0,000000000001 Sekunden nach dem Urknall

Neue Beobachtungen mit dem Weltraumobservatorium WMAP stützen die Hypothese der extrem schnellen Entfaltung des Universums schon in seinen ersten Sekundenbruchteilen.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA/GSFC. Vertont von Dominik Mayer.

NASA/WMAP Science Team
Expansion des Universums: Extrem schnelle Inflation, dann lange wenig und in „letzter Zeit“ durch dunkle Energie beschleunigte Ausdehnung
(Bild: NASA/WMAP Science Team)

Die Theorie der Inflation des Universums besagt, dass das Universum sich nach dem Urknall innerhalb einer Zeit, die viel kürzer ist als ein Fingerschnippen, auf ein Billionenfaches seiner ursprünglichen, subatomaren Größe ausdehnte. Es expandierte demnach mit einer Geschwindigkeit, die viel höher war als die des Lichts – wohl der beste Hinweis, dass „damals“ noch ganz andere physikalische Gesetze gegolten haben müssen als heute. Aber schon im ersten Billionstel eines Billionstels der ersten Sekunde müssen sich Fluktuationen in der Dichteverteilung ereignet haben, die zur Entstehung der ersten Galaxien und Sterne Hunderte von Millionen Jahren später führten. Und schon nach der ersten Billionstelsekunde soll das Universum fast seine heutige Ausdehnung erreicht haben.

Alan Guths Hypothese vom inflationären Universum entstand um 1980 als Ergebnis bloßer Berechnungen mit Stift und Papier und war zunächst nur eine von mehreren Urknall-Theorien. Sie beschäftigt sich auch nicht mit dem gesamten Urknall, sondern nur mit einer entscheidenden Anfangsphase bis zur Ausdehnung auf etwa die Größe eines Golfballs. Danach geht es dann nach dem Standard-Urknall-Modell weiter, das in seinen Anfängen noch aus der Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg stammt. Allerdings erklärt die Inflationshypothese elegant einige sonst unerklärliche Phänomene, und seitdem wurden mehrfach neue Erkenntnisse gesammelt, die auf die Richtigkeit der Inflationshypothese hinweisen. Nun hat die NASA Ergebnisse neuer Untersuchungen vorgelegt, die die Hypothese weiter stützen.

Diese neuen Erkenntnisse stammen aus Untersuchungen der kosmischen Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich mit dem Weltraumobservatorium WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe), auf Basis von drei Jahren kontinuierlicher Beobachtung. Die Hintergrundstrahlung kann man sich als eine Art „Nachglühen“ des Urknalls vorstellen; sie ist damit das älteste Licht im Universum. WMAP wurde am 30. Juni 2001 gestartet und ist jetzt eine million Meilen von der Erde entfernt, in der Lagrange-2-Position auf der von der Sonne abgewandten Seite.

„Die Inflationstheorie war ein erstaunliches Konzept, als es vor 25 Jahren vorgestellt wurde, und jetzt können wir es mit realen Beobachtungen stützen“, sagte Dr. Gary Hinshaw vom Goddard-Raumfahrtzentrum der NASA, WMAP-Teammitglied und Hauptautor einer der neuen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die demnächst im „Astrophysical Journal“ erscheinen sollen.
Wie können wir auf das junge Universum zurück blicken? Die kosmische Hintergrundstrahlung stellt eine Art „astronomisches Fossil“ dar, analog den versteinerten Überresten früherer Lebewesen. Eingebettet in diesem uralten Mikrowellenlicht sind subtile Muster, die noch immer auf sehr spezifische Bedingungen im frühesten Universum hin deuten.

