Neutrinoteleskop IceCube wird ausgebaut

Erste Erweiterung des Teilchendetektors am Südpol soll vor allem der Neutrinooszillation auf die Spur kommen. Eine Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Benjamin Eberhardt, NSF
Blick auf die Amundsen-Scott-Forschungsstation am Südpol
(Bild: Benjamin Eberhardt, NSF)

Das Neutrinoteleskop IceCube am Südpol kann weiter ausgebaut werden. Die US-amerikanische Einrichtung zur Forschungsförderung National Science Foundation (NSF) hat für ein Upgrade des Observatoriums 23 Millionen US-Dollar bewilligt. Insgesamt wird der Ausbau des Detektors im antarktischen Eis 40 Millionen US-Dollar kosten, wozu auch deutsche Forschungseinrichtungen wesentlich beitragen werden. Die Mittel werden dafür verwendet, noch mehr Lichtsensoren zu installieren, die Spuren von Neutrinos aus dem Weltall auffangen. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die an den Forschungen mit IceCube beteiligt sind, erwarten davon unter anderem wichtige Informationen über die Eigenschaften von Neutrinos.

Benjamin Eberhardt, NSF
Die deutschen Überwinterer Kathrin Mallot und Benjamin Eberhardt bei der Reparatur eines Teleskops
(Bild: Benjamin Eberhardt, NSF)

IceCube ist der größte Teilchendetektor der Welt. Er wurde im Dezember 2010 fertiggestellt und sammelt seitdem Daten über Neutrinos. Neutrinos sind fast masselose Teilchen, die Materie nahezu unbemerkt durchdringen und daher sehr schwer zu entdecken sind. Die Geisterteilchen, wie sie deshalb häufig genannt werden, können aus entfernten Regionen des Weltalls fast ungehindert zur Erde vordringen und uns Informationen über weit entfernte Galaxien übermitteln. Ein Höhepunkt der IceCube-Forschung ereignete sich am 22. September 2017: Die Detektoren meldeten ein hochenergetisches Neutrino, das höchstwahrscheinlich aus einer 5,7 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie im Sternbild Orion stammte.

IceCube besteht aus einem Kubikkilometer Eis und liegt direkt bei der Amundsen-Scott-Station am geografischen Südpol. Die Station wird von den USA finanziert, ist aber für internationale Forschung geöffnet. An 86 Kabeltrossen sind jeweils 60 Glaskugeln angebracht, die in Tiefen zwischen 1,45 und 2,45 Kilometern reichen. Diese Kugeln umschließen hochempfindliche Lichtsensoren, die das bläuliche Tscherenkow-Leuchten auffangen, das bei Neutrinoreaktionen entsteht. Zu den bisher 5160 Sensoren kommen mit dem Upgrade nun weitere 700 neue Sensoren hinzu, die in sehr engem Abstand an sieben Kabeltrossen befestigt sind. Sie werden unter dem Zentrum des jetzigen Detektors etwa 1,6 Kilometer tief installiert. Die ersten Arbeiten dazu haben mit Unterstützung der NSF und anderer Partner, darunter Deutschland, bereits im Herbst 2018 begonnen. Der Südpol ist dank dem kristallklaren Tiefeneis ideal für das Projekt.

Benjamin Eberhardt, NSF
Der Mainzer Physiker Dr. Benjamin Eberhardt ist seit Oktober 2018 am Südpol, um das Neutrinoteleskop IceCube zu überwachen – hier im Rechenzentrum, das die Daten bearbeitet.
(Bild: Benjamin Eberhardt, NSF)

Neutrinooszillation gibt weiterhin Rätsel auf
Neutrinos sind nicht nur schwer nachzuweisen, sondern sie geben auch ansonsten viele Rätsel auf – die mit dem Ausbau zumindest teilweise geklärt werden könnten. Wichtigstes Ziel dieser ersten IceCube-Erweiterung ist es, einem Phänomen auf die Spur zu kommen, das als Neutrinooszillation bezeichnet wird und die Möglichkeit beschreibt, dass Neutrinos als Elektron-, Myon- oder Tau-Neutrino erscheinen und zwischen diesen Formen wechseln können.

Ein zweites Ziel ist die genauere Beschreibung des Eises, das die Lichtsensoren umgibt, um dadurch mit dem bestehenden Detektor bessere Ergebnisse zu erhalten. Vorteile davon wird besonders die Hochenergie-Neutrinoastronomie haben.

Forschende der JGU an IceCube Upgrade und künftigem IceCube-Gen2 beteiligt
Mit den zusätzlichen Lichtsensoren wird die Sensitivität vor allem bei niedrigen Energien im Bereich von 5 bis 10 Gigaelektronenvolt deutlich gesteigert. Dies ist der Energiebereich, in dem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei IceCube Neutrinooszillationen von atmosphärischen Neutrinos beobachten können. Neutrinooszillationen beruhen auf einem Quanteneffekt, dessen Entdeckung 2015 mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde. „Die Analyse dieser Neutrinooszillationen, mit denen wir vor allem etwas über die Eigenschaften der Neutrinos lernen, ist der Schwerpunkt unserer Mainzer Forschungstätigkeit bei IceCube“, teilt Prof. Dr. Sebastian Böser vom Institut für Physik der JGU mit. „Wir erhalten eine größere Anzahl von Neutrinos bei niedrigeren Energien und werden daraus sehr viel lernen können.“

Christine Böser / DESY (2014)
Für den nächsten Ausbau zu IceCube-Gen2: Ein neuartiger Lichtsensor, kurz WOM genannt, der eine höhere Sensitivität und damit ein geringeres Rauschen ermöglicht.
(Bild: Christine Böser / DESY (2014))

So konnte die vom BMBF geförderte Mainzer Neutrino-Gruppe im Vorfeld zeigen, dass die Erweiterung dazu beitragen wird, der Frage nach der Anordnung der Neutrinomassen auf den Grund zu gehen. „Wir rechnen damit, dass die Forschung an IceCube nach dem Upgrade in Verbindung mit dem im Aufbau befindlichen JUNO-Experiment die Frage der Massenhierarchie eindeutig klären kann“, so Böser. Am JUNO-Experiment in China sind Mainzer Forscher ebenfalls maßgeblich beteiligt. Aber auch zu anderen Fragen werden neue Erkenntnisse erwartet, so zu der Annahme, dass Neutrinos bei den Oszillationen auch verschwinden könnten, statt sich umzuwandeln. Hier dürften über den Nachweis von Tau-Neutrinos in bislang unerreichter Rate deutliche Fortschritte erfolgen.

„Daneben gibt uns diese Detektorerweiterung natürlich die Möglichkeit, die technologischen Entwicklungen für die nächste Ausbaustufe von IceCube, den IceCube-Gen2-Detektor, voranzutreiben“, ergänzt Prof. Dr. Lutz Köpke, ebenfalls Neutrino-Forscher am Institut für Physik der JGU. Aus Mainz werden zu diesem Zweck 14 neuartige Lichtsensoren, sogenannte WOMs, im Eis installiert. Diese WOMs nutzen spezielle Materialien und können so bei gesteigerter Sensitivität ein geringeres Rauschen erzielen. „Dieses Rauschen ist der maßgebliche Faktor, um Supernova-Ereignisse zu detektieren – ein weiterer Schwerpunkt, den wir hier in Mainz erforschen“, so Böser. IceCube-Gen2 soll auf den Erfahrungen mit dem Upgrade aufbauen und das Volumen von IceCube verzehnfachen.

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