AV-062: WorldView 4 und Cubesats gestartet

Der neue kommerzielle Erdbeobachtungssatellit des US-amerikanischen Unternehmens DigitalGlobe mit Sitz in Longmont im US-Bundesstaat Colorado namens WorldView 4 ist im All. Sein Start erfolgte zusammen mit einer Anzahl von Cubesats am 11. November 2016 auf einer Atlas-V-Rakete in der Version 401 von der Luftwaffenbasis Vandenberg im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien aus.

Erstellt von Axel Nantes. Quelle: DigitalGlobe, Harris, Lockheed Martin, NASA, ULA, USAF

Der 6. Start einer Atlas-V-Rakete im Jahr 2016 und der 66. insgesamt erfolgte zu Beginn eines 15 Minuten langen Startfensters um 19:30 Uhr MEZ und wurde am 11. November 2016 unter der Ägide der United Launch Alliance (ULA) abgewickelt. Der Flug begann auf der Space Launch Complex 3E (SLC-3E) genannten Startanlage der an der Pazifikküste gelegenen Luftwaffenbasis Vandenberg (Vandenberg Air Force Base, VAFB).

WorldView 4 beim Hersteller
(Bild: Lockheed Martin)
WorldView 4 beim Hersteller
(Bild: Lockheed Martin)

WorldView 4 mit einer Startmasse von rund 2.087 Kilogramm wurde von einer Atlas V in 401-Konfiguration transportiert. Das bedeutet, dass auf der Zentralstufe mit RD-180-Triebwerk von RD-AMROSS eine Centaur-Oberstufe mit einem Triebwerk aufgesetzt war, an der Zentralstufe keine Feststoffbooster angebracht waren und die Nutzlastverkleidung vier Meter Durchmesser hatte.

Das Haupttriebwerk der Zentralstufe der Rakete mit der Seriennummer AV-062 wurde rund vier Sekunden vor dem Abheben gezündet. Die Zentralstufe trug Centaur und Nutzlast dann in die Höhe. Nach etwas über vier Minuten Flugzeit war die Zentralstufe ausgebrannt und abgetrennt, und es war nun Aufgabe der Centaur, mit einer einzelnen Brennphase ihres RL10C-Triebwerks von Aerojet Rocketdyne die Nutzlast in den vorgesehenen Zielorbit zu bringen. Die erforderliche Brennphase dauerte rund 11 Minuten und 16 Sekunden.

Die Centaur-Oberstufe funktionierte wie vorgesehen und ermöglichte rund 19 Minuten nach dem Abheben ein Aussetzen von WorldView 4 im richtigen Orbit. Damit war der Job der Oberstufe aber noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen einer weiteren rund zwei Stunden dauernden Flugphase sollten einige Kleinstsatelliten, sogenannte Cubesats, ausgesetzt werden, was auch gelang. Für Transport und Aussetzen der Cubesats wurde ein Dispenser mit dem Namen Enterprise am Heck der Oberstufe verwendet.

WorldView 4 mit Nutzlastverkleidung
(Bild: ULA)
WorldView 4 mit Nutzlastverkleidung
(Bild: ULA)

Die beiden ins All transportierten AeroCubes 8C und 8D sind Cubesats im Format 1,5U. Sie dienen dem Unternehmen Aerospace Corporation aus El Segundo im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien als Technologiedemonstratoren. An Bord sind unter anderem neuartige Solarzellen und besondere Ionentriebwerke vom Typ SiEPro (Scalable ion-Electrospray Propulsion System). Außerdem kommen Kohlenstoffnanoröhren zum Einsatz, die dem Schutz vor Weltraumstrahlung dienen sollen.

Ein Cubesat-Experiment mit der Bezeichnung CELTEE für CubeSat Enhanced Locator Transponder Evaluation Experiment ist in einem 1U-Cubesat untergebracht. Mit dem Satelliten mit einer Masse von rund einem Kilogramm will das Forschungslabor der US-amerikanischen Luftwaffe (Air Force Research Laboratory, AFRL) die Leistungen eines neuartigen Transponders zur Positionsbestimmung des Raumfahrzeugs testen. Maximal sechs Monate sollen die Untersuchungen der von M42 Technologies aus Seattle im US-Bundesstaat Washington gelieferten Technik dauern.

