“Neubrandenburger Tage der Raumfahrt” ist schon seit der DDR-Zeit ein Begriff, aber mittlerweile könnte man die Veranstaltung auch “Mecklenburger Tage der Raumfahrt” nennen. Sie zieht immer größere Kreise und erstreckt sich über immer mehr Tage, dieses Jahr hat die Initiative 2000plus vom 11. bis zum 20. November Veranstaltungen in Rostock, Greifswald, Neustrelitz, Peenemünde und Neubrandenburg organisiert.
Ein Beitrag von Kirsten Müller.
In Rostock hielt ESA-Astronaut Thomas Reiter einen Vortrag, für die anderen Orte war schon Monate zuvor Nikolai Budarin eingeladen. Außerdem war im Vorfeld der Veranstaltung ein eventueller “Überraschungsgast” angekündigt. Erst eine knappe Woche vorher wurde bekannt, dass er auch kommen könne: Interkosmos-Kosmonaut Arnaldo Tamayo Mendez aus Kuba nahm an den Veranstaltungen in Greifswald, Neustrelitz, Peenemünde und Neubrandenburg teil.
Der öffentliche Wissenschaftsabend am Donnerstag im Kulturquartier Neustrelitz war recht gut besucht. Dort wurden drei Vorträge gehalten. Nikolai Budarin, Arnaldo Tamayo Mendez, Jody Singer (NASA) und Prof. Dr. Dieter Hermann hielten Vorträge. Budarin erzählte von seinen Erfahrungen während seinen drei Weltraummissionen STS-71 / MIR-19 / Sojus TM-21, Sojus TM-27 / Mir-25 und STS-113 / ISS-06 / Sojus TMA-01. Zweimal war er mit einem Shuttle gestartet, einmal mit einer Sojus; alle drei Male war er mit einer Sojus gelandet. Bei seiner ersten Mission 1995 hat die Atlantis an die Raumstation MIR angedockt, um ihn zusammen mit seinem Kollegen Anatoli Solovjov dort abzusetzen. Dies war das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass wieder ein amerikanisches an ein russisches Raumfahrzeug andockte. Selbst verbrachte er 75 Tage auf der MIR. Dort machte er nicht nur Experimente, sondern absolvierte auch zusammen mit seinem Kollegen Anatoli Solojov drei Außenbordeinsätze. Hierbei wurden unter anderem neue Geräte für das Radiospektrometer montiert, die Sonnenbatterien repariert und das Verhalten verschiedener Materialien bei Weltraumbedingungen untersucht.
Budarins zweite Mission im Jahre 1998 dauerte 207 Tage. Zusammen mit seinem kasachischen Kommandanten Talgat Musabajew und dem französischen ESA-Astronauten Leopold Eyharts startete er von Baikonur aus mit einer Sojus. Musabajev, Budarin und US-Astronaut Andy Thomas wurden die 25. Stammcrew der MIR. Insgesamt gab es während dieser Mission fünf Ausstiege. Bei einer früheren MIR-Mission hatte ein Progress-Transporter die Sonnensegel der MIR beschädigt, deshalb galten alle fünf Ausstiege der Reparatur dieser Sonnensegel. Sogar die Entscheidung, ob die Shuttle-Mission STS-91 geflogen werden dürfe, hing ab vom Zustand der Sonnensegel. Beim letzten Ausstieg hielt sich Kommandant Musabajev mit den Füßen fixiert an der Station und hielt seinerseits Budarins Füße fest, damit dieser die zwei Hälften der Sonnensegel aneinander befestigen und festschrauben konnte. Als das geklappt hatte, kam vom Bodenkontrollzentrum die Nachricht, es sei ein Fehler im Bedienungsmodul aufgetreten, die Kosmonauten sollen also sofort in die Station zurückkehren. Innerhalb von rekordverdächtigen 20 Minuten kamen die Kosmonauten in die Luftschleuse, zogen ihre Raumanzüge aus und bewegten sich in die Station. Darauf konnte STS-91, die letzte Shuttle-MIR-Mission, andocken. Damit war Budarin sowohl beim ersten als auch beim letzten Shuttle-MIR-Flug mit dabei.
