Indien: GSLV-D6 bringt GSAT 6 ins All

Am 27. August 2015 brachte eine Trägerrakete vom Typ GSLV den indischen S-Band-Kommunikationssatelliten GSAT 6 von der Rampe Nummer 2 des Raumflugzentrums Satish Dhawan der indischen Weltraumforschungsorganisation (ISRO) auf der Insel Sriharikota an Indiens Südküste aus in den Weltraum.

Autor: Axel Nantes. Quelle: ISRO, Raumfahrer.net, SAC.

Gerade abgehoben: GSLV-D6 (Bild: ISRO)

Der Flug der beim Start 49,1 Meter hohen, rund 416 Tonnen schweren Rakete mit der missionsbezogenen Bezeichnung GSLV-D6 und GSAT 6 an der Spitze begann um 16:52 Uhr Ortszeit (IST) bzw. um 13:22 Uhr MESZ am 27. August 2015.

Die 20,1 Meter lange Kernstufe mit der Bezeichnung S139, einem Durchmesser von 2,8 Metern und gefüllt mit festem Treibstoff wurde von vier zusätzlichen, seitlich angebrachten Boostern unterstützt, die integraler Bestandteil der zusammen GS1 für GSLV stage 1 genannten Konstruktion waren.

Die L40H genannten, 19,7 Meter langen Booster mit einem maximalen Durchmesser von 2,1 Meter wurden 2,7 Sekunden vor dem Abheben auf dem Starttisch als erstes gezündet. Sie verbrannten in ihren Vikas-Triebwerken UH25 (75% Unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) + 25% Hydrazinhydrat) mit N2O4 (Distickstofftetroxid). Die Triebwerke sind Ableitungen der in den Ariane 1 bis 4 verwendeten Viking-Triebwerke.

Unmittelbar nach der Zündung des Feststoffmotors der ersten Stufe S139 erfolgte 0,1 Sekunden später das Abheben der Rakete. Der anfangs mit 138,1 Tonnen Treibstoff mit Hydroxyl-terminiertem Polybutadien (HTPB) gefüllte Motor beendete 109 Sekunden nach dem Verlassen des Starttischs seine Arbeit.

GSLV-D6 im Flug (Bild: IRSO)

Nach dem Aufbrauchen des festen Treibstoffes in der ersten Stufe und dem nach 149,1 Sekunden erfolgten Ausbrennen der Flüssigkeitsbooster wurden diese zusammen als Ganzes in Flugsekunde 151,5 in etwa 72 km Höhe von der Rakete abgetrennt.

In Flugsekunde 151,6 zündete die zweite GS2 genannte Stufe der Rakete, die eine Länge von 11,6 Meter aufwies, und ebenfalls mit einem Vikas-Triebwerk ausgerüstet war. Dementsprechend arbeitete auch sie mit UH25 und N2O4. Ihre nominale Brennzeit betrug 150 Sekunden.

Beim Flug der GSLV-D6 wurde erneut eine Nutzlastverkleidung mit einem Durchmesser von 3,4 Metern verwendet. Eine Verkleidung mit einem Durchmesser von vier Metern war am 25. Dezember 2010 ursächlich mit Schuld für das Versagen der GSLV-F06 mit GSAT 5P an Bord. Die Nutzlastverkleidung der GSLV-D6 wurde 230,3 Sekunden nach dem Abheben in rund 116 km Flughöhe während der Arbeit der zweiten Stufe abgeworfen.

Die zweite Stufe schaltete 291 Sekunden nach dem Abheben ab. 2,7 Sekunden später wurde sie von der Rakete abgetrennt.

In rund 132 km Flughöhe trat anschließend die kryogene, das heißt mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff betriebene Oberstufe mit der Bezeichnung CUS-06 in Aktion.

Das Zündkommando für das in Indien gebaute Wasserstoff/Sauerstoff-Triebwerk der 8,7 Meter langen Stufe erfolgte 295,5 Sekunden nach dem Start. 10,1 Sekunden später erreichten Signale, die eine erfolgreiche Zündung bestätigten, überwachende Kontrollstationen. Die geplante Brenndauer betrug 720 Sekunden.

Nachdem die CUS-06 ihre Arbeit erledigt hatte, erfolgte nach einer kurzen rund 12 Sekunden dauernden Freiflugphase rund 17 Minuten nach dem Abheben circa 215 km über der Erdoberfläche die Abtrennung des Kommunikationssatelliten mit einer Startmasse von 2.117 kg (unbetankt 985 Kilogramm). (Das Raumfahrtanwendungszentrum der ISRO (Space Applications Centre, SAC) nennt eine Satellitenmasse von 2.132 kg).

GSAT 6 in Bau (Bild: ISRO)

GSAT 6 gelangte auf eine Erdumlaufbahn mit einem Perigäum, dem der Erde nächstliegenden Bahnpunkt, von rund 168 km (geplant 170 km), und einem Apogäum, dem erdfernsten Bahnpunkt, von rund 35.939 km (geplant 35.975 km). Ihre Neigung gegen den Erdäquator beträgt rund 20,01 Grad (geplant 19,95 Grad). Nach Angaben der ISRO wurde der vorgesehene Geotransferorbit (GTO) damit mit großer Exaktheit erreicht.

Ein mit Monomethylhydrazin (MMH) als Treibstoff und einer Mischung aus Stickstoffoxiden (MON-3) als Oxidator betriebener, 440 Newton starker Motor (Liquid Apogee Motor, LAM) an Bord von GSAT 6 hat die Aufgabe, das Raumfahrzeug auf eine annähernd kreisförmige Bahn in rund 35.786 km über der Erde zu bringen und gleichzeitig die Neigung der Umlaufbahn gegen den Äquator, die sogenannte Inklination, auf 0 Grad abzubauen.

