Unmittelbar vor dem bevorstehenden Ende der Mission der Kometensonde können möglicherweise noch einmal hoch interessante wissenschaftliche Daten über den Kometen 67P / Tschurjumow-Gerassimenko gesammelt werden.
Ein Beitrag der Raumfahrer.net Redaktion. Quelle: ESA.
Wie Raumfahrer.net zusammen mit spacelivecast.de heute im Kontrollzentrum für unbemannte Raumfahrt der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA), dem European Space Operations Center (ESOC), in Darmstadt vor Ort in Erfahrungen bringen konnte, wurden Einzelheiten des Landeverfahrens für Rosetta auf dem Kometen 67P festgelegt.
Zur Auswahl standen zwei verschiedene Abstiegsverfahren. Diskutiert wurde ein relativ zügiger Abstiegsvorgang mit einer Dauer zwischen einer und zwei Stunden, bei dem vor dem Kontakt mit dem Kometen eine relative saubere Umgebung der Sonde für gute Arbeitsmöglichkeiten der Instrumente an Bord des Raumfahrzeugs sorgen würde. Der Kontakt selbst würde schließlich mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde – der Geschwindigkeit, mit der auch der Lander Philae die Oberfläche erreichte – erfolgen.
Außerdem wurde ein langsameres Verfahren der Annäherung untersucht, das auf Grund ausgiebigeren Einsatzes der Lageregelungstriebwerke schwierigere Arbeitsbedingungen für die wissenschaftlichen Instrumente bedeutet, aber eine erheblich längere abschließende Phase wissenschaftlicher Untersuchungen möglich machen sollte.
Das Verhalten der Instrumente ist zum Teil so gut bekannt, dass ihre Daten hinsichtlich der durch den Triebwerkseinsatz verursachten Störungen vermutlich gut korrigiert werden können. Sechs bis sieben Stunden Beobachtungszeit sollten bei der langsameren Annäherung möglich sein.
Solarzellenausleger und Akkumulatoren sollen voraussichtlich im Juli 2016 noch einem überprüft werden, um ihren Zustand vor der Einleitung der abschließenden Missionsphase exakt beurteilen zu können. Steht möglicherweise nicht mehr genug Leistung für den gleichzeitigen Betrieb aller einsatzfähigen Instrumente zur Verfügung, sind Entscheidungen hinsichtlich der Abschaltung einzelner Instrumente zu treffen. Ob letzteres erforderlich ist, kann derzeit nicht gesagt werden.
Nach intensiven Besprechungen der Teams, die einerseits unter der Leitung von Matt Taylor die wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Sonde betreuen, und den Technikern und Ingenieuren, die sich beim ESOC um die raumflugtechnischen Aspekte der Mission kümmern, wurde beschlossen, der langsameren Annäherung den Vorzug zu geben. Dabei spielte der Wunsch der Wissenschaftler, ihre Instrumente möglichst lange betreiben zu können, um Daten aus extremer Kometennähe erfassen zu können, eine maßgebliche Rolle.
Das angedachte Verfahren kam noch nie zum Einsatz. Die erforderlichen Triebwerke wurden noch nie in der notwendigen Kombination zusammen betrieben. Bisher durchgeführte Simulationen sprechen dafür, dass sich die geplanten Manöver erfolgreich durchführen lassen. Treibstoff steht ausreichend zur Verfügung. Die aufzuwendende Treibstoffmenge ist wegen des bevorstehenden Missionsendes kein limitierender Faktor.
Das konkrete Datum, an dem Rosetta die Oberfläche des Kometen erreichen wird, ist derzeit nicht exakt anzugeben. Die bahndynamische Komplexität der Aufgabe erfordert umfangreiche Vorarbeiten, berichtete Sylvain Lodiot, Spacecraft Operations Manager (SOM). Sie sollen in nächster Zeit am ESOC aufgenommen werden.
Die Mission von Rosetta wird nach derzeitigem Kenntnisstand frühestens zwischen dem 28. September und 1. Oktober 2016 beendet werden. Wenn es soweit ist, wird eine Prozedur greifen, die vorher zur Sonde übermittelt werden muss. Diese soll insbesondere die Abschaltung der Sender an Bord von Rosetta sicherstellen, um die vorher genutzten Funkfrequenzen wieder freizugeben.
Rosetta wird so konfiguriert, dass Anomalien bei der endgültigen Annäherung an den Kometen keinen Wechsel in einen Sicherheitsmodus wie bisher programmiert auslösen, sondern die Abschaltung des Senders veranlassen.
Auslöser der Abschaltung muss ausserdem nicht unbedingt ein anhaltender Kontakt mit dem Kometen sein. Nicht auszuschließen ist, dass die Sonde hüpft wie Philae. An Bord der Sonde kann sensorisch nicht unterschieden werden, was konkret den Abschaltimpuls auslöste, und eine Beurteilung der Situation anhand von Telemetrie ist wegen des abgeschalteten Senders dann nicht mehr möglich. Von den allerletzten aktiven Momenten werden die Menschen keine Kenntnis erhalten können.
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