Letzte Spuren des Kometen Halley

Die gigantischen 8-Meter-Teleskope der Europäischen Südsternwarte in Chile haben ein Bild des über vier Milliarden Kilometer von der Erde entfernten Kometen Halley aufgenommen, der zuletzt 1986 durch das innere Sonnensystem geflogen ist und sich seitdem immer weiter von der Sonne entfernt.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESO.

Das extrem schwache Bild des Kometen Halley (Bildmitte) verschwindet fast vor dem verrauschten Hintergrund.
(Aufnahme: ESO)

Ungefähr alle 76 Jahre – die Umlaufzeit ändert ist nicht konstant – umrundet der Komet Halley die Sonne (wobei von „rund“ angesichts seines extrem elliptischen Orbits kaum gesprochen werden kann) und fliegt dabei durch das innere Sonnensystem, wo er mit sinkendem Sonnenabstand aufgrund der immer größer und dichter werdenden Korona aus Wasser, Gasen und ein wenig Staub von der Erde aus sehr gut zu sehen ist. Sein regelmäßiges Erscheinen ist mindestens für die letzten beiden Jahrtausende in unzähligen Dokumenten der verschiedensten Kulturen festgehalten worden, und bei seinem letzten Perihelion im Jahr 1986 wurde er erstmals von verschiedenen Raumsonden untersucht, der europäischen Raumsonde Giotto gelangen dabei die ersten Nahaufnahmen dieses Kometen.

Seitdem ist der Komet wieder auf den Weg zum sonnenfernsten Punkt seiner Umlaufbahn und wird dabei immer lichtschwächer. Dies liegt zum einen natürlich an der wachsenden Entfernung zur Sonne und der dadurch immer geringer werdenden Menge des von Halley reflektierten Sonnenlichts. Zum anderen sinkt auch die Aktivität des Kometen mit steigender Entfernung zur Sonne stetig ab, denn aufgrund der sinkenden Temperaturen verdampfen immer weniger Wasser und Gase, bis schließlich jede Aktivität zum Erliegen kommt. Ohne den aus Wasser, Gasen und Staub bestehenden Schweif aber ist Halley nur sehr schlecht zu sehen, da sein Albedo bei gerade einmal 0,04 liegt, d.h. er reflektiert nur etwa vier Prozent des einfallenden Lichts (damit erscheint er dunkler als beispielsweise Kohle und ist eines der dunkelsten Objekte in unserem Sonnensystem!)

17 Jahre nach seiner letzten Annäherung an die Sonne ist es Astronomen der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile gelungen, den kaum noch sichtbaren Kometen während mehrer Beobachtungsphasen von insgesamt über neun Stunden Dauer durch drei der vier gigantischen 8,2-Meter-Teleskope des Very Large Telescope (VLT) aufzuspüren. Inaktiv und über 4,2 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt ist Halley kaum noch sichtbar: Mit einer scheinbaren Helligkeit von 28,2 ist der rabenschwarze Gesteinsbrocken ungefähr eine Milliarde mal lichtschwächer als der lichtschwächste Stern, den ein Mensch mit bloßem Auge gerade noch am Firnament wahrnehmen kann! Mittlerweile hat Halley schon rund vier Fünftel des Weges zum sonnenfernsten Punkt seiner Umlaufbahn jenseits von Neptun zurückgelegt, und wenn er im Dezember 2023 dort angekommen ist wird er noch einmal rund zweieinhalb Mal lichtschwächer als jetzt erscheinen. Doch selbst dann wäre das VLT immer noch in der Lage, Halley abzubilden – und damit wäre es zum ersten Mal möglich, diesen der Menschheit seit Jahrtausenden bekannten Kometen an jeder Stelle seines Orbits zu registrieren!

Den Astronomen der ESO gelang das Kunststück bei ihren Anfang März durchgeführen Beobachtungen, durch extrem aufwendige Rechenverfahren die gerade einmal 20.000 von Halley stammenden Photonen ausfindig zu machen, die während der stundenlangen Beobachtungen durch die drei Großteleskope aufgefangen worden sind – durchschnittlich also weniger als ein „Lichtteilchen“ pro Sekunde! Um die Leistung der Wissenschaftler ins rechte Licht zu rücken: Alleine die durch molekulare Reaktionen in der Erdatmosphäre während des Beobachtungszeitraums erzeugte Photonenmenge, die von den drei Teleskopen aufgefangen worden ist, war eintausend Mal größer. Alles in allem also ein verschwindend schwaches Signal vor einem vergleichsweise enormen Hintergrundrauschen. Die nun veröffentlichte Aufnahme von Halley entstand durch Überlagerung mehrerer Aufnahmen, wobei schrittweise alle Lichtquellen außer dem Kometen herausgerechnet wurden.

Mit der heute veröffentlichten Beobachtungen haben die Astronomen der ESO gleichzeitig einen neuen Rekord aufgestellt: Noch nie zuvor ist ein derart lichtschwacher Komet in einer so großen Entfernung beobachtet worden.

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