Sein dritter und letzter Flug war STS-113 im November 2002 zur Internationalen Raumstation. Dort war er zusammen mit Don Pettit und Ken Bowersox Mitglied der sechsten ISS-Stammbesatzung und für das russische ISS-Segment verantwortlich. Eigentlich war geplant, dass er 165 Tage im Weltraum bleiben und mit einem Shuttle zurückkehren sollte. Am 1. Februar 2003 verglühte aber die Raumfähre Columbia bei der Landung des Fluges STS-107, wobei alle sieben Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Für die ISS-Besatzung war dies ein großer Schock, und sie war bereit, so lange wie möglich auf der ISS zu bleiben. Da jetzt vorläufig alle Shuttle-Flüge gestrichen waren, beschloss man, dass die ISS-06-Besatzung mit der Sojus TMA-01 landen sollte. Für Budarin war es die dritte Sojus-Landung, für seine amerikanischen Kollegen die erste. Budarin wurde also zum Kommandanten berufen. Während der Landung trat im System ein Fehler auf, und es wurde beschlossen, dass man nicht automatisch, sondern ballistisch landen würde. Bei einer solchen Landung dreht sich die Landekapsel plötzlich um ihre eigene Achse, und man fällt steiler, was zur Folge hat, dass man einer Belastung von 9 g (neunmal der Erdbeschleunigung) ausgesetzt ist, während das bei einer gesteuerten Landung nur 4 g sind. Bei einer derart hohen Beschleunigung bekommt man Atembeschwerden. Selbst das Öffnen des Fallschirms ist dann noch eine Überbelastung. Auch war die Kapsel auf der Seite und 470 km vom geplanten Landeplatz gelandet, und man hatte den Funkkontakt zum Flugzeug und zum Kontrollzentrum verloren. Nach dreißig Minuten sind die Kosmonauten aus der Kapsel herausgekrochen und waren so geschwächt, dass sie nicht auf den Beinen stehen konnten und im Liegen die Signalraketen für die Rettungsflugzeuge abgeschossen haben. Diese haben sie dann eher zufällig entdeckt.
Gerne wäre Budarin noch ein viertes Mal geflogen, das klappte aber nicht, weil er sich mit einem Arzt nicht so gut verstand. Trotzdem ist die 4 für Budarin eine magische Zahl: insgesamt war er 444 Tage im All, hat 8 (also zweimal 4) Außenbordeinsätze gemacht und war 44 Stunden im freien Kosmos. Außerdem war er am 4. Mai von seiner letzten Mission zurückgekehrt, hat am 4. April sein zweites Enkelkind Geburtstag und ist er 2007 für 4 Jahre in die russische Duma gewählt worden. Die wertvollste Erfahrung von seinen Raumflügen findet er den Blick auf die Erde aus dem Weltraum.
Der Vortrag des Kubaners Tamayo Mendez hätte genauso vor 30 Jahren gehalten werden können. Er las seinen Vortrag größtenteils vom Blatt ab. Parallel dazu lief ein Film von seinem Training und seiner Mission. Eine große Ehre fand er es, zu dieser Konferenz eingeladen zu sein, und grüßte von den Wissenschaftlern aus seinem Land und vom kubanischen Volk. Auch erhob er ein Lob auf die kubanische Regierung, das kubanische Wissenschaftsministerium, die kubanischen Universitäten und die Akademie der Wissenschaften. 1967 haben sich die Akademien der Wissenschaften verschiedener Länder auf internationale Zusammenarbeit in der Weltraumforschung geeinigt, woraus 1970 das Interkosmos-Programm entstand. Hierin war Kuba in fünf Arbeitsgruppen vertreten. 1976 wurde die erste Interkosmos-Kosmonautengruppe selektiert. Mendez gehörte, zusammen mit Kosmonauten aus Bulgarien, Ungarn, der Mongolei und Vietnam, zur zweiten Gruppe. Aus allen Interkosmos-Staaten waren 41 Kandidaten in der engeren Auswahl. Jedes Land sollte zwei Kandidaten stellen, die vorzugsweise Piloten sein sollten.