Prometheus-Satellit - Illustration
(Bild: USSOCOM)
Prometheus-Satellit – Illustration
(Bild: USSOCOM)

Prometheus 2-1 und 2-2 sind Entwicklungen des Los Alamos National Laboratory (LANL) für das United States Special Operations Command (USSOCOM). In erster Linie dienen sie der Erprobung der Kommunikation von Stationen im Feld mit günstig herzustellenden Cubesats im All, die Informationen zwischenspeichern und bei Bedarf an Empfänger am Erdboden weiterleiten. Die beiden Cubesats im Format 1,5U und mit je vier entfaltbaren Solarzellenauslegern sollen jeweils unter 100.000 US-Dollar gekostet haben.

RAVAN ist ein Cubesat im Format 3U. RAVAN steht für „Radiometer Assessment using Vertically Aligned Nanotubes“ und beschreibt damit die Aufgabe des von der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur (National Aeronautics and Space Administration, NASA) finanzierten und vom Labor für angewandte Physik der Johns Hopkins Universität (Applied Physics Laboratory at Johns Hopkins University, JHU/APL) betriebenen Satelliten mit einer Masse von rund fünf Kilogramm.

Die günstige Radiometer-Technik von RAVAN könnte Prototyp für Instrumente an Bord einer Reihe von Kleinstsatelliten werden, wenn sie sich bei der Messung von Daten zur Earth Radiation Imbalance (ERI) bewährt. Bei der Absorption von Energie aus dem All und der Abstrahlung von Energie durch die Erde ins All gibt es ein Ungleichgewicht, von dem man vermutet, dass es vor Beginn der Industrialisierung nicht bestand. Im Klimasystem der Erde nimmt die Energie derzeit offenbar zu.

Die Bestimmung der von der Erde abgestrahlten Energie kann wertvolle Daten zur Klimaforschung liefern. Gelingt es, die Rückstrahlung über einen weiten Frequenzbereich mit einer bestimmten Genauigkeit zu erfassen, während parallel dazu die Einstrahlung aus dem All zuverlässig erfasst wird, könnte man zu zuverlässigeren Aussagen darüber kommen, ob eine Abkühlung oder eine Erwärmung der Erde zu erwarten ist.

AV-062 kurz nach dem Abheben
(Bild: ULA)
AV-062 kurz nach dem Abheben
(Bild: ULA)

WorldView 4 – die Hauptnutzlast der Atlas V AV-062 – basiert auf dem Satellitenbus LM 900 von Lockheed Martin. Das Raumfahrzeug gelangte auf eine annähernd kreisförmige Bahn in rund 620 Kilometern Höhe über der Erde, wo es für einen Orbit rund 97 Minuten benötigt. Die Bahn des dreiachsstabilisierten Satelliten ist um rund 98 Grad gegen den Erdäquator geneigt, es handelt sich um einen polaren, sonnensynchronen Orbit. Bis zu 680.000 Quadratkilometer der Erdoberfläche pro Tag gedenkt man mit WorldView 4 abtasten zu können. Dabei wird laut Lockheed Martin pro Tag eine Datenmenge von rund 19,5 Terabyte entstehen. Ein Großteil der Kapazität des Satelliten wird DigitalGlobe im Auftrag der US-Regierung einsetzen.

Der mit einem Teleskop mit einem Primärspiegel mit einem Durchmesser von rund 1,1 Metern ausgerüstete neue Erdtrabant besitzt ein Kamerasystem, von dem man sich bei einer Flughöhe von 617 Kilometern über der Erde panchromatische Bilder in einer Auflösung von 31 Zentimetern verspricht. Das von ITT Exelis – jetzt ein Teil der Harris Corporation – in den Vereinigten Staaten von Amerika gebaute System mit der Bezeichnung GIS-2 für GeoEye Imaging System – 2 auf Basis einer SpaceView 110 (SV-110) genannten Konstruktion arbeitet panchromatisch im Bereich zwischen 450 und 800 Nanometern. Multispektral stehen vier Bandbereiche zur Verfügung: 450 – 510 Nanometer (blau), 510 – 580 Nanometer (grün), 655 – 690 Nanometer (rot), 780 – 920 Nanometer (nahes Infrarot). Die multispektral maximal erreichbare Auflösung liegt im Bereich von 1,24 Metern.

