Frozen Reality

Vier Studenten haben ein Experiment bei einem Parabelflug durchgeführt.

Ein Beitrag von dominikheidler. Quelle: Frozen-Reality.

Das Experiment
Die Studenten Florian Maier, Benjamin Holfeld, Mirko Izzo und Salvatore Dinardo bauten eine Vorrichtung, mit deren Hilfe man Momentaufnahmen und 3D-Bilder von Projektilen erstellen kann.

Florian Maier
Die Apparatur
(Bild: Florian Maier)

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was das mit Raumfahrt zu tun hat – ganz einfach: Die Experimente zeigen z.B. die Ausmaße eines Stücks Weltraumschrott, das in ein Solarpaneel der ISS fliegt. Um alles wahrheitsgetreu nachzustellen, wird aber Schwerelosigkeit benötigt! Eine Möglichkeit, künstlich Schwerelosigkeit zu erzeugen, ist ein Parabelflug.

Der Parabelflug
Ein Parabelflug funktioniert so:

Das Flugzeug (umgebauter Airbus A300) fliegt in einem Winkel von ca. 54° nach oben. Die Triebwerke werden gedrosselt, sodass das Flugzeug eine Wurfparabel beschreibt. In dieser Zeit (ca. 20 Sekunden) werden die Experimente durchgeführt. Das Flugzeug wird wieder abgefangen und setzt zur nächsten Parabel an. Da bei eines solchen Flügen der Gleichgewichtssinn und die Augen Informationen an das Gehirn senden, die nicht zusammenpassen, reagieren manche Menschen mit Übelkeit, weshalb vor dem Flug Medikamente dagegen verabreicht werden.

NASA
Bild von einem Parabelflug
(Bild: NASA)

Die ESA führt Parabelflüge mit einem umgebauten Airbus A300 durch, aber sogar mit kleinen Sportflugzeugen sind Parabelflüge möglich – allerdings nur für wenige Sekunden. Parabelflüge werden nicht nur zu experimentellen Zwecken durchgeführt – sie dienen auch dazu, Astronauten an die Schwerelosigkeit zu gewöhnen und werden oft benutzt, um Filme wie z.B. Apollo 13 zu drehen. Am ersten Flugtag wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgezeichnet, die 1.000 Bilder pro Sekunde erstellte. Am zweiten Tag kam dann das Frozen Reality-Verfahren zum Einsatz, bei dem die Experimente von einer Kurve aus zehn Digitalkameras gefilmt wurde. Aus diesen Aufnahmen wurden dann die 3D-Bilder erstellt.
Zum Schluss noch ein Interview mit Florian Maier

Wie sind Sie darauf gekommen, das Experiment zu machen?

Auf einem Jungforscherkongress unseres Vereins juFORUM e.V. (ich war dort 2 Jahre aktiv tätig) fragte man uns von Seiten der ESA, ob wir Interesse hätten, eigene Experimente in Schwerelosigkeit bei einem Ariane-5-Testflug mitfliegen zu lassen. Das war natürlich ein Angebot, was man nicht alle Tage bekommt. Wir haben uns überlegt, was man denn in der Schwerelosigkeit alles experimentieren kann und nachdem mein Teamkollege Benjamin Holfeld Physik und ich Medientechnologie studieren, sind wir darauf gekommen, physikalische Experimente mit meinem 1999 entwickelten Visualisierungs-Verfahren „Frozen Reality“ (www.frozen-reality.de) aufzunehmen – und zwar einmal in Schwerkraft und im Vergleich dazu in der Schwerelosigkeit. Die Ergebnisse wollten wir dann vergleichen und Erkenntnisse daraus ableiten bzw. Anschauungsmaterial für Lehre und Forschung generieren. Also haben wir ein Proposal eingereicht und gewartet. Irgendwann hieß es aber, dass sich die ESA-Führung gegen studentische Experimente bei dem Ariane-5-Testflug entschieden hätte. Es sei zu gefährlich, da diese studentischen Experimente evtl. den Testflug stören könnten. Der Gedanke an das teuerste Feuerwerk aller Zeiten war einfach noch zu präsent. Also haben wir uns nach einer Alternative für unser Proposal umgehört und da kamen wir auf die Student Parabolic Flight Campaign der ESA. Das war fast noch besser als das erste Angebot, denn hier konnten wir selbst mitfliegen, das Experiment selbst durchführen und die Schwerelosigkeit am eigenen Leib erfahren.