Frühere Beobachtungen mit WMAP haben sich auf die Temperaturmuster dieses Lichts konzentriert und 2003 erstaunlich präzise Erkenntnisse über das Alter des Universums und seine Geometrie und Zusammensetzung geliefert. Diese Temperaturunterschiede, mit einer Genauigkeit von 20 millionstel Grad erfasst, deuten auf früheste Dichteunterschiede hin – ein bisschen mehr Materie hier, ein bisschen weniger Materie dort, woraus im Laufe späterer Jahrmillionen die Gravitation die Struktur des Universums formte: Sterne und Galaxien, getrennt durch riesige Leerräume.
Die neuen WMAP-Beobachtungen haben nicht nur eine noch detailliertere Karte der Temperaturverteilung geliefert, sondern auch die erste Karte der Polarisation der Hintergrundstrahlung über den gesamten Sternenhimmel. Das Polarisationssignal ist dabei mindestens 100mal schwächer als das Temperatursignal.

NASA/WMAP Science Team
Neues WMAP -Mikrowellenbild des jungen Universums: Farben indizieren wärmere (rot) und kühlere (blau) Bereiche. Die weißen Striche zeigen die Polarisationsrichtung des Lichts.
(Bild: NASA/WMAP Science Team)

Dieser wichtige Durchbruch versetzt Wissenschaftler in die Lage, noch tiefere Einsicht in das Geschehen innerhalb der ersten Billionstelsekunde zu gewinnen. Das WMAP-Team kündigt zwei Hauptergebnisse an: Hinweise auf die Richtigkeit der Inflationstheorie und eine Bestätigung, wann sich die ersten Sterne bildeten. Beide Ergebnisse stützen sich auf die kombinierten Temperatur- und Polarisationsdaten.
WMAP fand heraus, dass die ersten Sterne – die Urahnen aller nachfolgenden Sternengenerationen und des Lebens selbst – sich bereits bemerkenswert früh formten, nur ungefähr 400 Millionen Jahre nach der Inflation. Dies wird als „Reionisationsära“ bezeichnet, als das Licht der ersten Sterne Wasserstoffatome ionisierte und deren Elektronen abspaltete.

Polarisation wird durch die Umgebung beeinflusst, die das Licht auf seinem Weg passiert, wie beispielsweise Sonnenlicht durch die Reflektion von einer glänzenden Oberfläche polarisiert wird. Die Wissenschaftler interessieren sich für zwei Arten von Polarisationssignalen der kosmischen Hintergrundstrahlung: Eine, genannt „E-Modus“, rührt von der Reionisationsära her, wurde also durch ionisiertes Wasserstoffgas verursacht. Die andere, „B-Modus“, rührt direkt aus der Inflationsphase.

WMAP entdeckte E-Modus-Polarisation, aber noch keine B-Modus-Polarisation. Dabei wäre gerade der Nachweis von B-Modus-Polarisation ein schlagender Beweis für Inflation und damit der gesamten Hypothese. Dennoch kann das WMAP-Team schon anhand der Temperaturkarte plus der E-Modus-Polarisationskarte verschiedene Aussagen über die Inflation machen.
Zum Beispiel hat die Wissenschaft jetzt eine obere Grenze für die Energie der Inflation. Außerdem stützen die Daten grundsätzliche Vorhersagen über die Größe und Stärke der Raumzeit-Fluktuationen und wie sie auf kleineren Längenskalen schwächer werden.

„Es ist überwältigend, dass wir nun zwischen verschiedenen Versionen des Geschehens in der ersten Billionstelsekunde des Universums unterscheiden können“, sagte Dr. Charles Bennett von der John-Hopkins-Universität in Baltimore, der Forschungsleiter des WMAP-Teams.
Und es kann immer nur noch besser werden. Die Polarisationsdetektion wird in Zukunft noch stärker werden. „Je länger WMAP beobachtet, desto mehr wird es über die Zeit enthüllen, als unser Universum von mikroskopischen Quantenfluktuationen zu der riesigen Ausdehnung von Sternen und Galaxien wuchs, die wir heute sehen“, sagte Bennett.

Die ESA plant, 2008 die Mission Planck zu starten, die speziell die Polarisation der Hintergrundstrahlung untersuchen soll. Die vorgeschlagene NASA-Sonde Beyond Einstein würde sogar ganz gezielt nach der B-Modus-Polarisation suchen, der Visitenkarte der Inflation.

Weiterführender Link:

WMAP-Homepage (engl.)

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