AV-062-Start von der VAFB
(Bild: USAF)
AV-062-Start von der VAFB
(Bild: USAF)

Für die Zwischenspeicherung großer Datenmengen an Bord besitzt WorldView 4 ein Halbleiter-Festplattensystem mit einer Kapazität von 3.200 Gigabit. Die Übertragung der gewonnenen Bilddaten zu entsprechenden Bodenstationen wird im X-Band mit einer Datenrate von 800 Megabit pro Sekunde erfolgen, wofür es an Bord entsprechende Funkausrüstung gibt. Telemetrie zum Zustand der Beobachtungsnutzlast und der raumflugtechnischen Systeme kann der Satellit im X-Band mit einer Datenrate von 120 Kilobit pro Sekunde senden. Zusätzlich kann Telemetrie auch im S-Band mit 64 Kilobit pro Sekunde übertragen werden. Der Empfang von Kommandos an Bord des Satelliten erfolgt ebenfalls im S-Band.

Erdbeobachtungsnutzlast und raumflugtechnische Systeme des Satelliten werden von fünf Solarzellenauslegern mit Strom versorgt. Die jeweils 1,17 Meter breiten und 2,01 Meter langen Ausleger sind an fünf der sechs Kanten der Basis des Servicemoduls des rund 5,3 Meter langen Satelliten mit einem Durchmesser von etwa 2,5 Metern montiert. Einen sechsten Ausleger gibt es nicht, um das Sichtfeld der Sternensensoren des Satelliten nicht zu behindern, die zusammen mit GPS-Daten zur exakten Lagebestimmung benötigt werden. Die Ausleger geben dem Satelliten eine Spannweite von rund 7,9 Metern. Der Speicherung elektrischer Energie an Bord dient ein Lithiumionen-Akkumulatorensatz.

WorldView 4 über der Erde - Illustration
(Bild: DigitalGlobe)
WorldView 4 über der Erde – Illustration
(Bild: DigitalGlobe)

Zur Lageregelung und zur Bewältigung anfallender Bahnmanöver gibt es an Bord von WorldView4 zwölf jeweils einen Newton starke Einstofftriebwerke des Typs MR-106L von Aerojet Rocketdyne, in denen Hydrazin katalytisch zersetzt wird. Stellkreisel (CMGs, Control Moment Gyros) können ebenfalls zur Ausrichtung des Satelliten verwendet werden. Bei ihnen kann die Kreiselachse gekippt und so ein Drehmoment auf den Satelliten ausgeübt werden.

Die Auslegungsbetriebsdauer von WorldView 4 beträgt sieben Jahre. Erwartet wird allerdings ein Zeitraum für eine sinnvolle Nutzung des Satelliten von zehn bis zwölf Jahren. WorldView 4 war durch die GeoEye Inc. im Jahr 2010 als GeoEye 2 bei Lockheed Martin bestellt worden. Nach dem Zusammenschluss der GeoEye Inc. mit DigitalGlobe im Jahre 2013 wurde beschlossen, den neuen Satelliten zunächst einzulagern.

Mitte 2014 wurde der Start des zwischenzeitlich in WorldView 4 umbenannten Raumfahrzeugs wegen erwarteter Steigerung der Nachfrage von Erdbeobachtungsdaten für das Jahr 2016 angesetzt, und der Termin 2015 auf September 2016 konkretisiert. Brände im Bereich und auf dem Gelände der VAFB sowie ein Austausch eines Füll- und Ablassventils an der Trägerrakete verursachten anschießend einige Startverschiebungen.

WorldView 4 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.848 und als COSPAR-Objekt 2016-067A.

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