Für Kuba sind am Ende Jose Armando Lopez Falcon und Arnaldo Tamayo Mendez übrig geblieben. Vom März 1978 bis September 1980 absolvierten zwei Crews – Jewgeni Krunov und Jose Armando Lopez Falcon sowie Juri Romanenko und Arnaldo Tamayo Mendez – ein komplettes Vorbereitungsprogramm. 48 Stunden vor dem Start schließlich beschloss die Sowjet-Regierungskommission, welche Crew starten würde, und entschied sich für die Crew von Romanenko und Tamayo Mendez, die am 19. September 1980 mit Sojus 38 an die Raumstation Saljut 6 andockten. Insgesamt wurden während der einwöchigen Mission 27 Experimente durchgeführt, unter anderem zum Zuckerkristallwachstum und psychosoziale Untersuchungen zur Auswirkung der Schwerelosigkeit auf den Menschen. Selbst empfand er den Kosmos als ein unfreundliches Medium, in dem die Schwerkraft der Erde fehlt. Man leidet anfangs unter Appetitlosigkeit, Schwindelgefühlen und anderen unschönen Empfindungen, bis sich der Organismus an die Schwerelosigkeit gewöhnt. Was er wohl phantastisch fand, war die schnelle Beschleunigung zur ersten kosmischen Geschwindigkeit mitzuerleben und in dieser Geschwindigkeit innerhalb von 90 Minuten die Erde zu umrunden, in denen man jeweils einen Tag-Nacht-Wechsel sieht. Da wird einem bewusst, dass die Erde gegen alle Versuche, sie zu zerstören, verteidigt werden muss. Auch die politische Bedeutung seiner Weltraummission war ihm klar: das kleine, unbedeutende Kuba ohne irgendwelche Weltraumerfahrung hat es als erstes lateinamerikanisches Land in den Kosmos geschafft. Zu guter Letzt bedankte er sich nochmal bei der Organisation der Veranstaltung für die Gastfreundschaft und erwähnte, dass es zwischen Deutschland und Kuba politische und Handelsbeziehungen gibt und dass auch viele deutsche Touristen Kuba besuchen.
Der dritte Vortrag, von Prof. Dr. Dieter Hermann, handelte von Antimaterie, die er anhand des Bohrschen Atom-und Elektronenmodells erklärte.
Auch eingeladen war das Ehepaar Jody und Chris Singer von der NASA. Jody Singer, Vize-Direktorin des Marshall Spaceflight Center in Huntsville, Alabama, USA, hatte vom Boden aus an einer von Budarins Missionen mitgearbeitet und arbeitet jetzt im ISS-Programm und im Space Launch System (SLS)-Programm. Ihr Vortrag behandelte die Möglichkeiten, mit dem SLS / Orion – System zum Mars zu fliegen. In den letzten 50 Jahren hat es 40 unbemannte Missionen zum Mars gegeben. Bei jeder dieser Missionen gewinnt man neue Erkenntnisse, die man für eine bemannte Marsmission verwenden kann. Momentan sind Rover auf dem Mars, und es gibt Kooperationen mit Europa und Indien.
Für die Zukunft ist das SLS-System als einziges System in der Lage, Menschen ins tiefe Weltall zu senden. Es kann eine Nutzlast von 30 Tonnen mitnehmen – das ist für eine bemannte Mission nötig – und auch auf der Marsoberfläche landen. Bis jetzt hatten die Marsmissionen eine Nutzlast von 1 Tonne. Vom Space Shuttle-System hat das SLS-System die Feststoffraketen und die RS-25-Triebwerke übernommen. Davon sind vom Shuttle-Programm noch 15 Exemplare übrig. Das SLS-System hat vier Triebwerke, die Shuttles hatten jeweils drei. Beim Shuttle wurden diese mehrfach verwendet, beim SLS-System einmal. Nutzlasten, die das SLS mitnehmen kann, können je weiter sich das Programm entwickelt, Größen haben zwischen 400 und 1.800 m3. Für Januar 2018 ist die EM-1-Mission zum Mond geplant. Eine bemannte Mission zum Mars wird für 2030 anvisiert, und Singer wünscht sich, dass – analog dem “Selfie”, das der Marsrover Curiosity im Januar 2015 gemacht hat – 2030 die Menschen auf dem Mars auch ein Selfie zur Erde schicken.
