Am 4. Juli war der Vormittag des ASE-Kongresses der Erdbeobachtung gewidmet. Am Nachmittag gab es dann ein Vortragsprogramm zur kommerziellen Raumfahrt.
Ein Beitrag von Kirsten Müller. Quelle: RN.
Unter dem Motto „Citizens of Space – Stewards of Earth“ fand 1. bis zum 5. Juli 2013 in Köln und Umgebung der diesjährige Kongress der Association of Space Explorers (ASE) statt. Über achtzig Astro-, Kosmo- und Taikonauten aus siebzehn Ländern trafen sich, um sich über verschiedene Raumfahrtthemen auszutauschen. Prominenteste Anwesende waren der Russe Alexej Leonow, der 1965 mit Wosschod 2 den ersten Ausstieg aus einem Raumschiff unternommen hatte, sowie Apollo-9-Astronaut Rusty Schweickart, außerdem viele russische Kosmonauten aus den Saljut und Mir-Programmen, amerikanische Veteranen aus dem Space-Shuttle-Zeitalter, internationale europäische und asiatische ehemalige Raumfahrer, aktive amerikanische und russische ISS-Astro- und Kosmonauten sowie die beiden chinesischen Raumfahrer (Taikonauten) Yang Liwei und Liu Boming.
Organisiert hatte den Kongress dieses Jahr der deutsche Mir-Raumfahrer Reinhold Ewald. Die ASE ist eine 1985 gegründete Non-profit-Vereinigung all jener, die jemals im Weltraum waren, und hat jetzt 375 Mitglieder aus 35 Ländern.
Die Veranstaltungen des Kongresses fanden an verschiedenen Orten statt: Köln, Aachen, Bonn, Porz-Wahnheide. Teils waren sie öffentlich, teilweise waren es technische halböffentliche Sitzungen.
4. Juli 2013 – Bonner Wasserwerk
Am Donnerstag, dem 4. Juli, fanden in Zusammenarbeit mit der UN die technischen Sitzungen im Bonner Wasserwerk statt, einem ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Themen am Vormittag waren dann auch Weltraum, Nachhaltigkeit und Umwelt. Mark Doherty von der ESA beschrieb die verschiedenen europäischen Projekte der Erdbeobachtung aus dem Weltraum für den Umweltschutz, wie zum Beispiel ERS-1 zur Messung der globalen Temperatur der Erdoberfläche, Envisat zur Beobachtung der Luftqualität durch NO2-Messungen, SMOS zur Erfassung der globalen Bodenfeuchtigkeit und Proba-V zur Überwachung der globalen Vegetation. Dr. Juan Carlos Villagrán de León, Chef von UNOOSA / UN Spider in Bonn, stellte daraufhin die Arbeit des UN Office for Outer Space Affairs (UNOOSA) vor, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, internationale Zusammenarbeit in der friedlichen Nutzung und Erforschung des Weltraums zu fördern, um Entwicklungen zum Guten für die Menschheit zu ermöglichen.
Kosmonaut Viktor Sawinych kommentierte die Präsentationen mit der Bemerkung, dass die ersten verwertbaren Informationen zur Klimaänderung eigentlich erst durch die bemannte Raumfahrt gekommen sei. Mit Satelliten lasse sich wohl das eine oder andere im Auge behalten, aber Astronauten und Kosmonauten, die heute in den Weltraum gehen, bekämen genaue Anweisungen, wie sie Umweltdaten zu messen haben.