Wie ist das Experiment gelungen?

Unsere Experimente sowohl mit den „Frozen Reality“-Aufnahmen als auch mit der Highspeedkamera sind gelungen, auch wenn wir bis kurz vor dem ersten Parabelflugtag die ganze Nacht eine zunächst defekte Schaltung repariert haben. Völlig übernächtigt (ich hatte vielleicht eine Stunde Schlaf) begannen wir dann den Tag des ersten Parabelflugs. Es hat dann aber alles wunderbar funktioniert und die Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend gewesen.

Ist auf dem Flug alles glatt gelaufen?

Bei unserem Experiment schon (wenn man mal davon absieht, dass einige Nylonschnüre, mit denen wir die Projektile für unsere Impact-Versuche gespannt haben, unter der großen Belastung des wiederholten Experimentierens gerissen sind), bei unserem Nachbarexperiment ist jedoch Wasser aus der Apparatur ausgetreten (es ging um Experimente zur Kapillarwirkung in Schwerelosigkeit). Die Situation war etwas brenzlig, da wir 15 teure Digitalkameras und eine noch viel teurere Highspeedkamera in unserem Experiment eingebaut hatten. Wäre das nass geworden und hätte es einen Kurzschluss gegeben, hätten wir ein Problem gehabt. Wasser bleibt nämlich in der Schwerelosigkeit nicht am Boden, sondern verteilt sich als fliegendes, waberndes Gebilde im Raum… Bis die Schwerkraft einsetzt. Dann fällt dieses Gebilde mit einem großen Spritzer zu Boden… Aber wie gesagt, es lief alles glimpflich ab, das Wasser des Nachbarexperimentes wurde sofort mit Handtüchern aufgesaugt und somit war unser Experiment sicher.

Wie hat ihnen der Parabelflug gefallen?

Mir persönlich wahnsinnig gut. Es war die beste Erfahrung meines Lebens! Richtig schwerelos zu sein, ist schon ein gutes Gefühl. Für ein paar Leute aus anderen Teams war die Schwerelosigkeit jedoch etwas gewöhnungsbedürftig. Ihnen wurde sehr schlecht, obwohl man zur Unterdrückung der Übelkeit spezielle Tabletten bekommt. Diese Tabletten betäuben quasi den Gleichgewichtssinn. Nachteilig ist, dass man davon alleine sehr müde werden würde. Daher bekommt man noch „staatlich lizenzierte“ Amphetamine, die den Kreislauf stimulieren. Bei mir hat dies gewirkt – wie gesagt, ich hatte in der Nacht zuvor vielleicht eine Stunde Schlaf, und die Wochen davor auch nicht mehr als 3-4 Stunden pro Nacht, aber nach den Tabletten war ich topfit… gerüchteweise sollen sich einige Teilnehmer die Amphetamine für die Party danach aufgehoben haben – aber wie gesagt, das sind Gerüchte… Nachdem die Arbeit nach 29 Parabeln getan war, habe ich mir bei der letzten Parabel noch einen ganz besonderen Traum erfüllt. Ich hatte von daheim einen kleinen Orientteppich mitgenommen, setzte mich darauf und schwebte auf diesem fliegenden Teppich quer durch das Flugzeug. Dies war zwar ein nicht sehr wissenschaftliches Experiment, aber wohl das lustigste…)

  • Video vom Parabelflug 
  • Bilder (auch in 3D) vom Experiment
    • Flüssigkeiten
    • Bruchversuche
    • Granulare Materie
    • Technik
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