Am Freitag fand wieder die traditionelle Peenemündefahrt statt. Vormittags bestand die Möglichkeit, das Museum im ehemaligen Kraftwerk zu besuchen oder an einer Führung entlang der Prüfstände teilzunehmen. Nachmittags fand eine Vortragsveranstaltung statt, in der die beiden Raumfahrer und Jody Singer Vorträge hielten, die inhaltlich denen in Neustrelitz analog waren. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahm außerdem noch Matthias Maurer vom EAC Köln teil.
Ein Thema, das zur Sprache kam, war der Anteil von Frauen in den verschiedenen Astronautengruppen. Bei der ESA sind 15% der Bewerber weiblich, und entsprechend war unter den sechs Astronauten der neuesten Gruppe eine Frau dabei. Bei der NASA ist der Prozentsatz an Frauen höher. Tamayo Mendez meinte dazu, der Weltraum sei – sowohl für Frauen als auch für Männer – eine feindliche Umgebung für den menschlichen Organismus. Unter anderem geht bei einem Raumflug Muskelmasse verloren, und es gebe Reproduktionsprobleme. Es bringe nichts, einen Menschen in den Weltraum zu bringen, wenn er krank zurückkäme. Auch sei es ein Scheitern, wenn man einen Menschen zum Mars bringt, er es aber nicht zurück schaffe. Das alles sei keine Diskriminierung, vielmehr “möchte man die Schönheit der Frau bewahren”. Jody Singer wusste zu berichten, dass 21% der Frauen in STEM- (MINT-) Berufen arbeiten. Wieso das nicht mehr sind, erklärt sie sich mit dem eventuellen Fehlen von Rollenvorbildern. Auch plädiert sie für frühzeitige Information und Karriereberatung. Selbst sieht sie ein potentielles Rollenvorbild in Astronautin Peggy Whitson, die momentan an Bord der ISS ist. Diese kann nicht nur alles, was für den Beruf der Astronautin nötig ist, sondern hat auch Führungsqualitäten. Auch sieht Singer keine Diskriminierung in der Arbeitswelt, wohl bedürfe es harter Arbeit, sein Ziel zu erreichen. Selbst hatte sie viele – sowohl männliche als weibliche – Rollenvorbilder, die für sie und ihre Karriere Weichen gestellt haben.
Ein anderes Thema der Diskussion waren eventuelle Folgeschäden der Schwerelosigkeit für Raumfahrer. Tamayo Mendez gab an, von seiner kurzen Mission habe er keine Schäden davon getragen. Nach längeren Missionen könne sich aber – auf jeden Fall sozial – die Persönlichkeit verändern. Ihn selbst kannte vor seinem Flug nur sein eigener Bekanntenkreis. Hinterher konnte er in Kuba kaum noch unbehelligt auf die Straße gehen, weil jeder ihn erkannte. Budarin fühlte, dass sich nach seinem Flug sein Körper verändert hatte. Dies war unabhängig von der Dauer der Mission. Trotz Trainings bauen sich die Muskeln und Knochen ab, und man wird schwächer. Auch wird der Blutkreislauf beeinflusst, da das Blut bei Schwerelosigkeit vorzugsweise in den oberen Körperregionen zirkuliert. Der Körper gewöhnt sich an die Schwerelosigkeit, also muss man direkt nach der Rückkehr auf die Erde meistens von der Sojus in den Hubschrauber getragen werden, weil einem beim Versuch, in der Senkrechte zu stehen und zu laufen, schwindelig werden kann. Die Zeit, die nötig ist, um sich wieder an irdische Bedingungen zu gewöhnen, wird subjektiv von Astro- und Kosmonauten als 10 bis 14 Tage angegeben. Objektiv betrachtet ist dies aber genau die gleiche Zeit, die der Raumflug gedauert hat. Die ESA empfiehlt ihren Astronauten nach Langzeitmissionen eine Rehabilitationszeit von 21 Tagen. Danach dürfen sie wieder Auto fahren. Nach vier Jahren dürfen sie wieder eine Langzeitmission fliegen. Ein nicht reversibler Folgeschaden längerer Schwerelosigkeit ist die Veränderung der Sehkraft. Das ist eine Folge der Fluid Shift. Es entsteht ein Druck auf den Sehnerv, der dadurch geschädigt wird. Deshalb messen die ISS-Besatzungen regelmäßig ihren Augeninnendruck.
