Das dienstälteste Sonnenobservatorium im Weltraum wird 25 Jahre alt – und trägt gerade wegen seines hohen Alters noch immer maßgeblich zur Sonnenforschung bei. Eine Information des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung.
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
Vor 25 Jahren startete die Raumsonde SOHO (Solar and Heliospheric Observatory), ein gemeinsames Projekt der europäischen und amerikanischen Weltraumagenturen ESA und NASA, ins All. Seitdem kreist sie im Gleichtakt mit der Erde um unser Zentralgestirn und hat dank ihres einzigartig unverstellten und vielseitigen Blickes unser heutiges Verständnis von der Sonne geprägt. Trotz der zunehmenden Konkurrenz durch modernere Sonnenspäher und trotz einzelner technischer Zipperlein bleibt SOHOs stetiger Datenstrom von unschätzbarem Wert. Das hohe Alter der betagten Sonde ist indes zu einem wichtigen Alleinstellungsmerkmal geworden: SOHO ist das einzige Sonnenobservatorium im All, der unseren Stern durch mehr als zwei Sonnenzyklen begleitet hat. Viele zentrale Fragen der Sonnenforschung lassen sich nur durch solch lange Beobachtungsreihen beantworten.
„In den vergangenen 25 Jahren hat SOHO unsere Vorstellungen von der Sonne und damit vom gesamten Sonnensystem revolutioniert“, so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Leiter der Abteilung „Sonne und Heliosphäre“ am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen. Während frühere Sonnensonden auf jeweils einen Teilaspekt der Sonnenforschung spezialisiert waren, konnte SOHO mit seinen zwölf wissenschaftlichen Instrumenten erstmals die Sonne in ihrer Gesamtheit abbilden: von den Vorgängen in ihrem Innern bis zum Sonnenwind, den Teilchenstrom, den sie ins All schleudert. Ebenso entscheidend: Aus ihrer erdsynchronen Umlaufbahn, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, hat SOHO anders als erdgebundene Teleskope oder Erdsatelliten ununterbrochen freie Sicht auf die Sonne.
„Plötzlich waren ständig Messdaten verfügbar, völlig unabhängig vom Wetter und anderen Störeinflüssen und von immer gleicher, hoher Qualität“, erinnert sich Dr. Jesper Schou vom MPS. Der Forscher ist seit den ersten Tagen Mitglied im Team des SOHO-Instruments MDI (Michelson Doppler Imager), das unter Leitung der Stanford Universität in den USA die Oberflächenschwingungen und -magnetfelder der Sonne aufzeichnet. „In allen Bereichen der Sonnenforschung eröffneten sich durch SOHO plötzlich völlig neue Möglichkeiten“, fügt er hinzu. Grundlegende Erkenntnisse zu innerem Aufbau und Dynamik der Sonne, zu den Vorgängen in ihrer Atmosphäre und zur Entstehung des Sonnenwindes gehen auf SOHO zurück.
Teils funktionstüchtig, teils im Ruhestand
Entscheidend für SOHOs Erfolg waren die zwölf wissenschaftlichen Instrumente an Bord. Zu drei von ihnen haben Forscher und Ingenieure des MPS beigetragen. Eines davon, der Massenspektrometer CELIAS (Charge, Element, and Isotope Analysis System), ist noch immer in Betrieb und untersucht die Sonnenwindteilchen, welche die Sonde an ihrem Beobachtungsposten umströmen. Auf diese Weise konnte CELIAS erstmals schnelle ungeladene Teilchen im Sonnenwind nachweisen und liefert noch immer wertvolle Erkenntnisse über die Struktur der Heliosphäre. „CELIAS-Daten sind noch immer Grundlage für aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Das Instrument hat in den vergangenen 25 Jahren kaum an Bedeutung verloren“, so MPS-Forscher Dr. Martin Hilchenbach aus dem CELIAS-Team.
