Hochauflösende Radarabbildung der Mondoberfläche mit dem neuen Zielverfolgungsradar der Großradaranlage TIRA

Forschende des Fraunhofer FHR haben erfolgreich erste Experimente mit dem neuen Zielverfolgungsradar der TIRA-Anlage durchgeführt: Sie erzeugten eine hochauflösende Radarabbildung der gesamten von der Erde sichtbaren Mondoberfläche – aus einer Entfernung von 385.000 Kilometern! Eine Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR.

Quelle: Fraunhofer FHR 22. August 2024.

22. August 2024 – Durch Nutzung der Bewegung von Erde und Mond wurde mit der 34 Meter großen Antenne der TIRA-Anlage eine deutlich größere, virtuelle Antenne erzeugt und somit eine hohe Auflösung für die Abbildung erreicht. Mit diesem Verfahren zur Erzeugung einer synthetischen Antennenapertur (SAR, engl. Synthetic Aperture Radar) konnte eine zusammenhängende Abbildung der gesamten sichtbaren Mondoberfläche erzielt werden.

Radarabbildung der Nordhalbkugel des Mondes. Die Entfernung verläuft im Bild von oben nach unten. (Bild: Fraunhofer FHR)
Radarabbildung der Nordhalbkugel des Mondes. Die Entfernung verläuft im Bild von oben nach unten. (Bild: Fraunhofer FHR)

Ein neues Zielverfolgungsradar für die TIRA-Anlage
Die stetige Verbesserung der Fähigkeiten der Großradaranlage TIRA (Tracking and Imaging Radar) ist ein zentraler und wichtiger Anteil der Forschung beim Fraunhofer FHR. Bei der Weiterentwicklung der Signalverarbeitungssysteme des Zielverfolgungsradars wird konsequent das Konzept des Software-defined Radar verfolgt, um ein flexibles und zukunftsfähiges Forschungsinstrument zur Weltraumlageerfassung mit Radar zu schaffen.

Die Signalabtastung und die Signalerzeugung erfolgen dabei direkt im Mikrowellenbereich im L-Band bei 22 Zentimetern Wellenlänge, nahe am analogen Frontend der Antenne. Die weitergehende Verarbeitung der digitalisierten Signale findet in Echtzeit auf Grafikprozessoren mittels in Software definierter Verfahren statt. Dies ermöglicht eine flexible Implementierung innovativer Methoden und deren wissenschaftliche Nutzung.

In den letzten Wochen wurde mit der erfolgreichen Durchführung verschiedener Experimente ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung erreicht und ein Nachweis zur Eignung des vom Fraunhofer FHR entwickelten Gesamtsystemkonzepts erbracht.

Das erste Licht für das neue System
Beim ersten Experiment mit diesem neuen Instrument, dem sogenannten First Light oder ersten Licht, wurde zur Untersuchung der Systemstabilität eine Vermessung des Mondes durchgeführt. Dazu wurde der Mond durch den leistungsstarken Sender des TIRA mit der Antennenkeule der Cassegrain-Antenne beleuchtet und die von der Mondoberfläche reflektierten Echos wurden nach circa 2,6 Sekunden empfangen. Die Breite der Antennenkeule entspricht hierbei in etwa dem scheinbaren Durchmesser des Mondes.

Darstellung der synthetischen Apertur (grün) aus Sicht des Mondes. In rot ist die relative Bewegung der TIRA-Antennenposition bezogen auf den Mond dargestellt. (Bild: Fraunhofer FHR)
Darstellung der synthetischen Apertur (grün) aus Sicht des Mondes. In rot ist die relative Bewegung der TIRA-Antennenposition bezogen auf den Mond dargestellt. (Bild: Fraunhofer FHR)

Da der Mond für die Keule der Antenne wie ein einzelner Punkt erscheint und nicht aufgelöst von ihr wird, wurde insbesondere die Eigendrehung von Mond und Erde genutzt, um über einen Zeitraum von etwa 30 Minuten sozusagen virtuell eine viel größere Antenne, die sogenannte synthetische Apertur, aufzuspannen. In der Abbildung rechts ist diese synthetische Apertur (grün) mit der relativen Bewegung des TIRA (rot) zur Mondoberfläche dargestellt.