Die Hauptveranstaltung am Samstag fand dieses Jahr nicht, wie sonst, im Gymnasium statt, sondern in der Neubrandenburger Hochschule. Nach den obligatorischen Grußworten hielt Jody Singer auch hier wieder ihren Vortrag. Danach berichtete Matthias Maurer vom EAC Köln über die irdischen Trainingsprogramme CAVES, NEEMO und LUNA, mit denen Astronauten auf Missionen zum Mond oder Mars vorbereitet werden können. Beim CAVES-Training war dieses Mal auch ein Taikonaut dabei. CAVES ist ein Training in Höhlen, bei dem die Teilnehmer nicht nur Berg steigen und sich im Wasser bewegen, sondern sich auch durch enge Höhlen schlängeln. Das Training zielt stark auf Teamwork ab, wobei die einzelnen Teammitglieder verschiedene Aufgaben bekommen. Am ersten Tag gibt es eine Essensprobe. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem CAVES-Programm verspricht man sich aus der Suche nach und in situ Konservierung von Lebewesen. Dieses kann zukünftig auch bei der Forschung nach Leben auf anderen Planeten angewandt werden. Auch werden die Höhlen kartiert und ist das Programm sowieso, wie die Raumfahrt, ein Vordringen in unbekanntes Territorium. Den Aufenthalt von Astronauten in Höhlen – auf den ersten Blick eher ungewöhnlich – kann man auch als Vorbereitung auf künftige Mondmissionen sehen. Durch den Vulkanismus, der früher auf dem Mond herrschte, haben sich dort Lavahöhlen gebildet. Diese könnten die Astronauten bei bemannten Mondmissionen vor kosmischer Strahlung schützen.
NEMOO ist ein Forschungsprogramm unter Wasser, bei dem sechs Versuchspersonen 16 Tage unter Wasser in einem Habitat bei Florida verbringen. Dies dient der Simulation der bemannten Mission zum Mars. An diesem Training hatte Maurer selbst teilgenommen, zusammen mit den NASA-Astronauten Megan McArthur und Reid Wiseman und noch drei anderen Wissenschaftlern. Es ist eine Kombination aus IVAs (intravehicular activities) und EVAs (extravehicular activities), also hatten die Teilnehmer im Vorfeld ein Tauchtraining zu absolvieren. Während des Unterwasseraufenthaltes selbst, in einer Tiefe von 30 m, waren Tauchgänge von 4 bis 5 Stunden zu absolvieren, was zur Sättigung der Lungen mit Sauerstoff führen kann. NEEMO wird dann auch als Analoge gesehen zu einer “Verbannung auf einen anderen Planeten, den man nicht ohne Lebensgefahr verlassen kann”. Außerdem wurde unter Wasser erforscht, welche Korallen in welcher Tiefe wachsen, so dass man auf abgestorbenen Riffen Korallen wieder “anpflanzen” kann. Ebenfalls wurde, wie auf der ISS, bei NEEMO DNA-Sequenzierung durchgeführt. Um die Effizienz der Arbeit auf der ISS zu steigern, wurden außerdem neue Methoden zum Ein- und Auspacken und Verstauen von Material ausprobiert sowie das mobiPV getestet, ein kleines Gerät mit Kamera, mit dessen Hilfe die Wissenschaftler unter Wasser (und später im Weltraum) mit denen auf der Erde kommunizieren können. Nach 16 Tagen werden die NEEMO-Missionen beendet, da sonst aufgrund des höheren Drucks unter Wasser Übersättigung droht.
Als drittes Programm stellte Maurer LUNA vor. Die ESA hatte den Wunsch nach einer Testplattform, um Missionen zu Mond und Mars simulieren zu können. Diese Plattform wird in Köln zwischen dem EAC und dem Envihab gebaut werden. Unter einem kuppelförmigen Dach wird aus Regolith eine 900 m2 große Oberfläche mit variablen Lichtkonditionen für das Simulieren von Außentätigkeiten entstehen. Daneben werden Habitate gebaut mit Arbeitsräumen, einer Schleuse für Ausrüstung und einer Schleuse für die Besatzung. Man wird verschiedene Habitat-Module aneinander bauen können. Die Energieversorgung wird mittels Sonnenenergie geschehen. Man wird Ausrüstung und Werkzeuge im staubigen Umfeld messen können sowie ISRU (in-situ Nutzung von Ressourcen) und 3D-Drucken anwenden können. LUNA wird nicht nur der DLR und der ESA zur Verfügung stehen, auch andere Institutionen werden – abhängig von der Relevanz der geplanten Forschung – LUNA gratis nutzen können.
