderung in der Bodentemperatur registrieren.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, CAB( CSIC-INTA), FMI)

Die Region „Yellowknife Bay“ wurde bereits kurz nach der Landung Curiositys als erstes anzusteuerndes Forschungsgebiet ausgewählt. Der Grund hierfür war, dass laut den Daten der verschiedenen Marsorbiter in diesem Bereich der Marsoberfläche drei verschiedene Geländetypen aufeinandertreffen, welche sich vermutlich zu unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen Umweltbedingungen herausbildeten.

Diese in diesem Bereich der Marsoberfläche gegebene Divergenz macht sich auch in den Temperaturdaten bemerkbar, welche regelmäßig durch die Wetterstation REMS gesammelt werden. Die in den letzten Wochen gemessenen Veränderungen der Oberflächentemperatur sind nicht durch zeitweise auftretende Wetterveränderungen bedingt, sondern deuten vielmehr auf eine deutlich veränderte Zusammensetzung der Oberfläche hin.

„Wir wurden durch die aus dem Orbit gewonnenen Daten hierher geführt“, so John Grotzinger, der Projektwissenschaftler der Curiosity-Mission vom California Institute of Technology (CIT). „Was wir dann jedoch bei unserer Ankunft vorfanden, war eine ziemlich große Überraschung für uns. Dieses Areal weist zwar ebenfalls Anzeichen für eine ehemals feuchte Vergangenheit auf, unterscheidet sich dabei jedoch deutlich von dem [etwa 500 Meter westlich gelegenen] Flussbett, in dem wir ursprünglich gelandet sind. Eventuell existieren hier sogar verschiedene Geländeformen, welche durch einstmals feuchte Umweltbedingungen zu erklären sind.“

NASA, JPL-Caltech, LANL, CNES, IRAP, LPG Nantes, CNRS
Die chemische Zusammensetzung der Venen wurde durch die ChemCam des Rovers ermittelt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, LANL, CNES, IRAP, LPG Nantes, CNRS)

Hinweise hierauf konnte unter anderem die ChemCam liefern, welche in verschiedenen untersuchten Bodenproben erhöhte Werte von Kalzium, Schwefel und Wasserstoff nachweisen konnte. Bei den entdeckten Venen könnte es sich demzufolge um in Basanit-Gestein eingebettete Konzentrationen von hydratisiertem Calciumsulfat– auch als „Gips“ bekannt – handeln.

„Bei uns auf der Erde ist für die Entstehung solcher Venen Wasser notwendig, welches in Gesteinsspalten zirkuliert“, so der dem ChemCam-Team angehörende Wissenschaftler Nicolas Mangold von dem in Nantes/Frankreich ansässigen Laboratoire de Planetologie et Geodynamique.

Die des Weiteren in diesem Bereich beobachtete rundlichen Konkretionen wurden vermutlich ebenfalls unter dem Einfluss von Wasser gebildet, welches anschließend im Rahmen weiterer Prozesse durch Poren im Sedimentgestein in den Untergrund sickerte. Beides sind deutliche Hinweise darauf, dass das Oberflächengestein in diesem Bereich der Marsoberfläche einstmals einer reichlichen Einwirkung durch flüssiges Wasser unterlegen sein muss. Eine erste Analyse der Sedimentgesteine ergab, dass sich diese aus Sandstein und aus Siltstein zusammensetzen. Die darin enthaltenen Körner unterscheiden sich in ihrer Größe und Struktur deutlich von den Kiesablagerungen, welche während des letzten Jahres im Landebereich des Rovers aufgefunden wurden.

„All diese unterschiedlichen Sedimentgesteine zeigen uns, dass hier einstmals Bedingungen vorherrschten, unter denen sich Material aktiv auf der Marsoberfläche ablagern konnte“; so Aileen Yingst vom Planetary Science Institute in Tucson/Arizona, eine der Mitarbeiterinnen des MAHLI-Instruments des Rovers. „Die dabei zu beobachtenden unterschiedlichen Korngrößen sind Hinweise auf die unterschiedlichen Transportbedingungen bei denen dies geschah.“

Durch die erste Bohrung und die daraus resultierenden Untersuchungen der dabei zu gewinnenden Proben erhoffen sich die Marsforscher weitere Erkenntnisse über die einstmals vorherrschenden Bedingungen, unter denen diese Ablagerungen entstanden.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Diese Aufnahme von Konkretionen wurde am 25. Dezember 2012 mit der MastCam angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Weitere Wochen der Forschung „Vor Ort“

Die damit verbundenen Arbeiten werden sich allerdings als relativ zeitaufwändig gestalten und zudem in mehreren Schritten erfolgen. Die ersten Bohrungen sollen dabei durchgeführt werden, um das Bohrgehäuse und die Verbindungsgänge zwischen dem Bohrer und den Analyseinstrumenten von eventuellen von der Erde mitgeführten Kontaminationen zu reinigen.