Zusammen mit der Entfernungsmessung des Radarsystems ergibt sich somit eine Abbildung der Mondoberfläche mit einer Auflösung im Bereich von 20 Metern. Die Reflexionen von der nördlichen und südlichen Oberfläche des Mondes überlagern sich dabei, da sie jeweils gleiche Entfernungen aufweisen. Diese beiden so entstehenden Bilder wurden mit dem Monopulssystem des Zielverfolgungsradars, das eine nachträgliche Formung der Antennenkeule ermöglicht, wieder getrennt. Bei dem Monopulssystem handelt es sich um eine Erregerantennengruppe in der Brennebene des Cassegrain-Reflektorsystems, die bei der Zielverfolgung zur präzisen Messung der Zielrichtung dient.

In den erzeugten SAR-Bildern der Mondhalbkugeln verläuft die synthetische Apertur horizontal, über die Vertikale von oben nach unten verläuft die Entfernung zum Radarsystem.

Der ikonische Krater Tycho mit einem Durchmesser von ca. 85 km auf der Südhalbkugel des Mondes. Die Bildauflösung beträgt etwa 20 m. (Bild: Fraunhofer FHR)
Der ikonische Krater Tycho mit einem Durchmesser von ca. 85 km auf der Südhalbkugel des Mondes. Die Bildauflösung beträgt etwa 20 m. (Bild: Fraunhofer FHR)

Aufgaben und Weiterentwicklung der Großradaranlage TIRA
Auf dem Wachtberg am Rhein südlich von Bonn betreibt das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR für das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und die Bundesrepublik Deutschland die europaweit einzigartige Großradaranlage TIRA (Tracking and Imaging Radar) als Experimentalsensor zur Weltraumbeobachtung.

Durch die zunehmende Nutzung des Weltraums für militärische und zivile Anwendungen mit hoher Dichte auch immer kleinerer Satelliten ergeben sich neue Forschungsthemen bei der Frage, wie die nationale Infrastruktur durch Bildung eines umfassenden Weltraumlagebildes mittels Radar geschützt werden kann.

Zur Beantwortung dieser Frage entwickelt der Bereich Radar zur Weltraumlageerfassung (RWL) am Fraunhofer FHR die Großradaranlage TIRA regelmäßig weiter. Nachdem in den vergangenen Jahren die Antriebssysteme der in Azimut und Elevation vollbeweglichen Cassegrain-Antenne, die Sendeanlage des Zielverfolgungsradars sowie das die Gesamtanlage schützende Radom vollständig erneuert wurden, sind die Radarinstrumente zur Zielverfolgung und Zielabbildung Gegenstand der aktuellen Entwicklungsarbeiten.

Das Weltraumbeobachtungsradar TIRA des Fraunhofer FHR auf dem Wachtberg südlich von Bonn. Es wird von einem Starrradom mit 47,5 Metern, dem weltgrößten dieser Art, vor Wetter geschützt. (Bild: Fraunhofer FHR / Jens Fiege)
Das Weltraumbeobachtungsradar TIRA des Fraunhofer FHR auf dem Wachtberg südlich von Bonn. Es wird von einem Starrradom mit 47,5 Metern, dem weltgrößten dieser Art, vor Wetter geschützt. (Bild: Fraunhofer FHR / Jens Fiege)

Das hier im Fokus stehende empfindliche Puls-Doppler-Zielverfolgungsradar des TIRA im L‑Band wird mit seinem Monopulssystem bei der Beantwortung von Forschungsfragen zur Detektion, Diskriminierung, präzisen Bahnverfolgung und Bahnbestimmung von Satelliten und Raumfahrtrückständen im erdnahen (LEO) bis zum geostationären Orbit (GEO) bei Objektdurchmessern von wenigen Zentimetern eingesetzt. Dabei ermöglicht die hochdynamische Antenne eine lückenlose Zielverfolgung sichtbarer Bahnabschnitte.

Die gewonnenen Daten und Erkenntnisse aus den Beobachtungen von TIRA sind u.a. Grundlage für Kollisionsvorhersagen, der Analyse von Fragmentationsereignissen und Wiedereintrittsprognosen. Ein aktuelles Beispiel ist die Bahnvermessung und Radarabbildung des ISS-Batteriepacks während seines Wiedereintritts im März 2024. Auch bei der Planung und Durchführung von Missionen zur In-Orbit-Verbringung von Satelliten und der aktiven Beseitigung von Raumfahrtrückständen finden die aus den erhobenen Daten gezogenen Schlüsse Anwendung. Damit entsteht ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit unserer nationalen Infrastruktur im Weltraum, in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem ressortgemeinsamen Weltraumlagezentrum der Bundeswehr (WRLageZ), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen Weltraumagentur (ESA).

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