Der Vortrag von Nikolai Budarin an diesem Tag war eher allgemein gehalten und beschrieb mit Folien die Geschichte der Zusammenarbeit in der internationalen Raumfahrt und das Leben auf der ISS. Beim darauf folgenden Vortrag, von Dr. Frank Jansen vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme, wurde gebeten, aus Gründen der Vertraulichkeit nicht zu fotografieren und zu filmen. Er referierte über die Möglichkeiten, mit Hochleistungstechnologien zum Mars zu fliegen. Seine Arbeit wird nicht von der ESA, sondern von der Europäischen Kommission finanziert. Im Allgemeinen beschäftigt sich Jansen mit nuklearelektrischen Raketenantrieben.
Die Pläne für das russische Raumfahrtprogramm von 2016 bis 2025 wurden von Igor Afanasjew präsentiert. Im Vortrag wurden größtenteils die Finanzierungspläne und die geplante Verwendung der Gelder erwähnt, sowie die Ergebnisse, die man sich davon verspricht. Danach wurde die Aufzeichnung einer Grußbotschaft aus dem Weltraum von der chinesischen Shenzhou 11-Besatzung ausgestrahlt. Am 18. November war die Besatzung bereits wieder gelandet. Jing Haipeng erwähnte, die Chinesen hätten erstmals europäische Weltraumnahrung mit an Bord gehabt und sie habe ihnen wunderbar geschmeckt. Auch über den Kuchen zum 50. Geburtstag habe er sich gefreut. Sein Kollege Chen Dong war Kandidat beim CAVES-Programm gewesen, war dann aber verhindert.
Der Kubaner Tamayo Mendez hielt auch wieder seinen Vortrag mit Film. Bemerkenswerterweise sprach er diesmal aber freier als in Neustrelitz und Peenemünde, und las nicht mehr so viel von seinen Blättern ab. Sein Flug von Havanna nach Berlin, so gab er an, sei länger gewesen als sein Flug von Baikonur in den Kosmos: in den Kosmos sei er 10 Minuten unterwegs gewesen, und 10 Stunden habe er im Flugzeug gesessen. Auch richtete er den Anwesenden Grüße aus von Sigmund Jähn, mit dem er gut befreundet sei und zwei Tage vorher noch telefoniert habe. Des weiteren ging er ausführlich auf die Experimente ein, die während seiner Mission durchgeführt wurden. Von den vierzig Experimenten, die kubanische Wissenschaftler vorgestellt hatten, wurden am Ende zweiundzwanzig ausgewählt. Unter anderem wurden bei seinem Flug die Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf die Elektrosignale im Gehirn untersucht sowie Experimente zur Kristallzucht beim – für die kubanische Wirtschaft als Exportprodukt wichtigen – Zucker gemacht. So war ein Zuckerkristall von 1 mm Durchmesser, dem man eine Lösung von Zucker zuführte, nach 72 Stunden angewachsen auf 9 mm. Ebenfalls wurden mit der deutschen MKF6-Kamera topografische Aufnahmen gemacht, was viel weniger Zeit in Anspruch nahm als die herkömmlichen Methoden auf der Erde.