In einem nächsten Schritt sollen weitere Bohrungen durchgeführt werden, wobei das dabei gewonnene Material schließlich dem im Inneren des Rovers befindlichen CheMin-Spektrometer zugeführt werden soll. Durch die dortige Analyse der zuvor durch die Bohrungen zu feinem Staub zermahlenen Gesteinsproben soll deren mineralogische Zusammensetzung entschlüsselt werden. Weitere Analysen durch das SAM-Instrument sollen schließlich auch die chemische Zusammensetzung des angebohrten Gesteins offen legen.

Diese Vorgehensweise wird aller Wahrscheinlichkeit einen Zeitraum von nochmals mehreren Wochen benötigen. Im Anschluss an die Durchführung der ersten Bohrungen auf dem Mars werden vermutlich noch verschiedene „Nachfolgeuntersuchungen“ durchgeführt, um die gewonnenen Ergebnisse in einen entsprechenden Kontext zu versetzen. Erst danach wird der Marsrover Curiosity seine Erforschung der Region „Yellowknife Bay“ beenden und seine Fahrt zu dem im Zentrum des Gale Kraters gelegenen Zentralberges Aeolis Mons beginnen. Aufgrund der somit wohl frühestens im März 2013 beginnenden Weiterfahrt könnte sich die Ankunft am Fuß des Zentralberges bis zum Ende dieses Jahres verschieben.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Der innere Rand der „Yellowknife Bay“. In dem vergrößerten Ausschnitt (rechtes Bild) sind Konkretionen (schwarze Pfeile) und Venen (helle Pfeile) erkennbar. Beide deuten auf eine frühere Interaktion der hiesigen Oberfläche mit Wasser hin.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Laut John Grotzinger stellt diese in den letzten Wochen entstandene Verzögerung – nach den ursprünglichen Plänen sollte die Erforschung von Yellowknife Bay eigentlich bereits Ende Dezember 2012 abgeschlossen sein – jedoch kein Problem. Die primäre Aufgabe des Rovers besteht nun einmal darin, die Bedingungen auf dem Mars möglichst genau zu analysieren, und nicht etwa darin, neue Geschwindigkeits- oder Entfernungsrekorde aufzustellen.

Aufgrund der dort beobachteten interessanten Geologie gestaltet sich der der derzeitige Standort des Rovers dabei für die an der Mission beteiligten Wissenschaftler als ein überaus interessantes Studienobjekt. Aufgrund der permanent durch aktuelle Forschungs- und Beobachtungsergebnisse geleiteten weiteren Vorgehensweisen ist es zudem relativ schwierig, einen festen Zeitplan für die zukünftigen Aktivitäten beziehungsweise für die zu bestimmten Zeitpunkten zu erreichenden Standorte zu erstellen.

Der sich aktuell ergebende Aufenthalt am jetzigen Standort soll unter anderem auch dazu genutzt werden, um Curiosity ein Update für seine derzeit verwendete „Flight Software“ zu übermitteln. Nach dem Überspielen dieses Updates, so die Erwartungen der an der Mission beteiligten Ingenieure, wird der Rover über noch größere Kapazitäten als bisher verfügen, um eigenständig Forschungsziele auf dem Mars auszuwählen und diese mit seinen Kamerasystemen abzubilden. Das entsprechende Update soll laut Richard Cook in etwa vier Wochen übermittelt werden.

Bis zum heutigen Tag, dem „Sol“ 159 der Mission, hat der Marsrover Curiosity eine Distanz von etwa 705 Metern auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurückgelegt. In diesem Zeitraum haben die Kamerasysteme des Rovers mittlerweile über 37.700 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) übermittelt. Diese Aufnahmen sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.

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