Andere Instrumente sind heute nicht mehr voll funktionstüchtig, etwa das Instrument LASCO (Large Angle and Spectrometric Coronagraph) des amerikanischen Naval Research Laboratory. Von den drei Koronographen von LASCO nehmen zwei weiterhin Bilder der Sonnenatmosphäre auf. „Die beiden Koronographen liefern noch immer zuverlässig Daten und haben in den vergangenen Jahren sogar an Bedeutung gewonnen“, so Dr. Bernd Inhester vom MPS. Seit 2014 unterstützt LASCO die NASA-Mission STEREO, die seit dem Ausfall einer ihrer beiden Zwillingssonden alleine keinen dreidimensionalen Blick mehr auf die Sonnenkorona bieten kann.
Andere SOHO-Instrumente hingegen wie etwa der Spektrograph SUMER (Solar Ultraviolet Measurements of Emitted Radiation) wurden bewusst in den Ruhestand versetzt. Das Instrument, das unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde, plagten immer mehr Altersbeschwerden; 2017 wurde es ausgeschaltet. Auch MDI darf sich mittlerweile etwas ausruhen. Es wurde durch ein neueres Instrument an Bord der NASA-Sonde SDO (Solar Dynamics Observatory) abgelöst. Sollte SDO ausfallen, könnte MDI jedoch auch wieder wissenschaftliche Daten liefern.
Sonnenforschung mit langem Atem
Doch auch die Daten der ausgeschalteten Instrumente leisten der Wissenschaft noch immer wertvolle Dienste. „Die Sonne ist ein wandelbarer Stern, der sich auf den verschiedensten Zeitskalen – von Minuten bis Jahrtausenden – ständig verändert“, erklärt Solanki. „Wer die Sonne verstehen will, muss sie deshalb möglichst lange beobachten“, fügt er hinzu.
„Ströme im Innern der Sonne erzeugen das Magnetfeld der Sonne und erhalten es aufrecht. Beobachtungen der Sonnenschwingungen durch MDI haben eine Schlüsselrolle dabei gespielt diese Ströme unterhalb der Sonnenoberfläche mit Hilfe der Helioseismologie sichtbar zu machen“, erklärt Prof. Dr. Laurent Gizon, der am MPS die Abteilung „Das Innere der Sonne und der Sterne“ leitet. In den späten 1990er Jahren konnte MDI aufdecken, wie die Rotation im Innern der Sonne in Abhängigkeit vom Abstand vom Kern und Breitengrad variiert. Im Sommer dieses Jahres nutzte das MPS-Team MDI-Daten, um die großskaligen Bewegungskomponenten in Nord-Süd-Richtung abzuleiten. „Ohne die Daten von SOHO in Kombination mit anderen Datensätzen wäre dies nicht möglich gewesen“, fügt er hinzu.
Auch die Frage, welche Prozesse auf der Sonne für Änderungen ihrer Strahlungsleistung verantwortlich sind, ließ sich nur mithilfe des SOHO-Datenarchivs beantworten. Auswertungen von MPS-Forscherinnen und -Forschern zu Folge sind für Helligkeitsschwankungen, die sich auf Zeitskalen von Tagen bis zu mehreren Jahren vollziehen, in erster Linie magnetische Strukturen auf der Sonnenoberfläche maßgeblich. Diese äußern sich als helle und dunkle Bereiche auf der Sonne; ihre Häufigkeit schwankt in einem etwa elfjährigen Zyklus. „Um diesen Zusammenhang beweisen zu können, brauchten wir Informationen über die Magnetfelder auf der Sonnenoberfläche und über die Strahlungsintensität der Sonne aus demselben, möglichst langen Zeitraum“, erklärt Dr. Natalie Krivova vom MPS. Auch hier erwiesen sich das SOHO-Datenarchiv als Schlüssel zum Erfolg.
In den vergangenen Jahren hat SOHO zunehmend Verstärkung bekommen: Zahlreiche jüngere Raumsonden wie SDO, IBEX und IRIS blicken nun ebenfalls auf unseren Stern, jede mit ihren eigenen Vorzügen. Der jüngste Zuwachs in der Familie der Sonnenspäher ist Solar Orbiter. Die ESA-Raumsonde ist Anfang des Jahres ins All gestartet und wird in den kommenden Jahren erstmals aus großer Nähe die Pole der Sonne untersuchen. „Solar Orbiter wird ohne Zweifel wichtige Teile zum noch immer unvollständigen Sonnenpuzzle hinzufügen“, so Gizon. „Aber die grundlegenden Teile dieses Puzzles verdanken wir SOHO.“
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