Seine Rückkehr nach Kuba fand er fast so aufregend wie den Raumflug selbst. Von einem einfachen Piloten hatte er sich in eine öffentliche Person gewandelt. Er empfindet es als Glück, überall erkannt zu werden, und fühlt sich durch diese Anerkennung noch verbundener mit dem kubanischen Volk. Wohl gab er bei der anschließenden Podiumsdiskussion an, er bekäme Probleme, wenn er die kubanische Jugend für Raumfahrt begeistern wolle oder inspirieren wolle, auch Kosmonaut zu werden – dies aus dem einfachen Grunde, dass Kuba gar nicht die Technologie und die Ressourcen für Raumfahrt habe und sich deshalb diesen Luxus gar nicht leisten könne. Seinen Backup-Kosmonautenkollegen Jose Lopez Falcon kannte er schon aus der Luftwaffe. Beim gemeinsamen Training haben sie sich gegenseitig geholfen und für das gemeinsame Ziel ihre Rivalitäten beiseitegelegt. Auch heute telefonieren sie noch wöchentlich. Mit seinem Crewkollegen Juri Romanenko verbindet ihn ebenfalls noch eine Freundschaft; dieser werde bald nach Kuba kommen und ihn besuchen.
Auch kamen bei der Podiumsdiskussion Mentalitätsunterschiede bei der internationalen Zusammenarbeit zur Sprache. Auf der ISS, so Budarin, versteht man sich trotz verschiedener Nationalitäten ohne Worte. Über CAVES wusste Maurer zu berichten, dass sich Unterschiede im Denken mehr aufgrund verschiedener Berufshintergründe bemerkbar machen, so hätten dort Kampfpiloten und Naturwissenschaftler zusammengearbeitet. Kampfpiloten haben, im Gegensatz zu Wissenschaftlern, mehr eine militärische Arbeitsweise. In Vorbereitung der Arbeiten an ESA-Projekten absolvieren Astronauten und Flight Controller der ESA das Human Behaviour and Performance (HBP) Training. Auch die chinesischen Taikonauten nehmen an diesem Training teil. Allerdings ist das Geben von Feedback in der chinesischen Kultur nicht so üblich, eventuelle Kritik muss man also auf eine andere Art verpacken.
Fragen nach den Erwartungen über die Zukunft des amerikanischen Raumfahrtprogramms unter dem zukünftigen Präsidenten Donald Trump wurden von Jody und Chris Singer ziemlich diplomatisch beantwortet. Ihren Angaben nach hat die NASA ein Übergangsteam mit regelmäßigen Kontakten zum Weißen Haus. Bis jetzt seien keine großartigen Veränderungen geplant.
Zwischen den Vorträgen gab es auch die Möglichkeit, bei den aufgebauten Ständen das eine oder andere zu erwerben. Auch fand die traditionelle Fotosession mit den Kosmonauten und Fans statt, und signierten Tamayo Mendez und Budarin das große Tage der Raumfahrt-Poster. Man hätte vielleicht erwarten können, dass der Wechsel des Veranstaltungsortes vom Gymnasium an die Hochschule auch ein anderes örtliches Publikum ziehen würde. Diesen Eindruck bekam man aber nicht – die meisten Anwesenden im Publikum waren sowieso schon bekannte Gesichter aus den vorhergehenden Jahren. Nicht nur die Hauptveranstaltung fand dieses Mal an einem anderen Ort statt, auch das Abendessen am Freitag und Samstag sowie die Übernachtung der auswärtigen Tagungsgäste waren im Hotel am Ring. Das Radisson Blu, vorheriges Tagungshotel, ist nämlich abgerissen worden.
Sonntagvormittag im Hotel wurden noch einige Vorträge gehalten. Michael Tilgner aus Wedel referierte über den Jurastudenten und Erfinder Hermann Ganswindt (1856 –1934). Dieser hatte unter anderem ein “lenkbares Luftschiff”, einen “lenkbaren Flugapparat” (eine Art Hubschrauber), einen durch Pedale angetriebenen Tretmotorwagen, Fahrräder mit Drahtachse und ein für Raumfahrt relevantes „Weltenfahrzeug“ erdacht. Er war mit diesen Ideen seiner Zeit weit voraus. In der Berliner Pilharmonie hielt er einen öffentlichen Vortrag, von dem man sich lange nicht einig war, wann er stattgefunden hatte. Erst war 1899 als Jahreszahl angegeben, später deutete das meiste auf 1893 hin. 1899 kam das Buch „Das jüngste Gericht“ heraus, in dem seine Erfindungen beschrieben wurden. Schon in seinem Vortrag wies er darauf hin, dass man aufgrund des Trägheitsgesetzes und aufgrund der Reaktionsgesetze explodierender Stoffe Flugkörper im luftleeren Raum fortbewegen könne. Sein Entwurf war ein Stahlblock mit Dynamitpatrone, welche die Energie auf den Stahlblock überträgt. Von Ziolkowskis Idee der Verbrennung von Gasen durch eine Düse hielt Ganswindt nichts. Seine Berechnungen ergaben allerdings, dass man den Mars oder die Venus innerhalb von 22 Stunden erreichen könne – was aus heutiger Sicht eher unrealistisch erscheint. Ganswindt hat mehrere Vorträge gehalten. Im großen und ganzen wurden seine Ideen von seinen Zeitgenossen nicht sehr ernst genommen. Erst Hermann Oberth hat ihn wieder gewürdigt. Auch gibt es auf dem Mond einen Ganswindt-Krater.