Einsetzen will die ISRO den neuen Satelliten, dessen Bau bereits am 1. Dezember 2005 vom indischen Kabinett beschlossen worden war, an einer Position von 83 Grad Ost im Geostationären Orbit. Dort möchte man ihn in Kolokation mit GSAT 12, INSAT 4A, GSAT 10 und später mit GSAT 6A betreiben.

GSAT 6 auf Transportwagen (Bild: ISRO)

Für die Bahnanhebung, Bahnanpassungen und Lageregelung führt GSAT 6 1.132 kg Treibstoffe mit. Damit soll die Auslegungsbetriebsdauer des Satelliten von 9 Jahren abgedeckt sein. (Das Raumfahrtanwendungszentrum der ISRO nennt eine Auslegungsbetriebsdauer von 12 Jahren).

Der dreiachsstabilisierte Satellit ist ein indisches Produkt und basiert auf dem Bus I-2K alias I2000. Seine Grund-Abmessungen (ohne entfaltete Solarzellenausleger etc.) betragen 2,1 x 2,5 x 4,1 Meter.

Raumflugtechnischer Teil und Kommunikationsnutzlast des Satelliten werden von zwei Solarzellenauslegern mit elektrischer Energie versorgt. Sie leisten zusammen maximal 3.100 Watt. Für einen indischen Kommunikationssatelliten neu ist die an Bord von GSAT 6 verwirklichte Stromschienenspannung von 70 Volt.

Testentfaltung eines Solarzellenauslegers von GSAT 6 (Bild: ISRO)

Ebenfalls neu an Bord eines indischen Satelliten ist die entfaltbare Gitternetzantenne von GSAT 6. Die Antenne mit einem Solldurchmesser von circa sechs Metern dient der Kommunikation im S-Band. Für C-Band-Verbindungen gibt es eine Antenne mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern.

Die S-Band-Nutzlast an Bord ist Tests und Kommunikation mit mobilen Geräten (Satellite Digital Multimedia Broadcasting / S-DMB) gewidmet und soll Hub-Funktionalität für 2.5G/3G-Netzwerke zur Verfügung stellen.

Wichtig für Indien ist dabei die Nutzung der bei der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU) reservierten Frequenzbereiche, die sonst nach Ablauf einer gewissen Frist anderweitig vergeben werden können.

GSAT 6 im All – Illustration (Bild: ISRO)

Als Verstärker im S-Band-Teil dienen 5 Wanderfeldröhrenverstärker (Travelling Wave Tube Amplifier, TWTA) mit einer Leistung von je 235 Watt. Der Umsetzung in das C-Band dienen 5 Transponder mit einer Bandbreite von je 9 MHz für Empfang im C- und Sendungen im S-Band, sowie weitere 5 mit einer Bandbreite von je 2,7 MHz für Empfang im S- und Sendungen im C-Band.

Die fünf durch den Satelliten realisierbaren Ausleuchtzonen im S-Band werden zusammen das gesamte indische Mutterland abdecken. Die C-Band-Ausleuchtzone deckt auch das gesamte indische Mutterland ab.

Als Betreiber von GSAT 6 könnte die sogenannte indische nationale technische Forschungsorganisation (National Technical Research Organisation, NTRO), ein indischer Nachrichtendienst, fungieren. Neben Nutzern staatlicher und militärischer Stellen sollen auch solche aus dem zivilen Sektor von den Leistungen des neuen Satelliten profitieren.

GSAT 6 alias INSAT 4E ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 40.880 und als COSPAR-Objekt 2015-041A.

Update:
Seit dem Start wird GSAT 6 von einem als MCF für Master Control Facility bezeichneten Satellitenkontrollzentrum im indischen Hassan überwacht und gesteuert. Dementsprechend werden von Hassan aus die Brennphasen des Apogäumsmotors des Satelliten zur Bahnanhebung initiiert und kontrolliert.

Der Apogäumsmotor von GSAT 6 absolvierte nach Angaben der ISRO am 28. August 2015 erfolgreich eine erste Brennphase. Diese dauerte 3.385 Sekunden und wurde um 8:35 Uhr IST (5:05 Uhr MESZ) begonnen.

Update 2:
Am 29. August 2015 meldete die ISRO den erfolgreichen Abschluss einer zweiten Brennphase des Apogäumsmotors von GSAT 6. Die 2.663 Sekunden lange Brennphase wurde um 11:10 Uhr und 53 Sekunden IST gestartet. Nach ihrem Ende befand sich GSAT 6 auf einer Bahn mit einem Perigäum von 26.998 Kilometern und einem Apogäum von 35.682 Kilometern über der Erde. Die Restinklination betrug laut ISRO 0,115 Grad (1,15 Grad?). Für einen Erdumlauf benötigte GSAT auf dieser Bahn rund 20 Stunden und 15 Minuten.

Update 3:
Das dritte Bahnanhebungsmanöver von GSAT 6 wurde laut ISRO am 30. August 2015 um 07:52 Uhr IST initiiert und dauerte 580,32 Sekunden. Nach dieser dritten Brennphase des Apogäumsmotors war ein Perigäum von 35.634 und ein Apogäum von 35.681 Kilometern über der Erde erreicht. Die Inklination nach dem Manöver betrug 1,17 Grad. Von einer Position bei 78 Grad Ost im GEO driftet GSAT 6 in Richtung seiner Einsatzposition bei 83 Grad Ost.

Die erfolgreiche Entfaltung der großen Gitternetzantenne von GSAT 6, von der ISRO als UFA für unfurlable antenna bezeichnet, fand ebenfalls am 30. August 2015 statt.

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