Teilnehmer am Pressegespräch in der Mittagspause waren Dr. Juan Carlos Villagrán de León, Dr. Jakob Rhyner (UN Bonn), Dr. Gerd Gruppe (DLR), Astronaut Gerhard Thiele (STS-99; jetzt ESTEC, Noordwijk, Niederlande), Dr. Robert Backhaus (DLR) und Prof. Ulrich Walter (STS-55; jetzt TU München, Garching). Hauptthema war ebenfalls das UN-Spider-Programm, und dessen Bezug zur bemannten Raumfahrt. Hauptanliegen des Programms ist es, die verschiedenen möglichen Anwendungen, die aus der Raumfahrt für den Katastrophenschutz zu verwenden sind, zu koordinieren. Größtenteils findet Katastrophenschutz aus dem All mit Satelliten statt. Die bemannte Raumfahrt könne dadurch helfen, dass Astronauten neue Systeme erst mal erproben könnten. Dies sei preiswerter, als unbemannte Probeflüge. Wo Menschen besser geeignet seien, solle man Menschen einsetzen, und wo Roboter besser hin passen, solle man Roboter einsetzen. Das erste digitale Höhenmodell ist auf einer bemannten Mission erstellt worden: STS-99, an der Gerhard Thiele teilgenommen hatte. Für nachhaltige Entwicklung brauche man ein Systemverständnis der Erde und um dieses an die Öffentlichkeit zu bringen, seien Astronauten die geeigneten Botschafter, so Dr. Backhaus. Allerdings, so betonte Prof. Ulrich Walter, seien die Raumfahrer Botschafter für die Öffentlichkeit und ließen sich nicht vor den Karren der Industrie spannen.
Gefragt, ob es möglich sei, die Daten der verschiedenen Satelliten irgendwo zu zentralisieren, gab man an, das sei eine Wunschvorstellung. Es gibt verschiedene Satellitenbetreiber – staatliche, öffentlich-private sowie kommerzielle – die auch jeweils ihren eigenen Datenempfang und ihre eigene Datenarchivierung für ihre Satellitenmissionen haben. UN Spider könne zwar informieren, was wann wo verfügbar und zugänglich ist, jedoch wollen alle verschiedenen Parteien und Institute mit ihren Daten Geld machen.
Als Sammelstelle für Satellitendaten fungiere das DFD (Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum) in Oberpfaffenhofen, so Gerd Gruppe, allerdings sammeln die privaten Unternehmen ihre Daten selbst aus kommerziellen Interessen. Auch gäbe es das Programm Kopernikus (früher GMES) der Europäischen Union, das Umweltdaten von Satelliten und Messstationen an Land, auf See und in der Luft zusammenträgt.
Der Nachmittag war der kommerziellen Raumfahrt in Europa und in den USA gewidmet. Die Sicht der europäischen Industrie zur bemannten Raumfahrt nach der ISS beschrieb dann Bart Reijnen, Direktor der Astrium-Niederlassung Bremen, der in seinem Vortrag neue Konzepte der kommerziellen bemannten Raumfahrt – auch in Kombination mit Robotern und unbemannten Fahrzeugen – vorstellte.
Astronautin Pamela Melroy berichtete über kommerzielle US-Projekte, bei denen NASA-Astronauten mitarbeiten, wie zum Beispiel Dragon und Falcon der Firma SpaceX mit Garrett Reisman, Boeing CST-100 mit Chris Ferguson, Sierra Nevada Dream Chaser mit Jim Voss, Steve Lindsey und Lee Archambault sowie suborbitale Projekte wie Spaceship 2 und XCOR mit Rick Searfoss. Searfoss selbst berichtete daraufhin über das suborbitale Flugzeug Lynx.
Jim Voss hielt einen Vortrag über das Projekt Dream Chaser, bei dem viel übernommen wurde von anderen Systemen wie dem Space Shuttle, SpaceShip One, Orion und der ISS. Es wird erwartet, dass der Dream Chaser 2017 mit einer Besatzung von vier Personen in den Orbit fliegen wird. Insgesamt soll das Raumschiff 7 Leute aufnehmen können.
Die NASA-finanzierte Organisation CASIS wurde von Bonnie Dunbar vorgestellt. Zuerst erzählte sie dem Publikum aber, sie sei am Tag vorher in Konstanz bei einer Schulklasse gewesen, die noch nie etwas von der ISS gehört habe. CASIS hat sich zum Ziel gesetzt, die industriellen Parteien von den Vorzügen der ISS für die Nation zu überzeugen sowie die wissenschaftliche und die Öffentlichkeitsarbeit dazu zu unterstützen. Als Beispiele wurden einige Forschungsbereiche genannt, wie Mikrogravitationsforschung, Biologie, Physik, Materialwissenschaften und Erdbeobachtung.
Beendet wurde die Sitzung mit einem kurzen Schülerkonzert, und die Raumfahrer ließen den Tag mit einer Rheinfahrt ausklingen.