Der Frage, ob Roboter die Menschen ablösen werden, widmete sich Prof. Dr. Rainer Schimming. In seinem Vortrag sprach er vor allem von humanoiden Robotern und dem Einfluss, den diese auf die menschliche Gesellschaft haben könnten.
Marius Wirtz vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Bremen (DFKI) erzählte von der Forschung auf dem eisigen Jupitermond Europa. Das DFKI baut seine Roboter zur Weltraumforschung selber. Diese lassen sich – je nach Typ – für Unterwasserarbeiten und für Arbeiten auf der Oberfläche einsetzen. Für die Erforschung des Mondes Europa will man sie verwenden, weil man vermutet, dass er unter seinem Eis einen Ozean beherbergt. Die Unterwasserroboter sind dann dazu geeignet, ein Loch ins Eis zu bohren und durch dieses Loch eine Forschungssonde in das Wasser unter dieser Eisoberfläche zu befördern.
Abgeschlossen wurde die Veranstaltung von Ulrich Köhler vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Am 30. September 2016 um 13.19 Uhr hat das ESOC in Darmstadt das Rosetta Programm offiziell für beendet erklärt. Die nicht geglückte Landung der ExoMars-Sonde Schiapparelli zehn Tage vorher wurde in den gängigen Medien als Misserfolg umschrieben. Tatsächlich war es so, dass bis zum Eintritt in die Marsatmosphäre alles geklappt hat. Bis zum Abtrennen der Fallschirme und dem Zünden der Bremsraketen hatte man noch Signale, danach nicht mehr. Es stellte sich heraus, dass es starke Seitenwinde gegeben hatte und der Bordcomputer deshalb zu früh Signale bekommen hatte, die Bremstriebwerke abzustellen. Auch wurde der Öffentlichkeit suggeriert, die Landung sei das Wichtigste an der Mission gewesen. In Wirklichkeit besteht das System der ExoMars-Mission jedoch aus dem Lander Schiapparelli und dem Trace Gas Orbiter (TGO). Ziel der Mission ist es, nachzuweisen, ob Leben auf anderen Planeten möglich ist. Man war bei der ESA wohl traurig, dass die Landung nicht so geklappt hat wie gewünscht, doch war man froh, dass bis zur letzten Minute Wissenschaft betrieben wurde. Köhler beschrieb in seinem Vortrag noch die Mögllichkeiten der EXOMars-Komponenten – der Landesonde und des TGO – und erwähnte noch einiges Allgemeines zum Mars sowie die Reaktionen einzelner Medien zur Marsforschung. Schließlich gab er noch einen kurzen Ausblick – der deutsche ehemalige Astronaut Ulrich Walter ist der Meinung, im Jahre 2048 sei die Menschheit imstande, auf dem Mars zu landen.
Im großen und ganzen war es wieder eine gelungene Veranstaltung, die es sich auf jeden Fall lohnt, mal selbst zu besuchen. Nicht nur werden interessante Vorträge aus diversen Themenbereichen angeboten, auch hat man am Rande der Veranstaltung die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und bei Interesse ein paar persönliche Worte mit den Referenten zu wechseln. Die 33. Tage der Raumfahrt werden am 15. November 2017 in Neustrelitz und vom 16. bis 19. November 2017 in Neubrandenburg stattfinden. Weitere Veranstaltungsorte werden später bekanntgegeben.
Die Aufzeichnung des Webcasts von spacelivecast.de
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